Nachfolgend ein Beitrag vom 26.4.2016 von Viefhues, jurisPR-FamR 9/2016 Anm. 7

Leitsatz

Für die Sperrfrist für eine erneute Auskunft nach § 1605 Abs. 2 BGB ist bei gerichtlichen Beschlüssen auf den Schluss der mündlichen Verhandlung bzw. auf den entsprechenden Zeitpunkt bei schriftlichem Verfahren abzustellen.

A. Problemstellung

Ist bei Streit über Unterhalt Auskunft erteilt worden, so kann nach § 1605 Abs. 2 BGB vor Ablauf von zwei Jahren nur dann erneut Auskunft verlangt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Auskunftspflichtige später wesentlich höhere Einkünfte oder weiteres Vermögen erworben hat. Da der Zeitpunkt der Auskunfterteilung und der gerichtlichen Festsetzung des Unterhaltes regelmäßig deutlich auseinanderfallen, ist für die Praxis bedeutsam, auf welchen der beiden Zeitpunkte für den Beginn dieser Frist abzustellen ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Nach Streit über die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners fand am 28.04.2014 eine mündliche Verhandlung statt, in der dieser zusätzliche Angaben machte und weitere Unterlagen vorlegte. Nach einer gerichtlichen Auflage legte er mit Schriftsatz vom 30.04.2014 die Lohnabrechnungen für Januar bis Dezember 2013 vor. Daraufhin berechneten die Antragsteller unter dem 05.05.2014 den Unterhalt noch einmal neu. Mit Beschluss vom 06.05.2014 ordnete das Familiengericht das schriftliche Verfahren an und bestimmte zum Zeitpunkt der letzten Einreichung von Schriftsätzen den 03.06.2014. Durch Beschluss vom 24.06.2014 verpflichtete das Familiengericht den Antragsgegner zu Unterhaltszahlungen.
Mit Anwaltsschreiben vom 22.08.2014 wurde der Antragsgegner erneut zur Auskunftserteilung aufgefordert. Unter dem 24.11.2014 machten die Antragsteller einen Abänderungsantrag in Form eines Stufenantrages geltend.
Mit dem angefochtenen Teilbeschluss hatte das Familiengericht die Anträge der Antragsteller auf Auskunftserteilung und Belegvorlage zurückgewiesen unter Hinweis auf die noch nicht verstrichene Zweijahresfrist gemäß § 1605 Abs. 2 BGB.
Das OLG Karlsruhe hat die Verfahrenskostenhilfe für das beabsichtigte Beschwerdeverfahren mangels Aussicht auf Erfolg verweigert.
Aus der Formulierung im Gesetzestext des § 1605 Abs. 2 BGB „Auskunft erneut“ werde teilweise abgeleitet, dass in jedem Fall zeitlich an die frühere Auskunft anzuknüpfen sei. Auf dieser Grundlage werde dann entweder angenommen, es komme auf den Zeitpunkt der Erteilung der Auskunft an. oder es werde angenommen, die Frist beginne bereits mit Ablauf des Zeitraums, über den Auskunft erteilt worden sei, da es für die Fristbemessung auf die mögliche Änderung der Verhältnisse ankomme.
Diese Ansichten seien abzulehnen. Vielmehr sei bei gerichtlichen Beschlüssen auf den Schluss der mündlichen Verhandlung bzw. auf den entsprechenden Zeitpunkt bei schriftlichem Verfahren abzustellen. Der in § 1605 BGB normierte Auskunftsanspruch sei nur ein Hilfsanspruch zum damit verbundenen Zahlungsanspruch. Dieser Anspruch werde durch eine gerichtliche Entscheidung nach der Vorschrift des § 238 FamFG bis zum Eintritt wesentlich veränderter Umstände stabilisiert. Ein Auskunftsverlangen könne in einem solchen Fall nur der Vorbereitung eines Abänderungsantrages dienen. Der Hauptanspruch auf Abänderung des Zahlungsbetrages sei nach § 238 FamFG nur bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse zulässig; der Hilfsanspruch auf Auskunft sei demgegenüber zunächst voraussetzungslos, allerdings regelmäßig erst nach Ablauf von zwei Jahren zulässig. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sei dies nach aller Erfahrung ein Zeitraum, in dem sich Löhne und Gehälter einerseits und Kosten der Lebenshaltung andererseits nicht in einem Maße veränderten, dass dies zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse i.S.v. § 238 FamFG führen würde. Auch im Hinblick auf den Auskunftsanspruch solle das prinzipiell unstabile Unterhaltsrechtsverhältnis (häufig ändern sich Einkommensverhältnisse in jedem Monat) dadurch für eine gewisse Zeit stabilisiert werden.
Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Stabilisierung des Unterhaltsrechtsverhältnisses könne aber nur erreicht werden, wenn an den eindeutig bestimmbaren Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung und nicht an die Auskunftserteilung angeknüpft werde. Es widerspreche der gesetzgeberischen Intention einer zeitweisen Stabilisierung des Unterhaltsrechtsverhältnisses, wenn im Folgeverfahren zunächst umfänglich geprüft werden müsste, ob, wann und für welchen Zeitraum die im Vorverfahren erfolgten Erklärungen des Unterhaltsschuldners als Auskunft zu werten seien. Noch deutlicher werde dies, wenn in einem vorangegangenen Verfahren überhaupt keine Auskunft erteilt worden sei. Dann könnte die Rechtskraft des Unterhaltstitels unmittelbar in Frage gestellt werden.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe steht im Einklang mit der überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07.06.1991 – 2 A WF 52/91 Rn. 11 f. m.w.N.; OLG München, Beschl. v. 16.10.2009 – 2 WF 1575/09 Rn. 13; OLG Düsseldorf, Urt. v. 04.07.2005 – II-2 UF 249/04 Rn. 10; OLG Hamburg, Beschl. v. 24.09.1984 – 12 WF 123/84 U; Brudermüller in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1605 Rn. 11; Viefhues in: jurisPK-BGB, 2014, § 1605 Rn. 115; Born: MünchKommBGB, 6. Aufl. 2012, § 1605 Rn. 10; Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 1 Rn. 1172) und ist auch aus praktischer Sicht besser handhabbar, weil damit auf klar definierte und eindeutig feststellbare zeitliche Anknüpfungspunkte abgestellt wird.

D. Auswirkungen für die Praxis

Ist bereits ein Zahlungsantrag bei Gericht anhängig, kann dort unabhängig von den Voraussetzungen und der Frist des § 1605 Abs. 2 BGB eine Auskunftsauflage des Gerichts an beide Verfahrensbeteiligte nach § 235 FamFG und an Dritte unter den Voraussetzungen des § 236 FamFG ergehen. Die Auskunftsauflage nach § 235 Abs. 1 FamFG und § 236 Abs. 1 FamFG ergeht von Amts wegen und steht im Ermessen des Gerichts. Unter den besonderen Voraussetzungen des § 235 Abs. 2 FamFG kann auch ein Beteiligter beantragen, eine solche Auflage zu erlassen.
Von der – nur auf eine entsprechende Aufforderung – zu erteilenden Auskunft ist die unaufgeforderte Mitteilung zu unterscheiden. Im Rahmen laufender Unterhaltsverfahren gilt für alle Beteiligten die prozessuale Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO). Ein Beteiligter, der einen Unterhaltsanspruch geltend macht, hat die zur Begründung des Anspruchs dienenden tatsächlichen Umstände wahrheitsgemäß anzugeben und darf nichts verschweigen, was die Unterhaltsbedürftigkeit in Frage stellen könnte. Ändern sich während des gerichtlichen Verfahrens die maßgeblichen Verhältnisse, müssen Umstände, die sich auf den geltend gemachten Anspruch auswirken können, auch ungefragt angezeigt werden.
Außerhalb eines laufenden gerichtlichen Verfahrens wird eine Mitteilungspflicht lediglich nach einem geschlossenem Vergleich bejaht, nicht aber nach einer gerichtlichen Entscheidung (ausführlich Bömelburg, FF 2012, 240).

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Das OLG Karlsruhe hat noch weiter darauf hingewiesen, dass beim Verfahrenskostenhilfeantrag auch noch Mutwillen angenommen werden könnte, da keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners in einem Maße verändert hätten, das zu einer Abänderung berechtigen würde.