Nachfolgend ein Beitrag vom 17.7.2018 von Götsche, jurisPR-FamR 14/2018 Anm. 5
Leitsatz
Wird nach Abtrennung einer Folgesache i.S.v. § 137 Abs. 2 FamFG über Teile des Verbunds entschieden, führt dies gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG zur Teilfälligkeit der Gebühren, die hinsichtlich der entschiedenen Gegenstände angefallen wären, wenn nur diese rechtshängig gewesen wären. Jedoch ist für diese Gebühren die Verjährungsfrist nach § 8 Abs. 2 RVG gehemmt, bis das Verbundverfahren endgültig abgeschlossen ist.
A. Problemstellung
Wann werden Rechtsanwaltsgebühren in Verbundsachen im Falle einer Abtrennung fällig und wann verjähren sie?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
In dem 2006 beim Familiengericht eingeleiteten Scheidungsverfahren hat das Familiengericht in 2011 die Folgesache nachehelicher Unterhalt aus dem Scheidungsverbund abgetrennt, die Scheidung ausgesprochen, über den Versorgungsausgleich entschieden und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben. Am 26.03.2013 haben sich die Parteien über den abgetrennten nachehelichen Unterhalt verglichen; sodann hat das Familiengericht die Gegenstandswerte festgesetzt. Mit ihrem in 2015 eingegangenen Antrag hat die im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin Festsetzung ihrer Vergütung gemäß § 55 RVG sowohl für den nicht abgetrennten Verbund als auch für die abgetrennte Folgesache nachehelicher Unterhalt begehrt.
Mit Beschluss vom … 2015 hat die Kostenbeamtin die Verfahrenskostenhilfevergütung lediglich für die Einigungsgebühr der abgetrennten Folgesache nachehelicher Unterhalt festgesetzt. Im Übrigen hat sie die Einrede der Verjährung erhoben, weil die übrigen Gebühren gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG mit Beendigung des Rechtszugs, also mit der Entscheidung vom 17.11.2011 fällig geworden und die dreijährige Verjährungsfrist daher mit dem 31.12.2014 abgelaufen sei.
Das mit der Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten befasste OLG Stuttgart hat die begehrte Vergütung (mit Ausnahme einer gegen § 16 Nr. 4 RVG verstoßenden getrennten Abrechnung der Folgesache nachehelicher Unterhalt) bewilligt.
Die Gebühren, die auf bereits entschiedene Gegenstände entfallen, seien mit Ausspruch der Scheidung und Entscheidung über den Versorgungsausgleich in 2011 fällig geworden, da hinsichtlich dieser Gegenstände der Rechtszug beendet wurde. Hinsichtlich der Gebühren für die abgetrennte Folgesache nachehelicher Unterhalt sei die Fälligkeit hingegen erst mit der Beendigung des gesamten Verfahrens durch den Vergleich in 2013 eingetreten. Im Übrigen sei nach § 8 Abs. 2 RVG die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB für die bereits in 2011 fällig gewordenen Gebühren bis zum endgültigen Abschluss des als eine Angelegenheit zu behandelnden Verbundverfahrens am 26.03.2013 gehemmt und daher bis zur Antragstellung in 2015 noch nicht abgelaufen.
C. Kontext der Entscheidung
Gebührenrechtlich bildet eine Scheidungssache auch betreffend der Folgesachen nach § 16 Nr. 4 RVG eine einheitliche Sache. Durch die Abtrennung einer Folgesache erfolgte keine Lösung aus dem Verbund, die abgetrennte Sache bleibt Folgesache (§ 137 Abs. 5 Satz 1 FamFG). Eine Ausnahme gilt für Kindschaftsfolgesachen, die mit der Abtrennung selbstständige Familiensachen gemäß § 137 Abs. 5 Satz 2 FamFG werden; allerdings werden Kindschaftssachen heutzutage kaum mehr als Folgesachen eingebracht. Damit galt im vorliegenden Fall § 16 Nr. 4 RVG weiter und das ganze Verfahren kann als eine Angelegenheit nur einheitlich abgerechnet werden.
Die Fälligkeit der anwaltlichen Gebühren tritt mit der Endentscheidung über die jeweilige Sache ein (Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., § 21 Rn. 23). Werden Verbundsachen wegen Abtrennung zeitlich versetzt beendet, so hat dies unterschiedliche Fälligkeiten zur Folge, so auch hier:
– Rechtsanwaltsgebühren für Scheidung und Versorgungsausgleich wurden am 17.11.2011 fällig;
– Rechtsanwaltsgebühren für die abgetrennte Folgesache nachehelicher Unterhalt (Differenzgebühren) wurden mit dem Vergleichsabschluss am 26.03.2013 fällig.
Gleichwohl hat das Auseinanderfallen der Fälligkeiten im Ergebnis zunächst keine Auswirkungen wegen § 8 Abs. 2 RVG. Solange das gesamte Verbundverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist oder sich anderweitig erledigt hat, ist die Verjährung sämtlicher Vergütungsansprüche aus dem Verfahren (und zwar aller Instanzen) gehemmt. Erst mit rechtskräftigem Abschluss oder anderweitiger Erledigung des gesamten Verfahrens fällt die Hemmungswirkung weg und die Verjährungsfristen beginnen zu laufen.
Hier lauert aber eine Falle (vgl. ausführlich Schneider, NZFam 2015, 57 sowie NZFam 2018, 423): Während sich für die Vergütungsansprüche, deren Verjährungsablauf gehemmt war, nunmehr sofort (taggenau) die weitere Verjährungsfrist, hier also die Dreijahresfrist, anschließt, beginnt die Verjährungsfrist für die Vergütung aus dem abgetrennten Verfahren erst mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres. Das bedeutete hier, dass
– die Verjährungsfrist für die Vergütung aus Ehesache, Versorgungsausgleich und Zugewinn am 28.03.2016 (Montag) enden würde,
– während die Verjährungsfrist für die weitergehenden Ansprüche aus dem abgetrennten Verfahren dagegen erst am 02.01.2017 (Montag) enden würde.
D. Auswirkungen für die Praxis
Der Rechtsanwalt ist vor einer Verjährung solange geschützt, wie über die Scheidung nebst Folgesachen insgesamt noch nicht entschieden ist. Erst mit der Entscheidung über die letzte abgetrennte Folgesache sollte er die nun laufende Verjährung beachten und möglichst zügig nach Verfahrensabschluss abrechnen.
Aufpassen sollte er dagegen bei dem (allerdings kaum mehr praktisch vorkommenden) Fall einer Abtrennung der Folgesache Sorge oder Umgang: Da diese selbstständig werden, dürfte nunmehr auch die Verjährung abhängig vom jeweiligen Verfahrensende getrennt laufen; eine Hemmung nach § 8 Abs. 2 RVG dürfte ausscheiden.
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