Nachfolgend ein Beitrag vom 7.6.2016 von Stockmann, jurisPR-FamR 12/2016 Anm. 4
Orientierungssatz
In einem einstweiligen Anordnungsverfahren betreffend die Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses ist bei der Wertfeststellung für die Gerichtsgebühren gemäß § 41 Satz 1 und Satz 2 FamFG grundsätzlich die Hälfte des beanspruchten Vorschusses anzusetzen.
A. Problemstellung
Ist bei der Festsetzung des Verfahrenswertes für eine einstweilige Anordnung betreffend die Leistung eines Verfahrenskostenvorschusses der volle oder nur der hälftige Wert des begehrten Vorschusses zu berücksichtigen?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
In einem familiengerichtlichen Verfahren wurde im Wege der einstweiligen Anordnung ein Verfahrenskostenvorschuss geltend gemacht. Das Amtsgericht traf eine Sachentscheidung und setzte für den Verfahrenswert den geforderten Betrag in vollem Umfang an.
Das OLG Frankfurt hat den Wert auf die Hälfte reduziert.
Nach Auffassung des Beschwerdegerichts haben die aufgrund einer einstweiligen Anordnung erfolgenden Zahlungen grundsätzlich keine Erfüllungswirkung und die einstweilige Anordnung schafft keine Rechtsgrundlage für ein Behaltendürfen. Zudem seien Hauptsacheverfahren keinesfalls ausgeschlossen oder grundsätzlich entbehrlich, wenn ein Verfahrenskostenvorschuss im Wege der einstweiligen Anordnung geltend gemacht werde.
Wegen der fehlenden Anfechtbarkeit der Entscheidung nach § 57 Satz 1 FamFG stelle die Beantragung eines Hauptsacheverfahrens die einzige Möglichkeit dar, eine Korrektur der amtsgerichtlichen Entscheidung durch das Oberlandesgericht zu erreichen.
C. Kontext der Entscheidung
Nach § 42 FamGKG ist der Wert für ein Verfahren der einstweiligen Anordnung „in der Regel“ unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen. Für diesen Regelfall ist dann von der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Wertes auszugehen.
In der gerichtlichen Praxis führen diese Regelvorgaben generell zu einer Halbierung des Wertansatzes im Vergleich zum Hauptsacheverfahren. Teile der Rechtsprechung nehmen diese Reduzierung auch dann vor, wenn mit der einstweiligen Anordnung gemäß § 246 Abs. 1 FamFG ein auf Geldzahlung gerichtetes Begehren geregelt wird, das die Hauptsacheentscheidung vorwegnimmt und obsolet macht. Zur Begründung wird von dieser Rechtsprechung – wie vom Beschwerdegericht im vorliegenden Fall – darauf verwiesen, dass auch bei einer Zahlungsverfügung die theoretische Möglichkeit eines anschließenden Hauptsacheverfahrens nicht ausgeschlossen ist (OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.04.2014 – 5 WF 40/14; OLG Celle, Beschl. v. 13.01.2015 – 19 WF 318/14; so wohl auch Klüsener in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl. 2013, § 41 FamGKG Rn. 8).
Demgegenüber stellen deutlich stärkere Stimmen in Rechtsprechung und Literatur nicht auf theoretisch vorstellbare Ausnahmefälle ab, sondern darauf, ob im konkreten Fall durch die einstweilige Anordnung die Hauptsacheentscheidung erübrigt wird und damit mit ihr nicht nur eine vorläufige, sondern eine endgültige Regelung erfolgt ist (OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.06.2014 – 3 WF 136/14; OLG Bamberg, Beschl. v. 13.05.2011 – 2 WF 102/11; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.02.2014 – 5 WF 24/14; OLG Bremen, Beschl. v. 24.09.2014 – 5 WF 72/14; Fölsch in: Hk-FamGKG, 2. Aufl. 2014, § 41 Rn. 16; Ebert in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, Anh. I/4 Rn. 133). Teilweise erstrecken diese Stimmen den Ansatz des vollen Leistungswertes nicht nur auf den Fall der einen Verfahrenskostenvorschuss betreffenden einstweiligen Anordnung, sondern auch generell auf alle Unterhaltsanordnungen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.02.2010 – 3 WF 15/10).
D. Auswirkungen für die Praxis
Für den anwaltlichen Vertreter ist schon der Umstand besonders misslich, dass – selbst zwischen den Spruchkörpern des gleichen Gerichts – unterschiedliche Rechtsauffassungen bestehen. Zudem wird ihm unbefriedigend erscheinen, dass er für eine Tätigkeit im Verfahren der einstweiligen Anordnung, in dem ihm eventuell vom Gericht ein gleich umfangreicher und intensiver Vortrag wie für ein Hauptsacheverlangen abgefordert wird, nur eine deutlich geringere Vergütung bekommt.
Es liegt dann nahe, sich nicht mit der möglicherweise die Interessen des Mandanten bereits zufriedenstellenden einstweiligen Anordnung zu begnügen, sondern das Hauptsacheverfahren nachzuschieben, insbesondere dann, wenn dadurch kein besonderer Arbeitsaufwand mehr verursacht wird. Diejenigen Obergerichte, die eine restriktive Handhabung bei der Festsetzung des Verfahrenswertes vertreten, begründen ihre Meinung ja auch immer damit, dass die einstweilige Anordnung nur eine Vollstreckungsregelung darstellt und dass damit der Anspruch auf eine Entscheidung, der Rechtskraftwirkung beikommt, nicht ausgeschlossen ist.
Eventuell sind diese Gerichte aber auch bereit, ihre Haltung zu überprüfen, wenn sie darauf aufmerksam gemacht werden, dass bei Zugrundelegung ihrer Argumentation nie ein Anlass für die im Gesetz vorgesehene Erhöhung des Regelwertes gegeben ist: Jede einstweilige Anordnung kann abgeändert werden, die Einleitung eines Hauptsacheverfahrens ist nie ausgeschlossen. Dennoch hat der Gesetzgeber die Möglichkeit vorgesehen, von der Ermäßigung des Regelwertes abzusehen. Von diesem, ihnen eingeräumten Ermessen können die Gerichte aber nur Gebrauch machen, wenn sie den Verfahrenswert nicht schematisch festlegen, sondern im konkreten Einzelfall prüfen, ob durch die Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung die Hauptsacheregelung vorweggenommen wird oder nicht.
Keine Vorwegnahme dürfte beispielsweise vorliegen, wenn das Gericht den Erlass der einstweiligen Anordnung mit der Begründung ablehnt, der geltend gemachte Anspruch sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Dann muss der Antragsteller, wenn ihm – was regelmäßig der Fall sein dürfte – die Beschwerde nach § 57 FamFG verwehrt ist, zur Durchsetzung seines Begehrens in das Hauptsacheverfahren übergehen.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Ohne weitere Begründung ging das OLG Frankfurt in seinem Fall davon aus, dass der Beschwerdewert des § 59 Abs. 1 Satz 1 FamGKG (200 Euro) erreicht war. Offensichtlich war Beschwerdeführer derjenige Beteiligte gewesen, dem die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung auferlegt worden waren. Seine Beschwer lag in der Differenz zwischen den von ihm zu tragenden Anwalts- und Gerichtsgebühren bei den diskutierten unterschiedlichen Wertansätzen.
Legt der Anwalt gemäß § 32 Abs. 2 RVG im eigenen Namen die Beschwerde gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes nach § 59 FamGKG ein, so liegt seine Beschwer nur in der Differenz der ihm nach den strittigen Wertansätzen zustehenden Anwaltsgebühren.