Nachfolgend ein Beitrag vom 22.11.2016 von Götsche, jurisPR-FamR 24/2016 Anm. 4
Leitsatz
Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen zum Umgang mit dem Kind sind nach § 57 Satz 1 FamFG auch dann nicht anfechtbar, wenn das Familiengericht eine Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 BGB angeordnet hat. Das Familiengericht hat dann insbesondere nicht über die elterliche Sorge für ein Kind entschieden (§ 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG).
A. Problemstellung
Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen sind nach § 57 Satz 1, Satz 2 FamFG nur sehr eingeschränkt anfechtbar. Wie ist eine einstweilige Anordnung einzuordnen, die auf Einrichtung einer Umgangspflegschaft gerichtet ist?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Kindeseltern streiten um den Umgang des Vaters für ihr gemeinsames Kind. Nachdem das Familiengericht nach mündlicher Verhandlung eine schriftliche Begutachtung durch eine psychologische Sachverständige angeordnet hat, hat es zudem im Wege einer einstweiligen Anordnung das Recht zum Umgang mit dem Kind alle zwei Wochen am Mittwochnachmittag von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr in „Anwesenheit einer umgangsbegleitenden Person i.S.d. § 1684 Abs. 4, Satz 3 BGB“ beschlossen; zugleich hat das Familiengericht eine „Umgangspflegerin“ bestellt.
Die gegen die Umgangsregelung gerichtete sofortige Beschwerde der Kindesmutter hat das OLG Schleswig als unzulässig verworfen. Es handelt sich nach Auffassung des Oberlandesgerichts um eine Entscheidung in Verfahren der einstweiligen Anordnung zum Umgang mit dem Kind, die nach § 57 Satz 1 FamFG nicht anfechtbar sei. Die Anordnung einer Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 BGB sei keine Entscheidung über die elterliche Sorge für ein Kind, da sie lediglich der Umsetzung des dem nicht betreuenden Elternteils zustehenden Umgangsrechts diene und diese organisatorisch absichere; das Familiengericht gleiche insoweit lediglich die grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Eltern untereinander aus.
C. Kontext der Entscheidung
Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen sind nach § 57 Satz 1, Satz 2 FamFG insbesondere anfechtbar, wenn sie nach mündlicher Verhandlung die elterliche Sorge betreffen; betreffen sie das Umgangsrecht, sind sie dagegen unanfechtbar. Wird in einem Hauptsacheverfahren eine schriftliche Begutachtung angeordnet, soll das Gericht in Kindschaftssachen, die das Umgangsrecht betreffen, den Umgang nach § 156 Abs. 3 Satz 2 FamFG durch einstweilige Anordnung von Amts wegen regeln oder ausschließen. Das Gericht soll das Kind vor Erlass einer einstweiligen Anordnung persönlich anhören (§ 156 Abs. 3 Satz 3 FamFG). Geht das Familiengericht so vor und verhandelt es mündlich, ist die einstweilige Anordnung zum Umgang unanfechtbar. Dies gilt nach wohl h.M., der der 1. Senat für Familiensachen des OLG Schleswig hier folgt, auch dann, wenn zugleich eine Umgangspflegschaft angeordnet wird, weil der Schwerpunkt hier auf dem Eingriff in das Umgangsrecht liegt (so OLG Celle, Beschl. v. 16.12.2010 – 10 UF 253/10 – FamRZ 2011, 574; OLG Köln, Beschl. v. 25.11.2011 – 4 UF 238/11 – FamFR 2012, 109; OLG Hamm, Beschl. v. 08.05.2012 – 7 UF 23/12, bestätigt durch OLG Hamm, Beschl. v. 04.08.2016 – 14 WF 119/16). Der BGH hat sich zu dieser Frage noch nicht eindeutig positioniert (vgl. BGH, Beschl. v. 26.10.2011 – XII ZB 247/11 – FamRZ 2012, 99), trennt in einer neueren Entscheidung aber deutlich zwischen der Einrichtung einer Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 BGB und der schärferen, dem Sorgerecht zuzuordnenden Entziehung des Umgangsbestimmungsrechts. Das BVerfG hat in einer aktuellen Entscheidung deutlich zwischen Sorgerechtsmaßnahmen wie der Entziehung elterlicher Sorge und umgangsrechtlichen Maßnahmen wie der Anordnung einer Umgangspflegschaft getrennt (BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 17.09.2016 – 1 BvR 1547/16).
D. Auswirkungen für die Praxis
Hat das Gericht die einstweilige Anordnung schriftlich – d.h. ohne vorherige mündliche Verhandlung – erlassen, ist unabhängig vom Verfahrensgegenstand eine sofortige Beschwerde unzulässig (vgl. den Wortlaut des § 57 Satz 2 FamFG). Es kann dann beim Familiengericht der Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 54 Abs. 2 FamFG gestellt werden. Die dann auf mündliche Verhandlung getroffene einstweilige Entscheidung ist erneut nur unter den Voraussetzungen des § 57 Satz 2 FamFG anfechtbar. Ist sie wie hier unanfechtbar, bleibt ein Änderungsantrag nach § 54 Abs. 1 FamFG beim Familiengericht möglich.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Das OLG Schleswig hat bezweifelt, ob trotz der gewählten Bezeichnung „Umgangspflegerin“ in der Sache überhaupt eine Pflegschaft für die Durchführung des Umgangs nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 BGB angeordnet worden sei, weil nicht angeordnet wurde, ob die „Umgangspflegerin“ die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs verlangen und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt bestimmen dürfe.
Eine „Auslegung und Umdeutung“ der Beschwerde in einen zulässigen Antrag nach § 54 Abs. 1 FamFG (vgl. zuvor unter D.) schied aus, weil die Kindesmutter trotz mehrfacher Hinweise des Oberlandesgerichts ausdrücklich an ihrer Beschwerde festgehalten hat.