Nachfolgend ein Beitrag vom 6.11.2018 von Viefhues, jurisPR-FamR 22/2018 Anm. 4
Orientierungssatz
Nach § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann das Gericht die Erklärung und die Belege aus dem Verfahrenskostenhilfe-Verfahren dem Gegner im Verfahren in der Regel nur mit Zustimmung des Betroffenen zugänglich machen. Eine Ausnahme gilt dann, wenn gegen den Verfahrenskostenhilfe-Berechtigten ein Anspruch auf Auskunft über dessen Einkünfte und Vermögen gegeben ist. Derartige materiell-rechtliche Auskunftsansprüche der Ehegatten als Beteiligte gegeneinander bestehen regelmäßig aus §§ 1361, 1605 BGB.
A. Problemstellung
In Familiensachen besteht immer wieder Unsicherheit, unter welchen Voraussetzungen in Verfahrenskostenhilfe-Verfahren dem Gegner Einsicht in die Erklärung über die persönlichen Verhältnisse und die dazugehörigen Unterlagen des Antragsgegners gewährt werden kann.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Das OLG Frankfurt stellt – bezugnehmend auf die Rechtsprechung des BGH – klar, dass zwischen der Einsicht vor Abschluss des Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahrens und solchen nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu unterscheiden ist.
Da in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall noch keine Entscheidung zur Verfahrenskostenhilfe getroffen worden sei, sei das Familiengericht berechtigt gewesen, nach seinem Ermessen das Verfahrenskostenhilfe-Heft mit den Unterlagen des Antragsgegners zur Einsicht an den Anwalt der Antragstellerin zu übersenden. Denn die weiteren Voraussetzungen des § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO lägen vor. Denn es reiche aus, dass zwischen den Beteiligten des Verfahrens Auskunftsansprüche nach BGB bestehen. In familienrechtlichen Verfahren sei dies regelmäßig im Hinblick auf die Auskunftsansprüche zu Unterhalt und zum Zugewinn der Fall.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des OLG Frankfurt folgt der absolut h.M. Die Übermittlung der Unterlagen steht im Ermessen des Gerichts; hierauf besteht kein Anspruch des Verfahrensgegners (OLG Schleswig, Beschl. v. 09.06.2016 – 10 VA 3/16 – FamRZ 2016, 2022 = NZFAM 2016, 904, OLG Bremen, Beschl. v. 12.10.2011 – 5 WF 100/11 – FamRZ 2012, 649 = FuR 2012, 195). Dem Gegner steht auch kein Beschwerderecht gegen die Ablehnung der Einsicht zu (OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.10.2014 – 9 WF 1163/14 – FuR 2015, 300; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.03.2014 – 5 WF 36/14 – FuR 2015, 244; OLG Bremen, Beschl. v. 12.10.2011 – 5 WF 100/11 – FamRZ 2012, 649).
Voraussetzung ist lediglich, dass der Antragsgegner gegen den Antragsteller einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Auskunft über die Einkünfte und das Vermögen des Antragstellers hat, der regelmäßig nach den §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1580, 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB gegeben ist. Nach dem Gesetzeswortlaut genügt also die Existenz des Auskunftsanspruchs nach den Vorschriften des BGB. Dieser Anspruch muss nicht konkret fällig sein (OLG Bremen, Beschl. v. 12.10.2011 – 5 WF 100/11 – FamRZ 2012, 649 = FuR 2012, 195), so dass weder ein Auskunftsverlangen des Auskunftsberechtigten (§ 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder gar die gerichtliche Durchsetzung erforderlich ist (OLG Koblenz, Beschl. v. 04.11.2010 – 7 WF 872/10 – FamRZ 2011, 389) noch die Zweijahresfrist des § 1605 Abs. 2 BGB zu beachten ist (OLG Bremen, Beschl. v. 12.10.2011 – 5 WF 100/11 – FamRZ 2012, 649 = FuR 2012, 195 m.w.N.).
Konsequenz ist, dass in aller Regel in familienrechtlichen Verfahren § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO zur Anwendung kommen kann. Lediglich dann, wenn aufgrund einer abschließenden Regelung zwischen den Ehegatten weder Auskunftsanspruch aus Unterhalt noch aus Zugewinn mehr besteht, ist die Weitergabe der Einkommensunterlagen nach § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO ausnahmsweise nicht zulässig (OLG Naumburg , Beschl. v. 20.09.2013 – 8 WF 140/13 (VKH) – FuR 2014, 432; dazu Viefhues, jurisPR-FamR 11/2014 Anm. 5).
Zum Verfahren schreibt das Gesetz lediglich vor, dass dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und er über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten ist. Dennoch bejahen verschiedene Oberlandesgerichte die Zulässigkeit einer Beschwerde, die aber in aller Regel unbegründet ist und daher – wie hier – kostenpflichtig zurückgewiesen wird.
D. Auswirkungen für die Praxis
Bei der Entscheidung über die Weitergabe der Unterlagen handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des Gerichts, die keines Antrags bedarf. Der beratende Anwalt sollte seinen Mandanten von Anfang an über diese Möglichkeit des Gerichts aufklären. Es ist mehr als peinlich, wenn nach einer Information des Gerichtes über die beabsichtigte Weitergabe ein berichtigtes Formular eingereicht werden muss oder sich gar später aufgrund einer Intervention des Gegners Unrichtigkeiten ergeben.
Auch sollte in Unterhaltsverfahren verstärkt darauf geachtet werden, dass sich keine Abweichungen zwischen den Angaben zur VKH und den Ausführungen zum Unterhaltsanspruch ergeben.
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