Nachfolgend ein Beitrag vom 21.6.2016 von Viefhues, jurisPR-FamR 13/2016 Anm. 4
Leitsätze
1. Beruht die Kostenentscheidung nach § 243 FamFG auf billigem Ermessen, hat dies auch Folgen für deren Überprüfung in der Beschwerdeinstanz. Die Überprüfungsmöglichkeit beschränkt sich darauf, ob das Familiengericht von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat.
2. Ein Unterhaltsschuldner gibt trotz der regelmäßigen und pünktlichen Unterhaltszahlungen auch dann Veranlassung zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens betreffend den Kindesunterhalt, wenn er der Aufforderung zur Errichtung einer Jugendamtsurkunde nicht nachkommt.
3. Für die Titulierungsaufforderung ist auch ausreichend, dass Unterhaltsschuldner zur Vorlage einer vollstreckbaren Urkunde aufgefordert wird. Die Titulierungsaufforderung muss dem Unterhaltsschuldner nicht den kostengünstigsten Weg zur Errichtung eines Titels aufzeigen. Sie muss den Unterhaltsschuldner insbesondere nicht auf die Möglichkeit einer kostenfreien Titulierung durch das Jugendamt hinweisen.
A. Problemstellung
Wird freiwillig der geforderte Unterhalt in voller Höhe gezahlt, besteht dennoch ein Titulierungsinteresse des Unterhaltsberechtigten. Hier lauern in der Praxis aber Risiken, die sich in einer späteren negativen Kostenentscheidung niederschlagen. Das OLG Hamm hat sich in seiner Entscheidung mit einer solchen Fallgestaltung befasst.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beteiligten sind voneinander getrennt lebende Eheleute, die über Kindes- und Ehegattenunterhalt streiten. Die Ehefrau forderte mit anwaltlichem Schreiben vom 19.01.2015 den Ehemann auf, näher bezifferte Unterhaltsbeträge zu zahlen und eine vollstreckbare Urkunde vorzulegen. Im gerichtlichen Verfahren verfolgte sie den Anspruch auf Kindesunterhalt weiter. Der Leistungsantrag ist dem Antragsgegner am 16.06.2015 zugestellt worden, der den Antrag sofort anerkannt hatte. Das Familiengericht hat der Antragstellerin die Verfahrenskosten auferlegt.
Das OLG Hamm hat auf die Beschwerde der Antragstellerin die Kosten dem Antragsteller auferlegt.
Ein Unterhaltsgläubiger habe auch dann ein Rechtsschutzinteresse an der vollständigen Titulierung seines Unterhaltsanspruchs, wenn der Schuldner den Unterhalt bisher regelmäßig und rechtzeitig gezahlt habe (vgl. BGH, Beschl. v. 02.12.2009 – XII ZB 207/08 – FamRZ 2010, 195; BGH, Urt. v. 01.07.1998 – XII ZR 271/97 – FamRZ 1998, 1165).
Der Antragsteller habe Veranlassung zur Antragserhebung gegeben. Nach § 243 Satz 2 Nr. 4 FamFG i.V.m. § 93 ZPO sei ein sofortiges Anerkenntnis nur dann zu berücksichtigen, wenn der Antragsgegner keinen Anlass zur Antragserhebung gegeben habe (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.04.2012 – 3 WF 35/12; OLG Naumburg, Beschl. v. 14.06.2013 – 4 WF 57/13; KG Berlin, Beschl. v. 01.03.2011 – 13 UF 263/10 – FamRZ 2011, 1319; OLG München, Beschl. v. 06.04.2010 – 2 WF 307/10).
Zur Erhebung des Antrags habe der Antragsgegner deswegen Veranlassung gegeben, weil er sich – ohne Rücksicht auf etwaiges eigenes Verschulden – vorprozessual so verhalten habe, dass die Antragstellerin annehmen musste, ohne Anrufung des Gerichts ihr Ziel nicht erreichen zu können (vgl. BGH, Beschl. v. 08.03.2005 – VIII ZB 3/04 – NJW-RR 2005, 1005; OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.01.2007 – 10 UF 169/06; OLG Brandenburg, Beschl. v. 05.12.2006 – 9 UF 90/06; OLG Brandenburg, Beschl. v. 01.09.2004 – 9 UF 176/04 – FamRZ 2005, 536).
Für einen Unterhaltsschuldner bestehe jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Aufforderung zur Errichtung einer Jugendamtsurkunde eine Verpflichtung zur außergerichtlichen Erstellung eines kostenfreien Titels durch Errichtung einer solchen. Denn ihm könne mit Rücksicht auf die Möglichkeit der Kostenfreiheit der außergerichtlichen Titulierung durch die Erstellung einer Jugendamtsurkunde nach den §§ 59, 60 SGB VIII eine außergerichtliche Titelerstellung uneingeschränkt zugemutet werden.
Die Antragstellerin habe den Antragsgegner auch zur Zahlung von Kindesunterhalt und zur Vorlage einer vollstreckbaren Urkunde, mithin einer außergerichtlichen Titulierung, aufgefordert. Dem sei der Antragsgegner nicht nachgekommen.
Damit habe er Verfahrensanlass gegeben, da er trotz der regelmäßigen und pünktlichen Unterhaltszahlungen erfolglos zu einer Titulierung des Unterhalts aufgefordert worden sei (vgl. BGH, Beschl. v. 02.12.2009 – XII ZB 207/08 – FamRZ 2010, 195; OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.02.2011 – 14 UF 213/10 – NJW-RR 2011, 661; KG Berlin, Beschl. v. 01.03.2011 – 13 UF 263/10 – FamRZ 2011, 1319; OLG Jena, Beschl. v. 27.09.2010 – 1 WF 327/10 – FamRZ 2011, 491).
Die Titulierungsaufforderung habe dem Antragsgegner als Verpflichteten nicht den Weg zu einer kostenlosen Titulierung des Unterhaltsanspruchs durch Inanspruchnahme des Jugendamts weisen müssen. Dem stehe nicht entgegen, dass beim Unterhaltsschuldner im Regelfall nicht davon auszugehen sei, dass dieser Kenntnis von der Möglichkeit der kostenfreien Titulierung durch Errichtung einer Jugendamtsurkunde habe. Denn dies treffe auch auf den Unterhaltsgläubiger zu.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des OLG Hamm liegt auf der Linie der übrigen Rechtsprechung. Die Verpflichtung zur außergerichtlichen Titulierung auch bei freiwilligen Zahlungen wird allgemein anerkannt (BGH, Urt. v. 01.07.1998 – XII ZR 271/97 – FamRZ 1998, 1165; OLG Hamm, Beschl. v. 30.01.2013 – II-9 WF 256/12 – FamRZ 2013, 1510; Weil in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1585 BGB Rn. 26). Der Berechtigte muss nicht auf die Möglichkeiten der kostenfreien Titulierung durch eine Jugendamtsurkunde nach den §§ 59, 60 SGB VIII hinweisen (vgl. auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 03.08.1989 – 17 WF 101/89 – FamRZ 1990, 1368). Wird dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, ist die Kostenpflicht im gerichtlichen Verfahren nicht mehr zu vermeiden.
D. Auswirkungen für die Praxis
Diese Rechtsprechung hat zur Folge, dass bei Aufforderung zur Titulierung von Kindesunterhalt sehr zügig eine Jugendamtsurkunde erstellt und dem Gegner zur Verfügung gestellt werden muss.
Anders ist die Situation allerdings bei freiwilliger Zahlung von Ehegattenunterhalt, da hier ein Titel nur – nicht kostenfrei – beim Notar erstellt werden kann. Entscheidend ist hier, dass nach h.M. die Kosten einer solchen Titulierung von der Berechtigten zu übernehmen sind. Folglich liegt eine korrekte Aufforderung durch die Berechtigte nur dann vor, wenn damit die Zusage der Kostenübernahme verbunden ist. Nur dann ist dem Pflichtigen der Weg in das sofortige Anerkenntnis verwehrt. Fehlt eine solche Zusage und liegt damit keine korrekte Aufforderung vor, führt das Anerkenntnis des Verpflichteten zur Kostenpflicht der Berechtigten!
Zu beachten ist, dass ein Unterhaltsschuldner, der nur Teilleistungen auf den geschuldeten Unterhalt erbringt, auch dann Veranlassung für eine gerichtliches Verfahren auf den vollen Unterhalt gibt, wenn er zuvor nicht zur Titulierung des freiwillig gezahlten Teils aufgefordert worden ist (BGH, Beschl. v. 02.12.2009 – XII ZB 207/08 – FamRZ 2010, 195 mit Anm. Gottwald; ausführlich Viefhues, ZFE 2010, 127; Götsche, FamRB 2011, 75).
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Isolierte Kostenentscheidungen in Familienstreitsachen, die nach streitloser Hauptsacheregelung ergehen, sind mit der sofortigen Beschwerde nach den §§ 567 ff. ZPO anfechtbar (BGH, Beschl. v. 28.09.2011 – XII ZB 2/11 – FamRZ 2011, 1933). Es gilt die Zwei-Wochen-Frist des § 569 ZPO.
Das OLG Hamm hat sich weiter mit den Überprüfungsmöglichkeit einer auf billigem Ermessen nach § 243 FamFG beruhenden Kostenentscheidung in der Beschwerdeinstanz befasst. Diese Überprüfung beschränkt sich darauf, ob das Familiengericht von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat (so auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 21.09.2015 – 10 WF 91/15; OLG Celle, Beschl. v. 01.09.2014 – 10 UF 134/14).