Nachfolgend ein Beitrag vom 8.11.2016 von Jahreis, jurisPR-FamR 23/2016 Anm. 7
Leitsatz
Zur Erforderlichkeit einer Betreuung mit den Aufgabenkreisen Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Einrichtungen und Vertretung vor Gerichten.
A. Problemstellung
Unter welchen Voraussetzungen kann eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Einrichtungen und Vertretung vor Gerichten angeordnet bzw. aufgehoben werden?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Für die Betroffene, die an einer neurotischen Persönlichkeitsstörung leidet, wurde im Februar 2005 ein Betreuer für die Aufgabenkreise Wohnungsangelegenheiten und Vertretung gegenüber Behörden und Einrichtungen bestellt. Im November 2011 wurde der Aufgabenkreis des Betreuers auf die Vertretung vor Gerichten erweitert. In der Vergangenheit war es bereits mehrfach auf Wunsch der Betroffenen zu einem Wechsel des Betreuers gekommen. Um den Vorstellungen der Betroffenen gerecht zu werden, sollte jeder neu bestellte Betreuer dabei als Vermittler zwischen der Betroffenen und den Gerichten und Behörden fungieren und dort um Verständnis für die Anliegen der Betroffenen und ihre besondere Situation werben. Im März 2014 äußerte die Betroffene erneut den Wunsch nach einem Wechsel des Betreuers. Das zuständige Amtsgericht hatte hierauf die Betreuung aufgehoben.
Die Betroffene hatte gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde richtete sich die Betroffene – letztlich ohne Erfolg – gegen die Aufhebung der Betreuung und wollte erreichen, dass die Betreuung für sie bestehen bleibt.
Gemäß § 1908d Abs. 1 BGB ist eine Betreuung aufzuheben, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür wegfallen. Ein Betreuer darf gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen eine Betreuung erforderlich ist. Nicht erforderlich ist eine Betreuung dagegen, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen durch Bevollmächtigte oder andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt werden muss, genauso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Der BGH hatte in diesem Zusammenhang zu entscheiden, wann diese Voraussetzungen für den Bereich der Wohnungsangelegenheiten vorliegen.
Generell könne sich die Anordnung einer Betreuung nicht allein aus einer subjektiven Unfähigkeit der Betroffenen ergeben, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, so der BGH. Hinzutreten müsse ein weiterer, konkreter Bedarf für die Bestellung eines Betreuers, der sich aus der konkreten Lebenssituation der betroffenen Person ergeben könne.
Die Bestellung eines Betreuers für den Aufgabenkreis Wohnungsangelegenheiten sei regelmäßig erst dann erforderlich und gerechtfertigt, wenn der Betroffene aufgrund von Krankheit oder Behinderung die Organisation seines Wohnbereiches nicht mehr zu leisten vermag und dadurch in erheblicher Weise Schaden zu nehmen drohe. Eine Betreuung komme insbesondere dann in Betracht, wenn die Betroffene keinen angemessenen Wohnraum finden könne oder ihre mietvertraglichen Pflichten nicht erfülle und ihr aufgrund fortdauernder Verletzungen des Mietvertrages der Verlust des Wohnraums drohe. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen haben die Vorinstanzen nach Ansicht des BGH im vorliegenden Fall zutreffend verneint.
Denn nicht ausreichend für die Anordnung einer Betreuung sei allein die Tatsache, dass die Betroffene fortwährend Rechtsstreitigkeiten mit ihrem Vermieter führe. In derartigen Fällen würden die Interessen der Betroffenen durch die Beauftragung eines Rechtsanwaltes sowie die Mitgliedschaft im Mieterverein ausreichend wahrgenommen. Soweit die Betroffene noch in der Lage sei, einen Rechtsanwalt mit seiner gerichtlichen Interessenwahrnehmung zu beauftragen, sei kein Betreuungsbedarf gegeben.
Auch für den Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten bestehe im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH ein konkreter Betreuungsbedarf nur dann, wenn der Betreute krankheitsbedingt dazu neige, sich durch das Betreiben einer Vielzahl von sinnlosen Verfahren zu schädigen (BGH, Beschl. v. 21.01.2015 – XII ZB 324/14). Ansonsten könne hinsichtlich dieses Aufgabenkreises eine Betreuung nur angeordnet werden, soweit ein konkreter Bezug zu einer bestimmten Angelegenheit oder einem bestimmten behördlichen oder gerichtlichen Verfahren hergestellt werden könne. Hierzu habe das Beschwerdegericht aber rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Betroffene ein selbstschädigendes Verhalten nicht an den Tag lege und außerdem trotz ihrer Krankheit in der Lage sei, einen Rechtsanwalt mit der Prozessführung zu beauftragen.
Dass die Betroffene eine Aufrechterhaltung der Betreuung allein aus dem Grund wünsche, dass ein Betreuer bei Gerichten und Behörden für ihre Anliegen eintreten und um Verständnis werben solle, sei nicht Zweck einer rechtlichen Betreuung.
Abgesehen davon sei die Bestellung für den Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten ohnehin als eine entbehrliche, aber nicht schädliche Klarstellung der sich aus § 1902 Abs. 1 BGB ergebenden Vertretungsberechtigung des Betreuers im Rahmen eines ihm übertragenen bestimmten Aufgabenkreises zu sehen.
C. Kontext der Entscheidung
Der BGH stellt in dieser Entscheidung nochmals klar, dass die Anordnung einer Betreuung sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht erforderlich sein muss, was von Seiten des Betreuungsgerichtes stets vor Anordnung einer Betreuung zu prüfen ist. Die Überforderung mit einer konkreten Situation, der sich der Betroffene noch selbst durch anderweitige, von ihm selbst zutreffende Maßnahmen entziehen kann, vermittelt demnach keinen Anspruch auf die Bestellung eines Betreuers, auch wenn dies für den Betroffenen in gewisser Weise die einfachste Möglichkeit darstellen würde, sein Problem zu lösen. Die Betreuung soll und muss demnach immer in dieser Weise die Ultima Ratio darstellen.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die vorstehende Entscheidung setzt sich in eingehender Weise mit den Voraussetzungen der Anordnung einer Betreuung für den Bereich Wohnungsangelegenheiten auseinander. Der BGH stellt klar, dass es nicht Sinn und Zweck der rechtlichen Betreuung sein kann, der jeweils betroffenen Person einen reinen Unterstützer im gerichtlichen Verfahren zu gewähren, der lediglich um Verständnis für die Anliegen der im Prinzip voll geschäftsfähigen Betroffenen werben soll. Die mit der Bestellung eines Betreuers betroffenen Stellen haben somit durch die Entscheidung des BGH ein weiteres objektives Kriterium für die von ihnen zu treffende jeweilige Entscheidung erhalten.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Der BGH hat weiterhin seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach eine Aufhebung der Betreuung auch dann in Betracht kommt, wenn eine sog. Unbetreubarkeit vorliegt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der mit der Bestellung eines Betreuers bezweckte Erfolg nicht eintreten kann, weil etwa der Betroffene jeden Kontakt mit seinem Betreuer verweigert und der Betreuer dadurch handlungsunfähig wird (BGH, Beschl. v. 28.01.2015 – XII ZB 520/14; BGH, Beschl. v. 18.12.2013 – XII ZB 460/13). Ob eine solche Unbetreubarkeit im konkreten Fall vorlag, konnte der BGH jedoch offenlassen. Generell sei bei Annahme einer Unbetreubarkeit aber Zurückhaltung geboten.