Nachfolgend ein Beitrag vom 7.6.2016 von Herberger, jurisPR-FamR 12/2016 Anm. 1

Leitsätze

1. Die Veröffentlichung von Fotos eines Ehegatten mit seinem neuen Lebenspartner in sozialen Netzwerken führt nicht zur Versagung oder Beschränkung des Trennungsunterhalts gemäß § 1579 Ziff. 7 BGB.
2. Eine verfestigte Lebensgemeinschaft i.S.d. § 1579 Ziff. 2 BGB liegt auch bei einer etwa 14 Monate dauernden Beziehung eines Ehegatten nicht vor, wenn dieser mit seinem neuen Lebenspartner im Zeitpunkt der Entscheidung erst seit etwa vier Monaten in einem gemeinsamen Haushalt lebt.

A. Problemstellung

Gerichte müssen sich immer wieder in unterschiedlichen Kontexten mit Facebook beschäftigen. In der vorliegenden Entscheidung geht das AG Lemgo der Frage nach, inwiefern der Trennungsunterhalt nach den §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 7 BGB aufgrund von Facebook-Fotos zu versagen bzw. zu beschränken ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Antragstellerin macht Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB geltend. Sie ist mit dem Antragsgegner verheiratet, wobei sie getrennt von ihm lebt. Nachdem sie die Ehewohnung verlassen hatte, zog sie zunächst bei ihren Eltern ein und etwa ein Jahr später dann bei ihrem neuen Lebenspartner. Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass der Anspruch auf Trennungsunterhalt jedenfalls teilweise verwirkt sei. Die Antragstellerin habe bereits zum Trennungszeitpunkt eine Beziehung zu ihrem jetzigen Lebenspartner gehabt (gemeinsame Freizeitaktivitäten, Teilnahme an Familienfeiern und gemeinsamer Urlaub). Schon einen Monat nach dem Auszug aus der ehelichen Wohnung habe die Antragstellerin bei Facebook zwei Fotos von sich und ihrem neuen Lebensgefährten gepostet, die beide in inniger Vertrautheit zeigten. Aus Sicht des Antragsgegners handelt es sich um ein schwerwiegendes Fehlverhalten, weil es geeignet sei, ihn in der Öffentlichkeit „lächerlich zu machen“. Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass die Facebook-Fotos nicht herangezogen werden dürften, da sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien. Zu berücksichtigen sei auch, dass sie nicht überraschend aus einer intakten Ehe ausgebrochen sei. Der Antragsgegner selbst habe seit Jahren eine Beziehung zu seiner jetzigen Lebensgefährtin.
Das AG Lemgo hat der Antragstellerin einen Anspruch auf Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB zugesprochen.
Die Voraussetzungen für die Versagung bzw. Beschränkung des Unterhalts nach den §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 2, Nr. 7 BGB lägen nicht vor. § 1579 Nr. 2 BGB sei nicht einschlägig, weil die Antragstellerin (noch) nicht in einer verfestigten Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner lebe. Dafür sei nach der Rechtsprechung des BGH – wenn keine besonderen Umstände vorlägen – eine Zeitspanne von zwei bis drei Jahren erforderlich.
Eine Versagung bzw. Beschränkung des Unterhalts nach § 1579 Nr. 7 BGB komme ebenfalls nicht in Betracht. Dies würde nämlich ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei der Antragstellerin liegendes Fehlverhalten gegenüber dem Antragsgegner erfordern. Der Antragstellerin könne nicht vorgeworfen werden, dass sie einseitig und ohne Grund die eheliche Solidarität aufgekündigt habe, denn die Ehe sei seit längerer Zeit dadurch belastet gewesen, dass der Antragsgegner ein außereheliches Verhältnis gehabt habe. Auch in der Veröffentlichung der Fotos bei Facebook könne kein schwerwiegendes Fehlverhalten der Antragstellerin erblickt werden. Zwar sei die Veröffentlichung eines Fotos mit dem neuen Partner nicht nötig und nicht gerade geschmackvoll. Aber es sei heute allgemein üblich, Umstände seines Privatlebens in den sozialen Netzwerken zugänglich zu machen.

C. Kontext der Entscheidung

Es handelt sich nicht um die erste Entscheidung, in der sich ein Gericht mit der Frage beschäftigt, inwiefern Aktivitäten im Internet Auswirkungen auf einen Unterhaltsanspruch haben können.
Schon 2009 musste sich das OLG Oldenburg mit dieser Thematik auseinandersetzen (OLG Oldenburg, Beschl. v. 17.11.2009 – 3 WF 209/09). Es kam zu dem Ergebnis, dass der Anspruch auf Trennungsunterhalt gemäß § 1361 BGB nach den §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 7 BGB ausgeschlossen ist, wenn sich die Antragstellerin noch während des Zusammenlebens mit ihrem Ehemann ein Profil auf einer Internetseite anlegt, auf der Interessierte sexuelle Kontakte suchen können und dabei ihre sexuellen Vorlieben und Neigungen offenbart.
Das AG Rinteln hatte der Frage nachzugehen, ob der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB nach § 1579 Nr. 2 BGB zu versagen ist, weil die Antragstellerin in einer verfestigten neuen Lebensgemeinschaft lebt (AG Rinteln, Beschl. v. 02.07.2014 – 4 F 216/13 UE). Der Antragsgegner war der Ansicht, dass der Anspruch zu versagen sei, weil die Antragstellerin „über Facebook“ mit ihrem neuen Partner „verlobt“ sei. Das Gericht folgte der Einschätzung des Antragsgegners mit der Begründung, dass die Antragstellerin seit über zwei Jahren mit ihrem neuen Partner zusammenlebe und dass sie ihre Verlobung mit dem neuen Partner öffentlich bekannt gegeben habe. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass die Beziehung zu dem neuen Partner hinreichend verfestigt sei.

D. Auswirkungen für die Praxis

Antragsteller/innen in einem Unterhaltsprozess sollten genau darauf achten, inwiefern sie private Umstände im Internet veröffentlichen. Insbesondere bei der Nutzung von Facebook können – wenn bestimmte Inhalte unbedingt eingestellt werden müssen – die Privatsphäre-Einstellungen dabei helfen, nur eine beschränkte Öffentlichkeit einzubeziehen. Prozessvertreter können den Verbreitungsgrad eines Facebook-Posts (z.B. Beschränkung auf Freunde) nutzen, um eine gewisse Rücksichtnahme auf den Ehepartner nachzuweisen. Ergänzend kann man sich darauf berufen, dass der/die Antragsteller/in die Freundesliste bei Facebook sorgfältig pflegt, um den Adressatenkreis möglichst klein zu halten.
Antragsgegner/innen in einem Unterhaltsprozess können durch die Verfolgung der Internet-Aktivitäten des Ehepartners während des Getrenntlebens Umstände beweisen, die sie ansonsten nur vermuten könnten. Wer einen möglichst umfangreichen Einblick in die Aktivitäten des Ehepartners erhalten will, kann zwar das eigene Profil bei der Recherche verwenden. Hier besteht aber das Risiko, dass der Ehepartner das Recht zur Einsichtnahme, z.B. durch Blockieren ausschließt. Diese Möglichkeit besteht nicht bei einem Profil, das überhaupt nicht mit dem Profil des Ehepartners verknüpft ist. Mittels eines solchen Profils können die öffentlichen Posts im Ehegatten-Profil eingesehen werden. Noch direktere Einsichtsmöglichkeiten bestehen über das Profil eines Dritten, der eine enge Facebook-Verbindung mit dem Ehegatten hat. Hier sind möglicherweise sogar Inhalte sichtbar, die nur mit Freunden, also einem beschränkten Adressatenkreis, geteilt wurden.
Bereits diese Betrachtung einiger Facebook-Grundkonstellationen verdeutlicht, dass die auf diese Weise zugängliche Informationsvielfalt im Rahmen anwaltlicher Argumentationen zur Beschränkung bzw. Versagung des Unterhaltsanspruchs eine wichtige Rolle spielen kann. Für das Mandantengespräch sollte ein Anwalt also ggf. über Facebook-Grundkenntnisse verfügen.