Nachfolgend ein Beitrag vom 5.7.2016 von Götsche, jurisPR-FamR 14/2016 Anm. 1

Leitsätze

1. Bei intakter Ehe scheidet ein Gesamtschuldnerausgleich zugunsten des allein verdienenden Ehegatten für Verbindlichkeiten jeder Art gegen den mit der Haushaltsführung betrauten Ehegatten aus. Dies ändert sich mit dem Scheitern der Ehe.
2. Eine anderweitige Bestimmung i.S.v. § 426 Abs. 1 BGB kann darin liegen, dass ein Ehegatte wegen der Rückzahlung der Darlehen eigene Unterhaltsansprüche gegen den zahlenden Ehegatten – ausdrücklich oder konkludent – nicht geltend macht.
3. Für die Annahme einer konkludenten anderweitigen Bestimmung bedarf es jedoch der Darlegung, dass solche Unterhaltsansprüche, und zwar ohne die Berücksichtigung der die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Ehegatten mindernden Schuldentilgung, überhaupt bestanden haben. Die Darlegungs- und Beweislast hat dabei derjenige Ehegatte, der eine vom Halbteilungsgrundsatz abweichende Verteilung verlangt, also weniger als die Hälfte der Verbindlichkeiten tragen will.

A. Problemstellung

Die vermögensrechtliche Auseinandersetzung der Eheleute außerhalb des ehelichen Güterrechts betrifft vielfach die gesamtschuldnerische bestehende Haftung für gemeinsame Verbindlichkeiten. Inwieweit kann die unterhaltsrechtliche Auseinandersetzung auf den Gesamtschuldnerausgleich Einfluss nehmen? Und wer trägt für solche Umstände die Darlegungs- und Beweislast?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die miteinander verheirateten Beteiligten trennten sich Ende März 2014. Am 29.08.2013 hatten sie einen Ratenkredit bei monatlichen Raten i.H.v. 560 Euro (zahlbar bis 2020) aufgenommen, allein der Antragsteller bediente die Kreditraten.
Der Antragsteller verlangte von der Antragsgegnerin den hälftigen Ausgleich der von ihm geleisteten Darlehensraten sowie zukünftig die Freistellung von den hälftigen Darlehensraten. Das Amtsgericht hatte den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen.
Das OLG Hamm hat auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und dem Antragsteller ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Grundsätzlich bestehe die Möglichkeit eines Gesamtschuldnerausgleich (§ 426 BGB) für den Antragsteller. Eine Abweichung vom hälftigen Innenausgleich müsse die Antragsgegnerin dartun.
Für die Zeit des Zusammenlebens der Beteiligten bis zur Trennung im März 2014 ergebe sich allerdings zwanglos, dass die hälftige Ausgleichspflicht während intakter Ehe durch die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert werde. Für die Zeit nach der Trennung könne eine stillschweigende anderweitige Bestimmung darin liegen, dass ein erfolgter Verzicht auf Ehegattenunterhalt wegen der Darlehenstilgung durch den anderen Ehegatten beruht. Indes sei seitens der Antragsgegnerin nicht dargetan, dass eine derartige – stillschweigende – Bestimmung erfolgt sei. Allein dass wechselseitige Ansprüche – jedenfalls vorerst – nicht weiterverfolgt werden, reiche für sich isoliert betrachtet nicht, um die Annahme zu rechtfertigen, die Beteiligten seien stillschweigend übereingekommen, dass es dabei auch künftig auf Dauer verbleiben solle. Im Übrigen ergebe sich auch bei einer lediglich hälftigen Tragung der Darlehensraten durch den Antragsteller jedenfalls kein nennenswerter Unterhaltsanspruch, wie das Oberlandesgericht – welches einen Unterhalt von rd. 22 Euro/monatlich ermittelt hat – im Einzelnen ausführt.

C. Kontext der Entscheidung

Während intakter Ehe kann die grundsätzlich hälftige Beteiligung der Ehegatten an gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten von der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Weise überlagert werden, dass sich im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten eine andere Aufteilung ergibt (BGH, Urt. v. 25.03.2015 – XII ZR 160/12 – FamRZ 2015, 993). Bei intakter Ehe scheidet ein Ausgleichsanspruch des allein verdienenden Ehegatten für Verbindlichkeiten jeder Art gegen den mit der Haushaltsführung betrauten Ehepartner aus (vgl. BGH, Urt. v. 17.05.1983 – IX ZR 14/82 – FamRZ 1983, 795; vgl. auch BGH, Urt. v. 03.02.2010 – XII ZR 53/08 – FamRZ 2010, 542; OLG Jena, Beschl. v. 08.12.2011 – 1 UF 396/11 – NJW 2012, 1235).
Erst mit dem Scheitern der Ehe entfällt in der Regel der Grund für eine von der hälftigen Ausgleichsregel abweichende Gestaltung (vgl. BGH, Urt. v. 25.03.2015 – XII ZR 160/12 – FamRZ 2015, 993). Denn nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht für einen Ehegatten im Zweifel kein Anlass mehr, dem anderen eine weitere Vermögensmehrung zukommen zu lassen. Das bedeutet indessen noch nicht, dass damit ohne weiteres wieder eine hälftige Ausgleichsregelung zum Tragen kommt. Es ist vielmehr danach zu fragen, ob an die Stelle derjenigen Rechtsbeziehungen, die durch die Besonderheiten der ehelichen Lebensgemeinschaft geprägt waren, eine andere rechtliche oder tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse tritt, die Einfluss auf das Ausgleichsverhältnis nehmen kann (vgl. BGH, Urt. v. 25.03.2015 – XII ZR 160/12 – FamRZ 2015, 993). Ist es zu einer Unterhaltsberechnung unter Berücksichtigung der Kreditraten gekommen, kann darin eine anderweitige Bestimmung gesehen werden, die Ausgleichsansprüche nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließt (vgl. BGH, Urt. v. 09.01.2008 – XII ZR 184/05 – FamRZ 2008, 602; BGH, Urt. v. 26.09.2007 – XII ZR 90/05 – FamRZ 2007, 1975; BGH, Urt. v. 11.05.2005 – XII ZR 289/02 – FamRZ 2005, 1236). Wird kein Unterhalt geltend gemacht, muss dies gerade auf der Berücksichtigung der Tilgung durch den an sich unterhaltspflichtigen Ehegatten beruhen. Insoweit kommt es darauf an, ob solche Unterhaltsansprüche, und zwar ohne Berücksichtigung der die Leistungsfähigkeit mindernden Schuldentilgung, überhaupt bestanden hätten (vgl. BGH, Urt. v. 09.01.2008 – XII ZR 184/05 – FamRZ 2008, 602). Dies hat der vermeintlich unterhaltsberechtigte, dem Gesamtschuldnerausgleich ausgesetzte Ehegatte darzulegen und ggf. zu beweisen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Der Berater muss streng differenzieren:
Bis zum Scheitern der Ehe scheidet ein Gesamtschuldnerausgleich in aller Regel aus. Dass Scheitern ist dabei mit dem Zeitpunkt der endgültigen Trennung gleichzusetzen (Schulz, FPR 2006, 472, 473 m.w.N.). Dies gilt nicht nur – wie vom OLG Hamm ausgeführt – im Falle einer Alleinverdienerehe, sondern auch in Doppelverdienerehen (BGH, Urt. v. 12.06.2002 – XII ZR 288/00 – FamRZ 2002, 1024; Roßmann in: Handbuch Familienvermögensrecht, 2. Aufl. 2015, Kapitel 2 Rn. 59 ff. m.w.N.).
Nach der Trennung kommt ein Gesamtschuldnerausgleich dagegen regelmäßig ohne weiteres in Betracht. Regelmäßig haften die Ehegatten dann gemäß § 426 Abs. 1 BGB im Innenverhältnis hälftig. Es gibt davon aber eine Vielzahl von Ausnahmen, insbesondere die Wechselwirkungen zum Unterhalt sind zu beachten:
Sind die Schulden bei dem zahlenden, unterhaltsverpflichteten Ehegatten einkommensmindernd berücksichtigt worden, so mindert sich dadurch auch der Bedarf des Unterhaltsberechtigten. Der Unterhaltsberechtigte finanziert dann die Schuldenlast durch die Minderung seines Unterhalts mit, ein getrennter Ausgleich scheidet dann aus.
Trägt ein Ehegatte die gemeinsamen Schulden allein ab, während der andere Trennungsunterhalt (zunächst) nicht geltend macht, so kann darin eine stillschweigende Vereinbarung des Inhalts liegen, dass der die Lasten tragende Ehegatte den anderen nicht auf den Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch nimmt, während der andere im Gegenzug keinen Unterhalt geltend macht. Es ist hier gestuft zu prüfen:
• Zunächst ist zu prüfen, ob solche Unterhaltsansprüche überhaupt bestanden hätten; dabei ist die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ohne Berücksichtigung der Schuldentilgung zu bewerten;
• sodann ist nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen, ob eine stillschweigende Vereinbarung dahingehend angenommen werden kann, dass die Unterhaltsansprüche im Hinblick darauf nicht geltend gemacht werden, dass der Kläger die Darlehensschulden allein tilgt; dies wird auch von der Höhe der wechselseitigen Forderungen abhängen.
Derjenige Ehegatte, der eine vom Halbteilungsgrundsatz abweichende Verteilung verlangt, hat das Vorliegen von Umständen darzulegen und ggf. zu beweisen, die eine Abweichung rechtfertigen. Für die Zeit bis zur Trennung trägt deshalb der zahlende Ehegatte die Darlegungs- und Beweislast, wenn er Ausgleich fordert. Für die Zeit nach der Trennung trägt der nichtzahlende Ehegatte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er nicht die Hälfte schuldet.