Nachfolgend ein Beitrag vom 3.7.2018 von Reinken, jurisPR-FamR 13/2018 Anm. 1

Leitsatz

Es begegnet keinen Bedenken, wenn das Familiengericht – bei fehlenden Anhaltspunkten für eine vom Schuldner darzulegende und zu beweisende Schuldunfähigkeit – im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens bei Anordnung einer Ordnungshaft von 40 Tagen wegen zweier Verstöße gegen eine Gewaltschutzanordnung u.a. auf Unterschiede in Alter und körperlicher Verfassung der Beteiligten sowie die aus anderen Verfahren bekannte Neigung des Antragsgegners abstellt, schwächeren Personen gegenüber bedrohlich aufzutreten, um vermeintliche Ansprüche durchzusetzen.

A. Problemstellung

Handelt der Verpflichtete einer Anordnung nach § 1 GewSchG zuwider, eine Handlung zu unterlassen, kann er nach § 96 Abs. 1 Satz 3 FamFG, §§ 890 und 891 ZPO wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt werden. Problematisch ist, nach welchen Kriterien jeweils die Höhe des Ordnungsgeldes bzw. die Dauer der Ordnungshaft zu bemessen ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Gegen den Antragsgegner ist eine bis zum 15.05.2016 befristete Unterlassungsanordnung nach § 1 GewSchG ergangen. Dagegen hat er Anfang Februar 2016 und am 10.05.2016 verstoßen. Auf Antrag der Antragstellerin hat das Familiengericht deswegen eine Ordnungshaft von 40 Tagen festgesetzt. Der Antragsgegner macht mit der Beschwerde geltend, das Familiengericht habe sich mit seiner Schuldfähigkeit zur Zeit der Verstöße trotz Kenntnis seines Suchtproblems und bestehender rechtlicher Betreuung nicht auseinandergesetzt; es hätten sich dann durchgreifende Zweifel an der Schuldfähigkeit ergeben. Ergänzend nimmt er Bezug auf ein von der Staatsanwaltschaft Bremen eingeholtes psychiatrisch-psychologisches Gutachten vom 08.11.2016.
Das OLG Bremen hat die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.
Das Familiengericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsgegner die beiden Verstöße schuldhaft vorgenommen habe. Die vom Familiengericht getroffene – vom Antragsgegner auch nicht gerügte – Auswahl des konkreten Ordnungsmittels sei auch nicht zu beanstanden.

C. Kontext der Entscheidung

Die Ordnungsmittel des § 890 ZPO haben neben ihrer Funktion als zivilrechtliche Beugemaßnahme zur Vermeidung zukünftiger Zuwiderhandlungen auch strafrechtliche (repressive) Elemente (BGH, Beschl. v. 10.05.2017 – XII ZB 62/17). Deren Verhängung setzt deshalb ein Verschulden des Verpflichteten voraus (ganz h.M. vgl. nur Lackmann in: Musielak/Voit, ZPO, § 890 Rn. 5). Lassen sich aus den gesamten Umständen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die behauptete Schuldunfähigkeit feststellen, geht dies zulasten des Verpflichteten, denn er trägt die Darlegungs- und Feststellungslast für seine fehlende Schuldfähigkeit (OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.06.2014 – 5 WF 110/14).
Bei der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Wahl zwischen einem Ordnungsgeld und der Ordnungshaft hat das Gericht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. In die danach gebotene Beurteilung aller Einzelfallumstände sind Art, Dauer, Umfang und Gefährlichkeit des Verstoßes, die Persönlichkeit des Verpflichteten, das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers sowie die Hartnäckigkeit, mit der der Verpflichtete die Erfüllung seiner Verpflichtung unterlässt (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02.11.1999 – 14 W 61/99), einzubeziehen. Zwangshaft ist gerechtfertigt, wenn sichere Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schuldner sich allein durch die Verhängung eines Zwangsgeldes nicht beugen lassen wird.

D. Auswirkungen für die Praxis

Der Verpflichtete ist gehalten, alle seine Schuldfähigkeit betreffenden Umstände in das Verfahren einzuführen, damit dies amtswegig geprüft werden kann. Der Gläubiger kann sein besonderes Interesse an einer wirksamen Vollstreckung deutlich machen. Doch sollte er nicht auf die Festsetzung eines bestimmten Beugemittels und dies in bestimmter Höhe antragen. Folgt das Gericht dem nicht, kann dies eine Beteiligung an den Kosten des Verfahrens zur Folge haben (BGH, Beschl. v. 19.02.2015 – I ZB 55/13).

Ermessen des Familiengerichts bei Anordnung von Ordnungsmitteln wegen Verstoß gegen Gewaltschutzanordnung
Denise HübenthalRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Familienrecht
  • Fachanwältin für Erbrecht
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