Nachfolgend ein Beitrag vom 5.1.2016 von Götsche, jurisPR-FamR 1/2016 Anm. 3

Leitsatz

Für den Fall, dass sich eine Kindesmutter darauf beruft, dass ihr die Mitwirkung an der Feststellung der Vaterschaft nicht möglich oder nicht zumutbar ist, trifft § 1 Abs. 3 UVG keine prozessuale Sonderregelung zu § 86 Abs. 1 Halbsatz 1 VwGO, die die Rechtsfindung des Verwaltungsgerichts in tatsächlicher Hinsicht auf die Würdigung der von der Kindesmutter beigebrachten Beweismittel beschränkt.

A. Problemstellung

Der im UVG geregelte Unterhaltsvorschuss ist eine öffentliche Sozialleistung für minderjährige Kinder, die mit einem alleinerziehenden Elternteil in einem Haushalt zusammenleben. Hierdurch soll den durch das Ausbleiben von Unterhalt des anderen Elternteils verursachten finanziellen Schwierigkeiten begegnet werden, die alleinstehende Elternteile und ihre Kinder häufig haben.
Welche Mitwirkungspflichten treffen dabei den alleinerziehenden Elternteil?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Kindesmutter begehrt im Verwaltungsrechtsstreit Unterhaltsvorschussleistungen für ihr Kind von der Unterhaltsvorschusskasse. Für die Kindesmutter ist bereits seit Jahren eine Betreuung mit einem sehr umfangreichen Aufgabenkreis eingerichtet und ihr in nervenfachärztlichen Gutachten bereits mehrfach eine intellektuelle Grenzbegabung, deutliche Auffälligkeiten im Bereich ihrer Persönlichkeit mit verminderter Kritik- und Urteilsfähigkeit, beschönigenden Tendenzen, verminderter Selbstreflexion, Unreife, verminderter Frustrationstoleranz und Absprachefähigkeit sowie einem gestörten Recht- und Unrechtempfinden attestiert worden. Die begehrte Prozesskostenhilfe hat ihr das VerwG versagt, weil sie sich weigere, bei der Feststellung der Vaterschaft mitzuwirken.
Das OVG Lüneburg gibt der hiergegen gerichteten Beschwerde der Kindesmutter statt und gewährt ihr Prozesskostenhilfe.
Zwar bestehe der Anspruch auf Unterhaltsleistung u.a. dann nicht, wenn der Elternteil, bei dem das Kind lebt, sich weigere, bei der Feststellung der Vaterschaft mitzuwirken. Diese Mitwirkungsobliegenheit bestehe allerdings nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren, wobei sich die Frage, was möglich und zumutbar ist, nach den Umständen des Einzelfalls bestimme. Angesichts der geschilderten gesundheitlichen Problematiken bei der Kindesmutter könne derzeit nicht – jedenfalls nicht ohne Einholung eines Gutachtens – ausgeschlossen werden, dass es der Kindesmutter an der individuellen Fähigkeit zur Mitwirkung an der Vaterschaftsfeststellung fehle. Entgegen dem VerwG treffe die Kindesmutter auch keine umfassende Darlegungs- und Beweisführungspflicht für derartige Umstände.

C. Kontext der Entscheidung

Unterhaltsvorschussleistungen sind im Verhältnis zum barunterhaltspflichtigen Elternteil subsidiäre Einkünfte. Es handelt sich nicht um anzurechnendes, also nicht um bedarfsdeckendes Einkommen des Kindes. Im Verhältnis zu anderen Unterhaltspflichtigen, z.B. den Großeltern, sind Unterhaltsvorschussleistungen dagegen anzurechnendes Einkommen des Kindes und mindern dessen Bedürftigkeit (OLG Dresden, Urt. v. 18.09.2009 – 20 UF 331/09 – FamRZ 2010, 736; Götsche, Unterhalt und Unterhaltsvorschuss, FamRB 2011, 252, 253).
Der alleinerziehende Elternteil ist gemäß § 9 Abs. 1 UVG berechtigt, den Anspruch auf Gewährung eines Unterhaltsvorschusses für sein Kind im eigenen Namen geltend zu machen. Den Elternteil treffen strenge Mitwirkungspflichten. Insbesondere müssen nach § 1 Abs. 3 UVG sämtliche notwendigen Auskünfte erteilt und bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthaltes des anderen Elternteils mitgewirkt werden. Das Mögliche und Zumutbare muss beigetragen und Auskunftsbegehren der Behörde erschöpfend beantwortet werden, um jedenfalls dieser die ggf. erforderlichen Ermittlungen zu erleichtern; anderenfalls entfällt der Vorschussanspruch (VerwG Aachen, Urt. v. 19.01.2010 – 2 K 706/08 – FamRZ 2010, 1479). Diese strenge Mitwirkungspflicht besteht vor allem aus dem in § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG enthaltenen, zugunsten der Behörde geregelten gesetzlichen Forderungsübergang eventueller Unterhaltsansprüche des Kindes gegen seinen Vater.
Ist der alleinerziehende Elternteil ausnahmsweise aufgrund persönlicher, insbesondere gesundheitlicher Einschränkungen zur Mitwirkung nicht in der Lage und ihm deshalb die Mitwirkung im Ergebnis unmöglich, muss Unterhaltsvorschuss gewährt werden. Ob eine solche Einschränkung vorliegt, muss die Unterhaltsvorschusskasse bzw. das Verwaltungsgericht im Wege der Amtsermittlung (vgl. für das Verwaltungsgericht § 86 Abs. 1 Satz 1 HS. 1 VwGO) feststellen. Zwar wird zu einer solchen Ermittlung regelmäßig keine Veranlassung bestehen. Da Zweifel an der individuellen Fähigkeit der Kindesmutter zur Mitwirkung an der Vaterschaftsfeststellung in aller Regel auf Umständen aus ihrer Lebenssphäre beruhen, ist der Mutter eine Mitwirkungsobliegenheit bei der Aufklärung des Sachverhalts zuzuweisen. Wenn aber wie im vorliegenden Fall tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Unmöglichkeit vorliegen, müssen Behörde/Gericht weitere Ermittlungen vornehmen und ggf. sogar ein Gutachten einholen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Grundsätzlich hat der den Unterhaltsvorschuss begehrende Elternteil umfassend an der Feststellung des anderen Elternteils mitzuwirken. Sieht er sich dazu nicht in der Lage, sollten die dafür maßgebenden Gründe möglichst detailliert dargetan werden. Tut dies der Elternteil nicht, so läuft er jedenfalls im Regelfall Gefahr, dass seinem Begehren nicht nachgekommen wird.