Nachfolgend ein Beitrag vom 12.9.2017 von Viefhues, jurisPR-FamR 18/2017 Anm. 1

Leitsätze

1. Beim Kindesunterhalt scheidet die Abzugsfähigkeit von Verfahrenskostenhilferaten des Unterhaltsschuldners grundsätzlich aus, weil die Kindesunterhaltspflicht regelmäßig bereits in die Bemessung der Raten eingeflossen ist (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 30.01.2013 – II-4 UF 218/12, 4 UF 218/12 – FamRZ 2013, 1406; Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a. in: jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1603 BGB Rn. 135; Wendtland: BeckOGK § 1610 Rn. 36.2).
2. Die im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht entstehenden Unterbringungskosten können grundsätzlich nicht vom anrechenbaren Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils abgezogen werden, wenn ihm auch nach dem Abzug dieser Kosten noch ein ausreichendes Einkommen verbleibt (vgl. BGH, Beschl. v. 12.03.2014 – XII ZB 234/13 – FamRZ 2014, 917 m.w.N.).
3. Zur Abänderbarkeit eines Vergleichs über Kindesunterhalt.
4. Die Herabgruppierung eines Unterhaltsschuldners innerhalb der Düsseldorfer Tabelle wegen Umgangskosten kommt erst in Betracht, wenn und soweit sich ein weit über das übliche Maß hinausgehender Umgang nach seiner konkreten Ausgestaltung bereits weitgehend einer Mitbetreuung annähert (vgl. Wendtland, BeckOGK, § 1610 Rn. 36.3 m.w.N.).

A. Problemstellung

Im Zusammenhang mit der Feststellung des unterhaltsrechtlich anrechenbaren bereinigten Einkommens eines zum Minderjährigenunterhalt verpflichteten Elternteils stellen sich zahlreiche Einzelfragen, von denen einige das OLG Brandenburg in seiner Entscheidung behandelt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Nicht selten will der Unterhaltspflichtige Verfahrenskostenhilferaten aus anderen, bereits laufenden gerichtlichen Verfahren bei der Bemessung seines Einkommens in Abzug bringen.
Dem hat das OLG Brandenburg eine Absage erteilt, weil die Kindesunterhaltspflicht regelmäßig bereits in die Bemessung der Raten eingeflossen ist.
Die im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht entstehenden Unterbringungskosten können grundsätzlich nicht vom anrechenbaren Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils abgezogen werden, wenn ihm auch nach dem Abzug dieser Kosten noch ein ausreichendes Einkommen verbleibt.
Auch eine Herabgruppierung eines Unterhaltsschuldners innerhalb der Düsseldorfer Tabelle wegen dieser erhöhten Umgangskosten kommt erst in Betracht, wenn und soweit sich ein weit über das übliche Maß hinausgehender Umgang nach seiner konkreten Ausgestaltung bereits weitgehend einer Mitbetreuung annähert.

C. Kontext der Entscheidung

Aus der beim Minderjährigenunterhalt bestehenden verschärften Haftung des barunterhaltspflichtigen Elternteils werden in der Praxis erhebliche Einschränkungen der Abzugsfähigkeit von Belastungen abgeleitet.
Raten für die Verfahrenskostenhilfe werden nicht abgezogen, da die Kindesunterhaltspflicht bereits über die entsprechenden Freibeträge bei der Berechnung der Verfahrenskostenhilfe berücksichtigt worden sind (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 30.01.2013 – II-4 UF 218/12, 4 UF 218/12 – FamRZ 2013, 1406; Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1603 BGB Rn. 135; Wendtland, BeckOGK, § 1610 Rn. 36.2).
Die üblichen beim Umgangsrecht anfallenden Kosten sind vom umgangsberechtigten Elternteil zu tragen und können daher weder vom anderen Elternteil direkt beansprucht noch im Rahmen der Unterhaltsberechnung abgezogen werden. Dies gilt sowohl beim Kindesunterhalt als auch beim Ehegattenunterhalt (Einzelheiten vgl. Viefhues in: jurisPK, a.a.O., § 1610 Rn. 197 m.w.N.)

D. Auswirkungen für die Praxis

Sollen Schuldenbelastungen beim Minderjährigenunterhalt abgezogen werden, müssen hierzu ausreichende Informationen für die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung vom Unterhaltsschuldner vorgetragen werden. Denn Unterhaltsansprüche haben nicht generell Vorrang vor anderen Verbindlichkeiten des Unterhaltspflichtigen. Zwar dürfen diese Verbindlichkeiten auch nicht ohne Rücksicht auf die Unterhaltsinteressen getilgt werden. Folglich ist ein Ausgleich der Belange von Unterhaltsgläubiger, Unterhaltsschuldner und auch des Drittgläubigers. Es ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich, bei der Zweck der Verbindlichkeiten, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltsschuldners von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und seine Möglichkeiten von Bedeutung sind, die Leistungsfähigkeit ganz oder teilweise wiederherzustellen (BGH, Urt. v. 10.07.2013 – XII ZB 297/12 – NJW 2013, 2897; BGH, Beschl. v. 19.03.2014 – XII ZB 367/12 – FamRZ 2014, 923; BGH, Beschl. v. 09.11.2016 – XII ZB 227/15 – FamRZ 2017, 109).
Der Verfahrensbeteiligte, der sich auf die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung von Schuldenbelastungen beruft, muss folglich substantiierte Darlegungen zu den oben beschriebenen Umständen bringen, um eine Anrechnung im Rahmen der Einzelfallentscheidung zu erreichen.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Die Abänderungsanträge waren zulässig auch für die Rückstände vor Anhängigkeit, da § 239 FamFG insoweit keine Zeitschranke enthält, also auch die rückwirkende Abänderung eines außergerichtlichen Titels erlaubt. Allerdings müssen bei einer Mehrforderung für zurückliegende Zeiträume die Voraussetzungen des Verzuges erfüllt sein. Dies war hier aufgrund eines Auskunftsbegehrens der unterhaltsberechtigten Kinder gegeben (§ 1613 BGB). Verzug tritt dabei am Ersten des Monats ein, in dem das Auskunftsverlangen zugeht (§ 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Das OLG Brandenburg hat weiter klargestellt, dass für in der Vergangenheit liegende Unterhaltszeiträume eine überjährige Durchschnittsbildung regelmäßig auszuscheiden hat (vgl. BGH, Urt. v. 04.07.2007 – XII ZR 141/05 Rn. 23 m.w.N. – FamRZ 2007, 1532), sondern eine Berechnung auf der Basis des jeweils in dem fraglichen Zeitabschnitt konkret erzielten Nettoverdienst anzustellen ist (Grundsatz der Gleichzeitigkeit von Unterhaltsbedürftigkeit und Leistungsfähigkeit; vgl. BGH, Beschl. v. 11.11.2015 – XII ZB 7/15; ausführlich Viefhues in: jurisPK-BGB, a.a.O., § 1603 Rn. 7 ff. m.w.N.).