Nachfolgend ein Beitrag vom 14.8.2018 von Adamus, jurisPR-FamR 16/2018 Anm. 1

Orientierungssätze

1. Ist der Erblasser vor Rechtskraft der Scheidung verstorben, so ist der Anspruch auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Ermangelung einer rechtskräftigen Scheidung nicht entstanden.
2. Der hiervon rechtlich selbstständige und unabhängige Erbersatzanspruch nach § 1933 Satz 3 BGB ist erst mit dem Tod des Erblassers entstanden und konnte von seiner Natur her nicht Gegenstand im Scheidungsverbund sein und auch nicht im Verbund geltend gemacht werden. Ein noch nicht entstandener Erbersatzanspruch kann folglich nicht durch die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs im Scheidungsverbund in der Verjährung gehemmt werden.

A. Problemstellung

Wird die Verjährung des Unterhaltsanspruchs aus § 1933 Satz 3 BGB durch die Geltendmachung des nachehelichen Unterhalts im Scheidungsverfahren gemäß § 204 BGB gehemmt?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Scheidungsantrag des Ehemannes wurde am 11.08.2009 zugestellt. Im Scheidungsverbund beantragte die Ehefrau 2011 die Zahlung von nachehelichem Unterhalt. Am 23.11.2011 verstarb der Ehemann. Mit Beschluss vom 26.08.2016 wurde der Antrag auf nachehelichen Unterhalt als unzulässig zurückgewiesen.
Im vorliegenden Verfahren (anhängig seit dem 15.03.2017) begehrt die Ehefrau (Antragstellerin) nunmehr die Zahlung von rückständigen Nachscheidungsunterhalt (Dezember 2011 bis März 2017) i.H.v. über 55.000 Euro nebst Zinsen sowie ab April 2017 laufenden Nachscheidungsunterhalt i.H.v. 651,25 Euro monatlich. Antragsgegnerin ist die Schwester des Verstorbenen, die den Ehemann beerbt hatte.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass der Anspruch aus § 1933 Satz 3 BGB nicht verjährt sei, da es sich um denselben Anspruch auf nachehelichen Unterhalt handele, welchen sie bereits im Scheidungsverbund geltend gemacht habe, so dass die Verjährung in der Zeit vom 27.06.2011 bis zum 26.08.2016 gehemmt gewesen sei. Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, der Anspruch sei verjährt, da es sich bei dem Anspruch aus § 1933 Satz 3 BGB um einen rechtlich selbstständigen Erbersatzanspruch handele.
Das AG Erkelenz hat den Antrag zurückgewiesen.
Nach Ansicht des Familiengerichts ist der Antrag unbegründet, weil der Anspruch nach den §§ 1933 Satz 3, 1569, 1573 Abs. 2 BGB verjährt ist.
Der Erbersatzanspruch nach § 1933 Satz 3 BGB sei mit dem Tod des Erblassers am 23.11.2011 entstanden. Die materiellen Voraussetzungen des § 1933 BGB haben im Zeitpunkt des Todeseintritts des Erblassers vorgelegen. Damit sei das Erbrecht der Antragstellerin gemäß § 1933 Satz 1 BGB ausgeschlossen gewesen. An die Stelle des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt sei der Erbersatzanspruch nach § 1933 Satz 3 BGB getreten. Dieser habe der regelmäßigen Verjährung des § 195 BGB unterlegen.
Gemäß § 199 Abs. 1 BGB habe die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und die Antragstellerin Kenntnis von jenen den Anspruch begründenden Umständen erhalten habe, begonnen – mithin mit dem Schluss des Jahres 2011. Gemäß § 195 BGB sei die Verjährung daher mit Ablauf des 31.12.2014 eingetreten. Folglich sei der Anspruch im Zeitpunkt der Anhängigkeit des hiesigen Verfahrens am 15.03.2017 bereits verjährt gewesen.
Die Geltendmachung des nachehelichen Unterhalts im Scheidungsverbund hemme die Verjährung nicht, denn zwischen den Ansprüchen bestehe ein rechtlicher Unterschied. Ein Anspruch auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt entstehe erst mit der Rechtskraft der Scheidung. Der Erblasser sei jedoch vor Rechtskraft der Scheidung verstorben, so dass die Antragstellerin im Zeitpunkt des Todes noch keinen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt gehabt habe. Davon rechtlich selbstständig und unabhängig sei der Erbersatzanspruch nach § 1933 Satz 3 BGB. Dieser sei mit dem Tod des Erblassers entstanden. Dieser war und konnte von seiner Natur her nicht Gegenstand im Scheidungsverbund sein. Vor Erledigung des Scheidungsverbundes durch den Tod des Erblassers habe der hier geltend gemachte Anspruch gerade noch nicht bestanden. Ein noch nicht entstandener Erbersatzanspruch könne nicht durch die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs im Scheidungsverbund in der Verjährung gehemmt werden.

C. Kontext der Entscheidung

Veröffentlichte Rechtsprechung zu dem Unterhaltsanspruch aus § 1933 Satz 3 BGB nach Maßgabe der §§ 1569 bis 1586b BGB existiert kaum. Zu der Frage der Verjährung des Anspruchs und einer eventuellen Identität der Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt, ggf. gemäß § 1586b BGB, wenn der Unterhaltsverpflichtete nach Rechtskraft der Scheidung verstorben ist, gibt es keine Fundstellen. Die Entscheidung des Amtsgerichts erscheint zutreffend. Der Anspruch nach § 1933 Satz 3 BGB verjährt innerhalb der Regelfrist (§ 195 BGB) von drei Jahren. Die Verjährungsfrist begann gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Entstehen des Anspruchs (Tod des Ehemannes) und Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände und der Person des Schuldners. Diese Umstände waren vorliegend bekannt, so dass die Frist mit Ablauf des Jahres 2011 zu laufen begann.
Eine Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch Erhebung der Klage – hier des Antrags auf nachehelichen Unterhalt im Scheidungsverbund – kommt nicht in Betracht. Die Beurteilung richtet sich nach dem Streitgegenstand der erhobenen Klage (BGH, Urt. v. 03.11.1987 – VI ZR 176/87 – NJW 1988, 965; BGH, Urt. v. 21.10.2008 – XI ZR 466/07 Rn. 15 – NJW 2009, 56); entscheidend ist der prozessuale, nicht der materiell-rechtliche Anspruch. Das bedeutet, dass die Klage oder die sonstige gerichtliche Geltendmachung die Verjährung für alle Ansprüche hemmt, die im Rahmen des gestellten Antrags aus dem dem Gericht zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt hergeleitet werden können. Das Scheidungsverfahren war jedoch mit dem Tod des Ehemannes gesetzlich erledigt (§ 131 FamFG), so dass der Anspruch nach § 1933 Satz 3 BGB in diesem Rahmen geltend gemacht werden konnte, zumal dieser erst mit dem Tod entsteht.
Es handelt sich auch nicht um identische Unterhaltsansprüche. Die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 1569 ff. BGB müssen aufgrund der Verweisung in § 1933 Satz 3 BGB zwar dem Grunde nach vorliegen, der Sache nach handelt es sich bei dem Anspruch aber um einen erbrechtlichen Ersatz- bzw. Ausgleichsanspruch, der durch das 1. EheRG von 1973 eingefügt wurde (BT-Drs. 7/650, S. 274/275), um einerseits den Verlust des gesetzlichen Erbrechts durch § 1933 Satz 1 und Satz 2 BGB auszugleichen und andererseits den überlebenden Ehegatten nicht schlechter zu stellen als wenn die Ehe bereits geschieden gewesen wäre. In diesem Fall besteht der Unterhaltsanspruch gemäß § 1586b BGB, der ebenfalls der Höhe nach auf den kleinen Pflichtteil beschränkt ist. Auch eine Hemmung nach § 213 BGB kann folglich nicht angenommen werden, zumal sich die verschiedenen Ansprüche gegen denselben Schuldner richten müssten.

D. Auswirkungen für die Praxis

Verstirbt ein Ehegatte vor Rechtskraft der Scheidung ist zwar das Scheidungsverfahren gemäß § 131 FamFG per Gesetz erledigt, damit aber nicht automatisch alle Folgesachen. Insbesondere der Zugewinn oder – wie vorliegend – der „Unterhalt“ kann als Anspruch gegen die Erben geltend gemacht werden, nur nicht im Scheidungsverfahren, sondern als selbstständige Familiensache.
Im vorliegenden Fall hat das Familiengericht seine sachliche Zuständigkeit aus § 266 Abs. 1 FamFG hergeleitet. Wenn das Familiengericht für den Anspruch aus § 1933 Satz 3 BGB zuständig ist, ist es denkbar, dass der Unterhaltsberechtigte aus Kostengründen auch analog § 141 FamFG die Fortsetzung des Verfahrens als selbstständige Familiensache (OLG Koblenz, Beschl. v. 05.09.2016 – 11 WF 795/16 betr. Zugewinnverfahren), dann gegen die Erben, beantragen kann. Nach dem OLG Koblenz ist dieser Antrag bis zur Rechtskraft der Kostenentscheidung im Scheidungsverfahren möglich. Allerdings würde auch dieses Vorgehen nicht zu einer Hemmung der Verjährung führen.

Erbersatzanspruch: Hemmung der Verjährung durch Geltendmachung des Anspruchs auf Nachehelichenunterhalt im Verbundverfahren
Denise HübenthalRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Familienrecht
  • Fachanwältin für Erbrecht
  • Wirtschaftsmediatorin (MuCDR)

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