Nachfolgend ein Beitrag vom 14.3.2017 von Adamus, jurisPR-FamR 5/2017 Anm. 4

Leitsätze

1. § 1598a BGB eröffnet innerhalb der rechtlichen Familie die Klärung der genetischen Abstammung; er gewährt dagegen keinen Anspruch auf eine förmliche, rechtsfolgenlose Feststellung der biologischen Vaterschaft.
2. § 1598a BGB kann nicht verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass er einen Anspruch auf Klärung der genetischen Abstammung außerhalb der rechtlichen Familie eröffnet (BVerfG, Urt. v. 19.04.2016 – 1 BvR 3309/13 – FamRZ 2016, 877).
3. Ebenso wenig kann er dahin ausgelegt werden, dass er einen Anspruch auf förmliche, rechtsfolgenlose Feststellung der biologischen Vaterschaft gewährt. Dies verbieten bereits die rechtlichen Voraussetzungen eines Feststellungsantrags. Zudem besteht ausweislich der aus den Gesetzgebungsmaterialien ersichtlichen legislativen Erwägungen insoweit ausdrücklich keine planwidrige Regelungslücke.

A. Problemstellung

Besteht neben dem Anspruch auf Duldung in eine genetische Untersuchung auch ein Anspruch auf rechtsfolgenlose Feststellung der biologischen Vaterschaft?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der 1961 geborene Antragsteller ging aus der Ehe seiner Mutter mit dem verstorbenen B hervor. Die Schwester von B war mit A verheiratet. Aus dieser Ehe ist ein Sohn hervorgegangen, der Antragsgegner. Nach dem Tod von B wurde der Antragsteller von seiner Mutter und A darüber informiert, dass A sein leiblicher Vater sei. Nachdem auch A im Jahr 2015 verstarb, erreichte der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung, dass der Antragsgegner die Entnahme einer Gewebeprobe von A zu dulden hatte. Das vom Antragsteller privat in Auftrag gegebene Abstammungsgutachten vom 06.02.2015 ergab eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,9999%. Der Antragsteller begehrte zunächst die Feststellung, dass B nicht sein Vater sei, andererseits die Feststellung, dass A sein Vater sei. Mit rechtskräftigem Beschluss wurde die Anfechtung der Vaterschaft zurückgewiesen, weil die gesetzliche Anfechtungsfrist gemäß § 1600b Abs. 1 und Abs. 3 BGB abgelaufen war. Nunmehr begehrte der Antragsteller die förmliche Feststellung der biologischen Vaterschaft des verstorbenen A. Mit Endbeschluss hatte das Amtsgericht den weiteren Antrag des Antragstellers auf Feststellung der biologischen Vaterschaft des A zurückgewiesen.
Das OLG Frankfurt hat die zulässige Beschwerde zurückgewiesen.
§ 1598a BGB biete keine Grundlage für das Begehren des Antragstellers. Die Vorschrift setze voraus, dass sich das Begehren gegen den rechtlichen Vater richte. Dies sei nicht der A, sondern der rechtliche Vater B.
Zudem gewähre § 1598a BGB lediglich einen Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und die Duldung der Entnahme einer für diese Untersuchung geeigneten genetischen Probe (BT-Drs. 16/6561, S. 12; BVerfG, Urt. v. 19.04.2016 – 1 BvR 3309/13 Rn. 28 – FamRZ 2016, 877). Dieses Ziel habe der Antragsteller bereits infolge der Begutachtung erreicht und eine wissenschaftlich abgesicherte Kenntnis über seine biologische Herkunft erhalten. Ein Anspruch auf förmliche Feststellung einer biologischen Vaterschaft lasse sich aus § 1598a BGB auch im Wege verfassungskonformer Auslegung nicht herleiten.
Aus prozessualer Sicht müsste der Antrag schon daran scheitern, dass die Feststellung eines sachlich-rechtlichen oder prozessualen Rechtsverhältnisses begehrt werden müsse (Feststellungsinteresse, § 256 ZPO). Hieran fehle es, weil vom Gesetzgeber mit § 1598a BGB eine rechtsfolgenlose Kenntniserlangung der eigenen Abstammung, nicht aber eine auf wissenschaftlich gesicherter Kenntnis der eigenen Abstammung aufbauende – ihrerseits rechtsfolgenlose – förmliche Feststellung der biologischen Vaterschaft regeln wollte.
Es bestehe auch keine ungewollte Regelungslücke. Ein Anspruch nach § 1598a BGB sei ausdrücklich nur Personen eröffnet worden, zwischen denen ein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis bestehe. Der Gesetzgeber habe bewusst eine Ausweitung der Abstammungsklärung im Verhältnis zu einer rechtlich bislang nicht familiär verbundenen Person abgelehnt (BT-Drs. 16/6561, S. 12). Diese dem Rechtsfrieden innerhalb der rechtlichen Familie dienende Beschränkung habe das BVerfG ausdrücklich gebilligt (BVerfG, Urt. v. 19.04.2016 – 1 BvR 3309/13 Rn. 28 und 46 – FamRZ 2016, 877).

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Frankfurt steht im Einklang mit dem maßgeblichen Urteil des BVerfG vom 19.04.2016 (1 BvR 3309/13). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verpflichtet den Gesetzgeber nicht dazu, neben dem Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach § 1600d BGB auch ein Verfahren zur isolierten, sog. rechtsfolgenlosen Klärung der Abstammung von einem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater bereitzustellen. Ein Anspruch ist daher nach der Entstehungsgeschichte der Norm auch nicht im Wege der Auslegung herzuleiten. Der Gesetzgeber hat insoweit ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Anspruch nach § 1598a BGB auf die bloße Kenntniserlangung beschränkt sein soll (BT-Drs. 16/6561, S. 12; BT-Drs. 16/8219, S. 6 f.). Eine Vaterschaftsfeststellung außerhalb der rechtlichen Familie wird nur über § 1600d BGB eröffnet.

D. Auswirkungen für die Praxis

Der Anwendungsbereich des § 1598a BGB ist mit der Entscheidung des BVerfG und auch der vorliegenden Entscheidung geklärt. Dieser beschränkt sich auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und die Duldung der Entnahme einer für diese Untersuchung geeigneten genetischen Probe innerhalb der rechtlichen Familie. Weitere Versuche die Norm für nicht vorgesehene Feststellungbegehren zu nutzen, sind damit obsolet.