Nachfolgend ein Beitrag vom 16.2.2016 von Götsche, jurisPR-FamR 4/2016 Anm. 5

Leitsatz

Haben die beteiligten Ehegatten nach Verkündung des Scheidungsverbundbeschlusses mit ordnungsgemäß protokollierter Erklärung auf Rechtsmittel verzichtet, so kann die im Beschluss getroffene Entscheidung zum Versorgungsausgleich nicht mehr angefochten werden.

A. Problemstellung

Oftmals erklärt ein Beteiligter nach Erlass des Scheidungsverbundbeschlusses einen Rechtsmittelverzicht. Werden dann nachfolgend Fehler eines Teils der Verbundentscheidung, insbesondere bei dem Versorgungsausgleich festgestellt, fragt es sich, wie weit der Rechtsmittelverzicht reicht bzw. ob dieser möglicherweise unwirksam oder anfechtbar ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Antragsteller hat im Fragebogen zum Versorgungsausgleich wahrheitsgemäß angegeben, über eine von seinem Arbeitgeber zugesagte betriebliche Altersversorgung zu verfügen. Bei der mündlichen Verhandlung im Scheidungsverfahren lag eine Auskunft des Arbeitgebers nicht vor. Einwendungen gegen die übrigen, vorab übersandten Berechnungen des Gerichts einschließlich der bis dahin eingegangenen Auskünfte erhoben die Beteiligten nicht. Daraufhin hat das Amtsgericht die Ehe der Beteiligten geschieden und zugleich den Versorgungsausgleich (ohne Berücksichtigung der betrieblichen Anrechte) geregelt. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung nach Verkündung der Entscheidung zu Protokoll des Familiengerichts auf Rechtsmittel verzichtet. Erst nach Verkündung der angefochtenen Entscheidung ging die Auskunft des Arbeitgebers über die betrieblichen Anrechte des Antragstellers ein. Die Antragsgegnerin hat daraufhin Beschwerde gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich eingelegt.
Das OLG Zweibrücken hat die Beschwerde als unzulässig wegen des wirksam erklärten Rechtsmittelverzichts verworfen.
Der ordnungsgemäß protokollierte Verzicht lasse eine Auslegung als auf die Ehesache beschränkten Verzicht nicht zu. Da der Antragsteller seine vorhandene betriebliche Versorgung angegeben hat und die Beteiligten trotz Nichtvorliegens der Auskünfte keine Einwendungen erhoben haben, sei der Rechtsmittelverzicht nicht nach Maßgabe des § 123 Abs. 1 BGB anfechtbar.

C. Kontext der Entscheidung

Die Beschwerde ist unzulässig, wenn der Beschwerdeführer hierauf nach Bekanntgabe des Beschlusses durch Erklärung gegenüber dem Gericht verzichtet hat, § 67 Abs. 1 FamFG. Neben den formellen Anforderungen der §§ 113 Abs. 1 FamFG, 160 Abs. 3 Nr. 9, 162 Abs. 1 ZPO setzt die Wirksamkeit eines Rechtsmittelverzichtes nach allgemeiner Auffassung (vgl. etwa Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 67 Rn. 9) voraus, dass der Inhalt der Entscheidung und der Umfang der Beschwer bereits feststellbar ist. Dies ist jedenfalls der Fall, wenn das Gericht den Tenor verkündet und sodann der Verzicht erklärt hat. Es genügt aber auch, wenn der Tenor von den Beteiligten bzw. deren Verfahrensbevollmächtigten vor Erklärung des Rechtsmittelverzichts hätte zur Kenntnis genommen werden können (OLG Naumburg, Beschl. v. 01.09.2014 – 8 UF 110/14 – FamRZ 2015, 774; OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.07.2013 – 3 UF 52/13). Erhält ein in dieser Weise erklärter Rechtsmittelverzicht gegen die Verbundentscheidung keine weiteren Einschränkungen, so wird im Zweifel davon auszugehen sein, dass dieser umfassend – also für alle Teile der Verbundentscheidung – erklärt ist (OLG Hamm, Beschl. v. 27.10.2014 – 5 UF 125/14 – FamRZ 2015, 773; OLG Naumburg, Beschl. v. 01.09.2014 – 8 UF 110/14 – FamRZ 2015, 774; OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.07.2013 – 3 UF 52/13). Eine Anfechtbarkeit dieser Verfahrenshandlung scheidet dann in aller Regel aus. Allenfalls im Falle einer bewussten arglistigen Täuschung mag dies in Betracht zu ziehen sein. Hatte der benachteiligte Ehegatte allerdings bereits Kenntnis von einem übergangenen Anrecht erlangt oder hätte er diese erlangen können, scheidet auch dies aus.
Wird über den Versorgungsausgleich entschieden, ist damit grundsätzlich der Ausgleich aller dem Versorgungsausgleich unterfallender Anrechte geregelt. Denn der Versorgungsausgleich ist auf den Ausgleich sämtlicher ausgleichsreifer Anrechte der Ehegatten gerichtet, die einen einheitlichen Verfahrensgegenstand bilden (BGH, Beschl. v. 25.06.2014 – XII ZB 410/12 – FamRZ 2014, 1614 – Götsche, jurisPR-FamR 4/2015 Anm. 2). Sofern eine bewusste Teilentscheidung nicht vorliegt, steht einem späteren Ausgleich eines fehlerhaft nicht ausgeglichenen Anrechts in einem neuen Verfahren nach den §§ 9 ff. VersAusglG die Rechtskraft der Ausgangsentscheidung entgegen (BGH, Beschl. v. 25.06.2014 – XII ZB 410/12). Eine bewusste Teilentscheidung über den Versorgungsausgleich liegt nur vor, wenn in der Entscheidung oder in den Begleitumständen zum Ausdruck kommt, dass das Gericht nur über einen Teil des Verfahrensgegenstandes vorab entscheiden und die Entscheidung über konkret bezeichnete Anrechte später treffen wolle (BGH, Beschl. v. 25.06.2014 – XII ZB 410/12).

D. Auswirkungen für die Praxis

Will ein Beteiligter im Falle eines Scheidungsbeschlusses, der auch Folgesachen zum Gegenstand hat, eine Begrenzung eines Rechtsmittelverzichts auf den Scheidungsausspruch herbeiführen, so muss dies ausdrücklich erklärt werden. Anderenfalls ist der erklärte Verzicht umfassend und eine Anfechtung einzelner Teile ausgeschlossen. Selbst wenn die Beteiligten, ihre Anwälte und sogar der handelnde Richter eine Beschränkung des Rechtsmittels im Hinblick auf den Scheidungsausspruch gewollt haben sollten, so ist dies rechtlich ohne Belang, da es nicht auf den inneren Willen der Handelnden, sondern auf den objektive Erklärungsinhalt ankommt (OLG Hamm, Beschl. v. 27.10.2014 – 5 UF 125/14 – FamRZ 2015, 773).