Nachfolgend ein Beitrag vom 6.6.2017 von Götsche, jurisPR-FamR 11/2017 Anm. 4
Leitsatz
Es entspricht regelmäßig billigem Ermessen, den Wert eines gegen den geschiedenen Ehegatten geltend gemachten Anspruchs auf Nutzungsentschädigung auf den 12-fachen Betrag der geforderten monatlichen Leistung festzusetzen.
A. Problemstellung
Welcher Verfahrenswert ist für einen aus § 745 Abs. 2 BGB geltend gemachten Anspruch auf Nutzungsentschädigung festzusetzen?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beteiligten sind seit 2007 geschieden. Sie sind weiterhin gemeinsame Eigentümer des ehemaligen Familienheims, das von der Antragsgegnerin mittlerweile allein bewohnt wird.
Der Antragsteller begehrt die Zahlung einer Nutzungsentschädigung ab Mai 2015.
Das OLG Braunschweig hat den Verfahrenswert gemäß § 42 Abs. 1 FamGKG nach billigem Ermessen bestimmt.
Heranzuziehen seien dabei der Rechtsgedanke des § 51 Abs. 1 FamGKG (Kostenwert für wiederkehrende Leistungen) sowie der Rechtsgedanke des § 41 Abs. 1, 2 und 5 GKG (bestimmte Ansprüche aus Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnissen). Beide Normen knüpften an den Jahresbetrag der geltend gemachten Ansprüche an. Beiden Normen liege der auch auf § 745 Abs. 2 BGB zutreffende soziale Schutzgedanke zugrunde, ein übermäßiges Anwachsen der Verfahrenskosten zu verhindern. Hinzuzurechnen seien die bei Verfahrenseinleitung rückständigen Beträge.
C. Kontext der Entscheidung
Da das FamGKG jedenfalls keine ausdrückliche Wertvorschrift für Ansprüche gemäß § 745 Abs. 2 BGB enthält, ist § 42 Abs. 1 FamGKG anzuwenden. Das OLG Braunschweig folgt damit einer mittlerweile vordringenden Ansicht (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 02.09.2014 – 3 UF 229/13; OLG Hamm, Beschl. v. 10.07.2014 – 1 WF 104/14 – FamRB 2015, 286), die § 48 FamGKG (3.000 Euro Regelwert, so OLG Hamm, Beschl. v. 08.01.2013 – II-6 UF 96/12 – FamRZ 2013, 1421) bzw. § 48 FamGKG i.V.m. § 9 ZPO (3,5facher Jahreswert, so OLG Frankfurt, Beschl. v. 07.05.2013 – 6 UF 373/11 – FamRZ 2014, 1732) mangels des Vorliegens einer Ehewohnungssache i.S.d. § 200 FamFG für unanwendbar hält.
Für die Ansicht des OLG Braunschweig spricht, dass eine Nutzungsentschädigung für die Zeit nach der Scheidung nicht mehr auf einer speziellen familienrechtlichen Regelung (insbesondere nicht auf § 1361a BGB), sondern auf § 745 Abs. 2 BGB beruht (vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 22.02.2017 – XII ZB 137/16 – Götsche, jurisPR-FamR 11/2017 Anm. 5) und es sich daher immer um eine sonstige Familiensache gemäß § 266 FamFG, die anderen Verfahrensregeln als ein Ehewohnungsverfahren folgt, handelt. Ein Anspruch, der im Ehewohnungsverfahren nicht geltend gemacht werden kann – was § 48 FamGKG voraussetzt, kann aber nicht den Bewertungsregeln des Ehewohnungsverfahrens folgen.
D. Auswirkungen für die Praxis
Es ist stets streng zwischen der Nutzungsentschädigung vor und nach der Rechtskraft der Scheidung zu trennen. Dies betrifft nicht nur die Verfahrenswertbestimmung. Die Ansprüche müssen auch in getrennten Verfahren mit unterschiedlichen Verfahrensregeln gemäß den §§ 200 ff. FamFG einerseits (Ansprüche nach § 1361b BGB) und den §§ 266, 112, 113 FamFG andererseits (Ansprüche nach § 745 Abs. 2 BGB) geltend gemacht werden. Auch für das Verfahren auf Verteilung des Versteigerungserlöses und der Zulässigkeit der Geltendmachung von Nutzungsentschädigung als Gegenrecht ist die Einordnung von Bedeutung (vgl. BGH, Beschl. v. 22.02.2017 – XII ZB 137/16 – Götsche, jurisPR-FamR 11/2017 Anm. 5).
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Der Antragsteller hatte zudem Ansprüche aus Gesamtschuldnerausgleich geltend gemacht. Da das FamGKG auch für solche Ansprüche auf Gesamtschuldnerausgleich keine besondere Wertvorschrift enthält, hat das OLG Braunschweig auch diesen Wert ebenfalls gemäß § 42 Abs. 1 FamGKG nach billigem Ermessen auf den Jahreswert, zzgl. der angefallenen Rückstände, bestimmt.