Nachfolgend ein Beitrag vom 7.11.2017 von Viefhues, jurisPR-FamR 22/2017 Anm. 4

Orientierungssatz zur Anmerkung

Ein aufgrund der Eheschließung abgebrochenes Studium allein rechtfertigt noch nicht die Annahme ehebedingter Nachteile. Dies gilt insbesondere bei Vorliegen einer späteren Erkrankung und der Unsicherheit, ob das Studium hätte erfolgreich abgeschlossen werden können.
Eine in einer Hausfrauenehe gelebte Rollenverteilung führt zu einem hohen Maß an wirtschaftlicher Verflechtung der Beteiligten, die im Rahmen der Billigkeitsüberlegungen zu berücksichtigen ist.
Von Bedeutung ist aber auch die langjährige, die Ehezeit deutlich überschreitende Zahlung von nicht unerheblichem Unterhalt.

A. Problemstellung

Bei der Entscheidung des OLG Hamm geht es um die Befristung des Unterhaltsanspruchs einer geschiedenen Frau nach einer langjährigen Hausfrauenehe.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Eheleute haben von 1973 bis 1990 zusammengelebt und wurden 1992 geschieden. Aus der Ehe sind drei Kinder (geboren 1973, 1975 und 1989) hervorgegangen. Die Ehefrau hatte nach der Eheschließung ihr Studium abgebrochen und war seitdem nicht mehr erwerbstätig. Sie wird im Dezember 2019 in Rente gehen.
Während das Familiengericht den Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau bis Dezember 2019 befristet hatte, hat das OLG Hamm die Befristung weiter verkürzt bis zum 31.12.2016 befristet.
Das OLG Hamm hat ehebedingte Nachteile der Ehefrau verneint.
Aufgrund ihrer sekundären Darlegungslast muss die Berechtigte konkret ihre beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten sowie und ihre entsprechende Bereitschaft und Eignung darlegen, und zwar so konkret, dass die Entwicklungsmöglichkeiten und persönlichen Fähigkeiten vom Gericht auf Plausibilität überprüft werden können und der Widerlegung durch den Pflichtigen zugänglich sind (BGH, Urt. v. 26.10.2011 – XII ZR 162/09 – FamRZ 2012, 93; BGH, Urt. v. 11.07.2012 – XII ZR 72/10 – FamRZ 2012, 1483).
Sie habe nicht substantiiert vorgetragen, dass sie ohne die Ehe ihr Lehramtsstudium erfolgreich beendet hätte und als Lehrerin für ihren Lebensunterhalt hätte alleine sorgen können. Offen bleibe, wann sie das Studium nach ihrem Plan hätte beenden wollen und welche Stellen ihr wann nach Studienabschluss offengestanden hätten. Nach ihrem eigenen Vortrag sei es ihr seit 1980 gesundheitlich schlecht gegangen, so dass gerade nicht festgestellt werden könne, dass sie ihr Studium hätte beenden und eine Stelle hätte finden können.
Es könne auch nicht festgestellt werden, dass sie eine Erwerbunfähigkeitsrente ohne die Ehe beziehen könnte, da sie nicht vorgetragen habe, dass sie in der Lage gewesen wäre, während der erforderlichen Beitragsmonate berufstätig zu sein.
Bei der dann vorzunehmenden umfassenden Billigkeitsabwägung seien die Dauer der Pflege oder Erziehung gemeinschaftlicher Kinder, die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie der Dauer der Ehe zu würdigen und hiernach der Umfang einer geschuldeten nachehelichen Solidarität zu bemessen. Für die Unbilligkeit der fortwährenden Unterhaltszahlung seien ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien sowie Umfang und Dauer der vom Unterhaltspflichtigen bis zur Scheidung erbrachten Trennungsunterhaltsleistungen von Bedeutung (BGH, Urt. v. 30.06.2010 – XII ZR 9/09 – FamRZ 2010, 1414).
Eine Ehezeit von ca. 18 1/2 Jahren und eine nicht besonders lange Trennungszeit sowie die gelebte eheliche Rollenverteilung, die zu einem hohem Maß an wirtschaftlicher Verflechtung der Beteiligten führte, seien zu würdigen.
Berechtigten belaste die Unterhaltsverpflichtung von rund 660 Euro bei einem Einkommen von ca. 2.650 Euro nicht besonders.
Die Berechtigte durfte sich auf die titulierten Unterhaltszahlungen einrichten, denn es habe keine Versuche des Unterhaltspflichtigen gegeben, die Unterhaltspflicht zu reduzieren. Sie sei auch auf die Unterhaltszahlungen dringend angewiesen. Jedoch stehe einer Befristung nicht zwingend entgegen, wenn der Unterhaltsberechtigte durch den Wegfall des Unterhalts sozialleistungsbedürftig werde.
Das OLG Hamm hat eine Übergangsfrist von etwas über einem Jahr ab Eingang der Antragsschrift zugestanden und eine unbefristete Unterhaltszahlungsverpflichtung abgelehnt.

C. Kontext der Entscheidung

Es ist in erster Linie zu prüfen, ob ehebedingte Nachteile im Hinblick darauf eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt selbst sorgen zu können und die einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigen (BGH, Urt. v. 28.02.2007 – XII ZR 37/05 – FamRZ 2007, 793; BGH, Urt. v. 12.04.2006 – XII ZR 240/03 – FamRZ 2006, 1006; BGH, Urt. v. 25.10.2006 – XII ZR 190/03 – FamRZ 2007, 200). Ehebedingt ist ein Nachteil nur dann, wenn er auf den Lebenszuschnitt der Ehegatten zwischen Heirat und Zustellung des Scheidungsantrages zurückzuführen ist. Maßgeblich ist die tatsächliche Rollenverteilung und die praktizierte Aufgabenverteilung in der geschiedenen Ehe (BGH, Urt. v. 07.07.2010 – XII ZR 157/08 – FamRZ 2011, 188; BGH, Urt. v. 30.06.2010 – XII ZR 9/09 – FamRZ 2010, 1414). Hierzu ist die tatsächliche Situation der geschiedenen Ehefrau mit ihrer Situation als „fiktive kinderlose Ledige“ zu vergleichen. Sachvortrag zu diesem „fiktiven Leben“ ist unverzichtbar. Rückschlüsse auf den tatsächlichen beruflichen Lebensweg vor und nach der Heirat lässt der Versicherungsverlauf aus dem Versorgungsausgleich zu.
Darüber hinaus ist eine Billigkeitsabwägung für den Umfang der nachehelichen Solidarität vorzunehmen (ausführlich Viefhues, FuR 2011, 505 (Teil 1) und FuR 2011, 551 (Teil 2)). Letztlich geht es um eine Abwägung der beiderseitigen Zumutbarkeit einer fortdauernden, unbefristeten Unterhaltsverpflichtung.
In die Billigkeitsabwägung einfließen können aber auch besondere “Lebensleistungen” beider Ehegatten (BGH, Beschl. v. 26.02.2014 – XII ZB 235/12 – NJW 2014, 1302 = FamRZ 2014, 823) während der Zeit des Zusammenlebens, aber auch ehebedingte Nachteile des Unterhaltspflichtigen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.01.2014 – II-8 UF 180/13 – FamRZ 2014, 1466; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.06.2012 – II-8 UF 19/12 – NJW 2012, 3382 mit Anm. Born) und die Dauer der bisherigen Unterhaltszahlungen (KG, Beschl. v. 13.09.2013 – 13 UF 94/13 – FamRZ 2014, 776; OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.04.2009 – II-8 UF 203/08, 8 UF 203/08 – FuR 2009, 418; OLG Frankfurt, Urt. v. 21.07.2010 – 2 UF 63/10).

D. Auswirkungen für die Praxis

Bei gerichtlichen Verfahren über nachehelichen Unterhalt hat in der Praxis die Frage der Befristung gemäß §1578b BGB eine sehr große Bedeutung und stellt hohe Anforderungen an den anwaltlichen Sachvortrag; andernfalls droht Anwaltsregress.
Die verfahrensrechtliche Brisanz des § 1578b Abs. 2 BGB liegt darin, dass die Frage einer Befristung regelmäßig bereits im ersten gerichtlichen Unterhaltsverfahren entschieden werden muss (BGH, Urt. v. 09.06.2004 – XII ZR 308/01 – FamRZ 2004, 1357, 1360; BGH, Urt. v. 05.07.2000 – XII ZR 104/98 – FamRZ 2001, 905).
Denn die Begrenzung setzt nicht voraus, dass der Zeitpunkt bereits erreicht sein muss, ab dem der Unterhaltsanspruch entfällt. Soweit die dafür maßgeblichen Umstände bereits eingetreten oder zuverlässig vorhersehbar sind, ist die Entscheidung bereits im Ausgangsverfahren zu treffen und kann dann nicht einem späteren Abänderungsverfahren vorbehalten bleiben (Dose, FamRZ 2007, 1289, 1295 m.w.N.). Bei festgestellten ehebedingten Nachteilen muss daher eine Prognose erstellt werden, ob dieser Nachteil wegfallen wird und ob dies zu einem späteren Zeitpunkt sicher vorhergesagt werden kann.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Das Familiengericht hat eine Verwirkung nach 1579 Nr. 6 BGB wegen des Vorwurfes, die Berechtigte habe außerordentlich hartnäckig den Umgang mit dem jüngsten Kind verhindert, verneint. Dies ist vom OLG Hamm bestätigt worden.

Keine ehebedingten Nachteile trotz Studienabbruch nach Heirat
Denise HübenthalRechtsanwältin
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