Nachfolgend ein Beitrag vom 24.10.2017 von Viefhues, jurisPR-FamR 21/2017 Anm. 7
Orientierungssatz
Hat die Antragsgegnerin nach Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Scheidungsverfahren und Folgesachen eine Ausgleichszahlung i.H.v. 20.000 Euro erhalten, hat der Rechtspfleger zu Recht die Zahlung der Verfahrenskosten i.H.v. 7.993,95 Euro aus dem Vermögen der Antragsgegnerin angeordnet, wenn als Verbindlichkeit die Ablösung eines Darlehens i.H.v. 3.320 Euro, nicht aber diejenige für die Anschaffung eines Fahrzeugs i.H.v. 10.000 Euro beachtlich ist.
A. Problemstellung
Ist einem Beteiligten Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden, wird oft übersehen, dass später Geld, das in diesem Verfahren erlangt wird, von der Justiz in Anspruch genommen werden wird, um die Verfahrenskosten nachträglich zu decken. Das OLG Braunschweig hat sich mit einem entsprechenden Fall befasst.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Im vorliegenden Verfahren wurde der Ehefrau am 22.10.2015 für das Scheidungsverfahren sowie die Folgesachen Versorgungsausgleich und nachehelicher Unterhalt ratenlose Verfahrenskostenhilfe bewilligt. In diesem Verfahren schlossen die Beteiligten später einen Vergleich, nach dem der Ehemann an sie eine Ausgleichszahlung i.H.v. 20.000 Euro zu leisten hatte.
Von dieser Ausgleichszahlung verwendete sie 900 Euro als Anzahlung für eine Küche, 3.320 Euro auf ein am 07.05.2014 aufgenommenes Darlehen für Umzugskosten und einen weiteren Betrag von 10.000 Euro für ein am 04.01.2016 erworbenes Kraftfahrzeug.
Das Amtsgericht hatte die Zahlung der auf die Ehefrau entfallenden Verfahrenskosten i.H.v. 7.993,95 Euro aus ihrem Vermögen angeordnet.
Die sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg.
Gemäß § 120a ZPO soll das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben. Dies sei der Fall, so das OLG Braunschweig, da die Ehefrau im Mai 2016 den im Vergleich vereinbarten Ausgleichsbetrag von 20.000 Euro erhalten habe. Dass das Vermögen teilweise nicht mehr vorhanden sei, sei nur beachtlich, soweit bereits zur Zeit der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe Verbindlichkeiten bestanden, die beglichen werden mussten. Nach der Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe eingegangene Schulden haben nur dann Vorrang, wenn die Schulden zur Bestreitung eines vorrangigen Lebensbedarfs aufgenommen werden mussten; anderenfalls müsse sich der Beteiligte so behandeln lassen, als hätte er nachträglich erworbenes Vermögen rechtsmissbräuchlich verschleudert. Danach sei lediglich die Ablösung des am 07.05.2014 für Umzugskosten aufgenommenen Darlehens i.H.v. 3.320 Euro zu berücksichtigen.
Nicht beachtlich sei auch die Anschaffung eines Fahrzeuges am 15.01.2016. Dem stehe nicht entgegen, dass das erworbene Fahrzeug, wäre es zur Zeit der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe bereits vorhanden gewesen, möglicherweise als Schonvermögen gemäß § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII geschützt gewesen wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 18.07.2007 – XII ZA 11/07 Rn. 16 f. – FamRZ 2007, 1720 für nachträglich angeschafftes Wohneigentum). Die Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe will der armen Partei im Rahmen der Voraussetzungen nach § 114 ZPO einen Rechtsstreit ermöglichen, ihr aber nicht die durch Urteil oder Vergleich erstrittene Zahlung ungeschmälert belassen. Denn damit würde sie letztlich besser stehen als eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe bekommen habe und insoweit als finanziellen Erfolg des Rechtsstreits ebenfalls nur den Reingewinn, also das erzielte Vermögen abzüglich der dafür aufgewendeten Kosten, für sich verbuchen könne.
Zudem hätte sie ein preiswerteres Fahrzeug erwerben können und den für die Begleichung der Verfahrenskosten erforderlichen Betrag zurückhalten können. Unter Berücksichtigung des Schonbetrages für Barvermögen gemäß § 115 Abs. 3 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII – gemäß 1 Abs. 1 Ziffer 1b der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII für die Antragsgegnerin und die beiden von ihr betreuten Kinder ein Betrag von 3.112 Euro (2.600 Euro + 256 Euro + 256 Euro) – und des Darlehens i.H.v. 3.320 Euro verblieb der Antragsgegnerin ein Betrag 13.568 Euro, aus dem sie die Verfahrenskosten von 7.993,95 Euro ohne weiteres tragen konnte. Nach Abzug dieses Betrages verblieb ihr ein Betrag i.H.v. 5.574,41 Euro, der ihr auch zur Anschaffung eines gebrauchten Kleinwagens zur Verfügung gestanden hätte. Ob der Antragsgegnerin die Höhe der Verfahrenskosten positiv bekannt gewesen sei, sei unerheblich, da sie den Betrag durch eine Nachfrage beim Gericht oder bei ihrer Verfahrensbevollmächtigten jederzeit hätte in Erfahrung bringen können.
C. Kontext der Entscheidung
Ebenso wie das OLG Braunschweig hat das KG Berlin entschieden (KG Berlin, Beschl. v. 09.09.2016 – 13 WF 139/16 – FamRZ 2017, 315 = FuR 2017, 91): Auch der aufgrund eines Scheidungsfolgenvergleichs zum Ausgleich des Zugewinns gezahlte Betrag ist Vermögen, das zur Deckung der im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe zu tragenden Kosten einzusetzen ist und eine Nachzahlungsanordnung rechtfertigt.
Klargestellt wurde, dass es im Bereich des Vermögenseinsatzes im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe keine „Vermögensreservate“ zulasten der Staatskasse gibt: Der bedürftige Beteiligte hat jegliches verwertbare Vermögen oberhalb des „Schonbetrages“ für die Verfahrensfinanzierung einzusetzen. Eine Ausnahme ist lediglich dann geboten, wenn es sich um zweckgebundenes Vermögen handelt wie beispielsweise bei einem selbstständig, nicht rentenversicherungspflichtig Erwerbstätigen eine Lebensversicherung, die an die Stelle der gesetzlichen Rentenversicherung tritt; soweit es sich um eine staatlich geförderte Altersvorsorge handelt („Riester-Rente“; § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII) oder wenn der Bedürftige aus anderen Gründen über keine bzw. keine angemessene Altersvorsorge verfügt (§ 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII; entschieden KG Berlin, Beschl. v. 09.09.2016 – 13 WF 139/16).
D. Auswirkungen für die Praxis
Auch wer Verfahrenskostenhilfe ohne Raten bewilligt bekommen hat, sollte sich daher davor hüten, unnötige Kosten auszulösen z.B. durch teure, aber letztlich unwirtschaftliche Beweisaufnahmen, denn was er im Verfahren erstreitet, kann – wie die vorgenannten Entscheidungen zeigen – durchaus dazu herangezogen werden, die Verfahrenskosten zu decken.
Zu beachten ist, dass seit dem 01.04.2017 eine neue Schonvermögensgrenze von 5.000 Euro (statt bisher 2.600 Euro) für Sozialhilfeempfänger gilt; die Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII wurde entsprechend geändert.
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