Nachfolgend ein Beitrag vom 28.2.2018 von Göhle-Sander, jurisPR-ArbR 9/2018 Anm. 2

Leitsatz

Die Kündigung einer Schwangeren kann Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG auslösen. Das Vorhalten eines Nutzerprofils bei XING stellt kein Indiz für eine Nebentätigkeit dar.

A. Problemstellung

Die Entscheidung befasst sich mit dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG einer Arbeitnehmerin, der nach Ablauf ihrer Elternzeit, in der sie erneut schwanger wurde, gekündigt wurde, wobei der Arbeitgeber den Zugang einer E-Mail mit der Schwangerschaftsmitteilung bestreitet. Daneben geht es um Mutterschutzlohn nach ärztlich attestiertem Beschäftigungsverbot.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die 1989 geborene Klägerin ist im Kleinbetrieb des Beklagten seit August 2013 zunächst in Teilzeit, ab November 2014 in Vollzeit als Mitarbeiterin im Bereich Office bei einem Bruttomonatsgehalt von 1.950 Euro beschäftigt. Schwangerschaftsbedingt war sie ab Februar 2015 nicht mehr am Arbeitsplatz tätig. Nach der Geburt ihres ersten Kindes im August 2015 ging sie in Elternzeit, die am 26.08.2016 endete. Zu diesem Zeitpunkt war sie erneut schwanger. Zuvor hatte sie per E-Mail vom 28.06.2016 dem Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt, dass sie zum 27.08.2016 einen Kitaplatz für ihr Kind erhalte und sie für eine Eingewöhnungsphase ihren offenen Urlaub für 2015 und 2016 bis zum 10.10.2016 in Anspruch nehmen wolle. Diesem Urlaubswunsch hatte der Geschäftsführer der Beklagten seinerseits mit E-Mail vom 29.06.2016 widersprochen und sie zur Arbeitsaufnahme mit Ablauf der Elternzeit zum 29.08.2016 aufgefordert. Das weitere Vorgehen werde dann besprochen. Am Vormittag des 29.08.2016 (Montag) erreichte ihn eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Frauenärztin der Klägerin vom 26.08.2016 (Freitag), wonach die Klägerin ab 29.08.2016 arbeitsunfähig erkrankt war. Die Beklagte kündigte nachfolgend das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.08.2016 zum 31.10.2016. Spätestens am 09.09.2016 erfuhr die Beklagte durch ein Fax des Prozessbevollmächtigten der Klägerin von deren erneuter Schwangerschaft. Für die Zeit vom 15.09.2016 bis zum Beginn des Mutterschutzes am 10.01.2017 sprach die Frauenärztin der Klägerin ein Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs. 1 MuSchG a.F. aus. Für den Monat November 2016 verweigerte die Beklagte die Zahlung von Mutterschutzlohn mit der Begründung, die Klägerin könne entgegen dem ausgesprochenen Beschäftigungsverbot offenbar arbeiten, denn sie habe seit August 2016 durchgehend bei dem Internetportal Xing eine Bewerbung geschaltet. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes am 17.02.2017 nahm die Klägerin wiederum Elternzeit für ein Jahr in Anspruch. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nochmals mit Schriftsatz vom 26.06.2017 und mit Schreiben vom 29.06.2017 jeweils ohne behördliche Zustimmung nach § 18 BEEG.
Mit ihrer beim ArbG Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung vom 29.08.2016 geltend gemacht, Mutterschutzlohn für November 2016 verlangt und eine Entschädigung i.H.v. 5.850 Euro im Hinblick auf eine Diskriminierung wegen des Geschlechts gefordert. Die Kündigungen aus Juni 2017 hat sie in einem gesonderten Verfahren angegriffen. Die Entschädigungsforderung stützt die Klägerin darauf, dass die Kündigung im Zusammenhang mit ihrer erneuten Schwangerschaft erklärt worden sei. Sie habe den Geschäftsführer der Beklagten per E-Mail am 17.08.2016 über ihre Schwangerschaft informiert, dabei auch den Beginn der Mutterschutzfrist und eine erneute Elternzeit voraussichtlich bis zum 01.09.2018 mitgeteilt. Zumindest beruhe die Kündigung auf dem Umstand, dass sie sich um ihr erstes Kind kümmern müsse, denn der Geschäftsführer der Beklagten habe sich bereits anlässlich ihrer ersten Schwangerschaftsmitteilung in diesem Sinne abfällig zu dieser Tatsache geäußert. Die Abneigung gegenüber der Beschäftigung junger Mütter werde auch durch die unter Missachtung des Sonderkündigungsschutzes nach § 18 BEEG ausgesprochenen Kündigungen aus Juni 2017 belegt. Nachdem die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 29.08.2016 rechtskräftig geworden ist, hatte das LArbG Berlin-Brandenburg nur noch über die Zahlungsansprüche der Klägerin zu entscheiden, mit denen sie erstinstanzlich nicht durchgedrungen war.
Die Berufung der Klägerin hatte vor dem LArbG Berlin-Brandenburg teilweise Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin den Mutterschutzlohn nach § 11 MuSchG a.F. zugesprochen, da das Vorhandensein eines Profils im Portal Xing nicht darauf schließen lasse, dass das ärztlich attestierte Beschäftigungsverbot auf unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen beruht. Die Entschädigungsforderung blieb dagegen erfolglos.
Zwar erfülle eine Kündigung unter Missachtung des Kündigungsverbots des § 9 Abs. 1 MuSchG a.F. regelmäßig die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 AGG. Dies setze jedoch die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin voraus. Diese Kenntnis im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs, insbesondere den Zugang einer E-Mail vom 17.08.2016 bei der Beklagten mit dem von ihr behaupteten Inhalt, habe die Klägerin nicht bewiesen. Die von der Klägerin behaupteten abfälligen Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten über Mütter mit kleinen Kindern im Arbeitsverhältnis seien hinsichtlich Zeit, Ort und näheren Umständen zu unbestimmt, um einer Beweisaufnahme zugänglich zu sein. Die zeitliche Nähe zwischen Kündigung und Ende der Elternzeit rechtfertige den Entschädigungsanspruch ebenfalls nicht, denn die Beklagte habe ausführlich dargelegt, aus welchen – nicht diskriminierenden – Gründen die Kündigung erfolgt sei.

C. Kontext der Entscheidung

Das LArbG Berlin-Brandenburg konnte sich im Ausgangspunkt seiner Entscheidung über den Entschädigungsanspruch wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG i.V.m. den §§ 7 Abs. 1, 1, 3 Abs. 1 Satz 2 AGG an der Rechtsprechung des BAG orientieren. Danach kann im Falle einer rechtswidrigen Kündigung zusätzlich zur Feststellung ihrer Unwirksamkeit die Sanktion des § 15 Abs. 2 AGG treten, wenn die Kündigung die Voraussetzungen des Verstoßes gegen ein Benachteiligungsverbot nach den §§ 7, 1 AGG erfüllt. § 2 Abs. 4 AGG, wonach für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten, schließt den Entschädigungsanspruch nicht aus, und zwar unabhängig davon, ob der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes betroffen ist oder nicht (BAG, Urt. v. 12.12.2013 – 8 AZR 838/12; BAG, Urt. v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12 m. Anm. Düwell, jurisPR-ArbR 9/2014 Anm. 1; vgl. auch Göhle-Sander, jurisPR-ArbR 30/2015 Anm. 1). Die 10. Kammer des LArbG Berlin-Brandenburg konnte sich dabei auch auf einen Ausspruch der 23. Kammer stützen, die in diesem Sinne entschieden hatte (LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.09.2015 – 23 Sa 1045/15).
Unproblematisch war die Feststellung, dass die Klägerin durch die Kündigung vom 29.08.2016 eine Benachteiligung, nämlich eine weniger günstige Behandlung erfahren hatte als die übrigen vergleichbaren Arbeitnehmer der Beklagten, denen nicht gekündigt wurde. Eine unmittelbare Benachteiligung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG) wegen Schwangerschaft – einem der in § 1 AGG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG genannten Diskriminierungsmerkmale – liegt aber nur dann vor, wenn die Benachteiligung an die Schwangerschaft anknüpft oder durch diese motiviert ist, wobei es ausreicht, wenn sie Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (BAG, Urt. v. 12.12.2013 – 8 AZR 838/12). Zwischen der benachteiligenden Behandlung und dem in § 1 AGG genannten Grund muss ein Kausalzusammenhang mindestens im Sinne einer Mitursächlichkeit bestehen (BAG, Urt. v. 26.09.2013 – 8 AZR 650/12). Abweichend von den allgemeinen zivilprozessualen Regeln gelten gemäß § 22 AGG für denjenigen, der sich auf eine Entschädigung wegen diskriminierender Behandlung beruft, Erleichterungen der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast. Er genügt seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt und im Streitfall beweist, die aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung zumindest auch wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe erfolgt ist (BAG, Urt. v. 18.05.2017 – 8 AZR 74/16; BAG, Urt. v. 17.10.2013 – 8 AZR 742/12). Wenn der Arbeitgeber gar nicht weiß, dass seine Arbeitnehmerin das Diskriminierungsmerkmal „Schwangerschaft“ erfüllt, kann diese Tatsache beim Kündigungsausspruch keine Rolle gespielt haben (BAG, Urt. v. 17.10.2013 – 8 AZR 742/12; ebenso zur Unkenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft: BAG, Urt. v. 26.09.2013 – 8 AZR 650/12). Hätte im Fall des LArbG Berlin-Brandenburg die Beklagte im Kündigungszeitpunkt von der Schwangerschaft der Klägerin gewusst, hätte die Missachtung des Sonderkündigungsschutzes zugunsten der werdenden Mutter (§ 9 MuSchG a.F.; § 17 MuSchG n.F.) eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Schwangerschaft indiziert (BAG, Urt. v. 12.12.2013 – 8 AZR 838/12).
Der Klägerin als insoweit beweisbelastete Partei oblag deshalb der Nachweis, dass sie die Beklagte vor der Kündigungserklärung über ihre Schwangerschaft informiert hatte, und zwar – so ihre Behauptung – mittels einer E-Mail vom 17.08.2016. Das LArbG Berlin-Brandenburg hält bereits die Existenz einer solchen E-Mail für nicht ausreichend dargelegt, nachdem die Klägerin das fragliche Dokument selbst im Prozess nicht vorgelegt, sondern lediglich eine an ihren Prozessbevollmächtigten im September 2016 weitergeleitete E-Mail mit Datum vom 17.08.2016 zur Prozessakte gegeben hatte. Das Landesarbeitsgericht ist deshalb den Beweisantritten der Klägerin für den Zugang der E-Mail bei der Beklagten durch Sachverständigengutachten und Einholung einer Auskunft beim E-Mail-Provider der Beklagten nicht nachgegangen. Was konkret dem Landesarbeitsgericht am Vortrag der Klägerin zur Abfassung der behaupteten E-Mail fehlt, wird aus den Entscheidungsgründen nicht ganz klar, da sich Aspekte der nicht hinreichenden Darlegung mit denen des fehlenden Beweises vermengen (fehlende Vorlage der E-Mail, vgl. § 371 Abs. 1 Satz 2 ZPO: Beweisantritt durch Übermittlung des elektronischen Dokuments an das Gericht durch Zurverfügungstellung auf technischem Wege oder durch physische Überlassung auf einem Datenträger; vgl. Berger, NJW 2005, 1016, 1020).
Im Ergebnis ist die Beweisführung zu umstrittenen Tatsachenbehauptungen mittels einer unsignierten E-Mail regelmäßig schwierig. Weder für die Urheberschaft des Absenders noch für den Inhalt der Mail besteht eine Vermutung der Richtigkeit. Es gelten, ebenso wie für den Ausdruck einer E-Mail auf Papier, die Regeln des Anscheinsbeweises und der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, bei der die Manipulationsanfälligkeit elektronischer Daten (Scherzer, AnwZert ITR 16/2008, Anm. 2; Heckmann in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 5. Aufl. 2017, Kap. 4.1 Rn. 459) zu berücksichtigen ist.
Auch der Nachweis des Zugangs der E-Mail beim Empfänger, der dem Absender obliegt, kann sich schwierig gestalten. Es gilt der allgemeine Zugangsbegriff des § 130 BGB. Danach ist der Zugang bewirkt, wenn die Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (für den elektronischen Geschäftsverkehr vgl. auch § 312 Abs. 1 Satz 2 BGB). Wenn jemand seine E-Mail-Adresse als Empfangsvorrichtung für rechtsgeschäftlich bedeutsame Erklärungen gewidmet hat, geht ihm eine E-Mail zu, wenn sie in seine Mailbox oder die seines Providers abrufbar gespeichert wird, ohne dass er sie noch abrufen muss (LArbG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.11.2012 – 15 Ta 2066/12; Heckmann in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 4.1 Rn. 110). Der Beweis der bloßen Absendung einer E-Mail, etwa über ein entsprechendes Sendeprotokoll, reicht schon wegen möglicher technischer Störungen beim Provider oder beim Postfach des Empfängers (z.B. Softwarefehler, Abweisung durch den Server mangels Speicherplatzes) nicht als Zugangsbeleg aus (LArbG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.11.2012 – 15 Ta 2066/12; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.03.2009 – 7 U 28/08; Reichold in: Herberger/Martinek/Rüßmann, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 130 BGB Rn. 47), sondern kann allenfalls als Indiz herangezogen werden (Mankowski, NJW 2004, 1901; Heckmann in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 4.1 Rn.469). Zum Teil wird vertreten, dass von einem Anscheinsbeweis zugunsten eines E-Mail-Zugangs auszugehen ist, wenn ein Übertragungsprotokoll mit einer DNS-Erweiterung existiert, mit der der erfolgreiche Eingang beim Empfänger vom E-Mail-Server an den Absender zurückgemeldet wird (Mankowski, NJW 2004, 1901; kritisch: Heckmann in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 4.1 Rn. 472). Nach verbreiteter Ansicht bilden jedenfalls Eingangs- oder Lesebestätigung einen entsprechenden Anscheinsbeweis (Eisele in: MünchKomm BGB, 7. Aufl. 2015, § 130 Rn. 46), zumindest kommt ihnen ein sehr hoher Beweiswert im Wege der freien Beweiswürdigung zu (Greger in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., vor § 284 Rn. 31; Skowronek, AiB 2009, 595). Die Klägerin hatte offenbar weder den Ausdruck der Ausgangs-E-Mail noch sonstige Informationen, insbesondere die technischen Sendedaten, noch die elektronische Datei vorgelegt, so dass das Landesarbeitsgericht sich nicht veranlasst sah, auf dieser dürftigen Grundlage ein Sachverständigengutachten einzuholen oder Speicherprotokolle der beteiligten Provider-Server heranzuziehen (was zudem u.a. vorausgesetzt hätte, dass die Provider Logfiles der gesendeten und eingegangenen E-Mails längere Zeit gespeichert hätten).
Nachdem eine Kündigung wegen Schwangerschaft ausschied, blieb die Frage, ob für die Kündigung vom 29.08.2016 als weiteres Merkmal der Diskriminierung wegen des Geschlechts (§ 3 Abs. 1 Satz 2 AGG) die Mutterschaft der Klägerin (mit)ursächlich war. Schwangerschaft und Mutterschaft sind untrennbar mit dem Geschlecht verbunden, können also ausschließlich Frauen nachteilig treffen. Auf diesem Hintergrund bezieht sich das Merkmal „Mutterschaft“ nur auf Umstände, die mit den besonderen Schutzvorschriften zugunsten der Frau wegen einer kurz bevorstehenden oder gerade erfolgten Entbindung im Zusammenhang stehen (BAG, Urt. v. 18.09.2014 – 8 AZR 753/13). Eine kurz bevorstehende Entbindung spielt im Fall der Klägerin schon deswegen keine Rolle, weil die Beklagte von ihrer erneuten Schwangerschaft nichts wusste. Die Geburt des ersten Kindes lag im Kündigungszeitpunkt ein Jahr zurück, so dass auch von daher kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang mit der damaligen Entbindung und dem daraus folgenden besonderen Schutz der Klägerin besteht.
Eine unmittelbare Benachteiligung einer Frau wegen ihres Geschlechts ist aber nicht auf die Diskriminierung wegen Schwangerschaft/Mutterschaft beschränkt (vgl. den Wortlaut „auch“ in § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG). Sie kann sich auch aus anderen Umständen ergeben, wenn ausschließlich Arbeitnehmer ihres Geschlechts betroffen sind. So kann die Äußerung eines Arbeitgebers, die dem anderen Geschlecht gegenüber nicht gemacht worden wäre, einen Diskriminierungsgrund i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG darstellen, z.B. Äußerungen, die von traditionellen Rollenmustern ausgehen und zur Grundlage einer nachteiligen Behandlung gegenüber der Arbeitnehmerin gemacht werden (BAG, Urt. v. 18.09.2014 – 8 AZR 753/13; Feldhoff, jurisPR-ArbR 8/2016 Anm. 3). Die von der Klägerin behaupteten, lange zurückliegenden Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten im Zusammenhang mit der Bekanntgabe ihrer ersten Schwangerschaft, er wisse, wie es mit einem Kleinkind sei, junge Mütter im Arbeitsverhältnis würden nur noch fehlen und seien nicht mehr zu gebrauchen, können auf die pauschale Annahme zur herkömmlichen Rollenverteilung bei der Kinderbetreuung und zur nur eingeschränkten Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und beruflicher Tätigkeit bei Frauen hindeuten, zumal die Kündigung unmittelbar nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 26.08.2016 erklärt wurde.
Das Landesarbeitsgericht hat die vorgetragenen streitigen Tatsachen für zu allgemein und unbestimmt gehalten, um eine Beweisaufnahme zu veranlassen. Auf das Argument der Klägerin, die weiteren Kündigungen aus Juni 2017 in ihrer erneuten Elternzeit ohne die erforderliche behördliche Zustimmung nach § 18 BEEG unterstreiche die negative Einstellung der Beklagten gegenüber erwerbstätigen Müttern, ist das Landesarbeitsgericht ebenso wenig mehr eingegangen wie auf die Tatsache des verweigerten Mutterschutzlohns für den Monat November 2016 oder das Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit dem Urlaubswunsch der Klägerin im Anschluss an ihre erste Elternzeit. Dass die Beklagte außerdem nachvollziehbar Gründe dargelegt habe, die eine Kündigung wegen des Geschlechts der Klägerin als auch nur Teil eines Motivbündels ausschlössen, begründet das Landesarbeitsgericht näher. Als rechtlicher Ansatz für die dabei vorgenommene Würdigung des Beklagtenvorbringens hatte zu gelten, dass im Fall einer durch entsprechende Indizien unterlegten Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts der Arbeitgeber diese Indizwirkung zu widerlegen hat (§ 22 AGG), d.h. darzulegen und ggf. zu beweisen hat, dass kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorgelegen hat (BAG, Urt. v. 26.01.2017 – 8 AZR 848/13; LArbG Hamm, Urt. v. 13.06.2017 – 14 Sa 1427/16). Diesen Maßstab hat das Landesarbeitsgericht offenbar angelegt, ohne dies ausdrücklich zu benennen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung behandelt einen weiteren Fall einer Kündigung wegen Schwangerschaft/Mutterschaft bzw. – umfassender – einer Kündigung wegen des Geschlechts und damit die Voraussetzungen einer diskriminierenden Kündigung insbesondere im Zusammenhang mit Fragen der Kausalität zwischen Benachteiligung und Diskriminierungsmerkmal und der dabei anzuwendenden Darlegungs- und Beweislastregelung in § 22 AGG. Sie verdeutlicht insbesondere die Schwierigkeiten, die sich beim Nachweis des Zugangs einer E-Mail auftun.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Die Verweigerung des Mutterschutzlohns nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG a.F. (ab 01.01.2018: § 18 Satz 1 MuSchG) für den Monat November 2016 während des der Klägerin ärztlich bescheinigten Beschäftigungsverbots (§ 3 Abs. 1 a.F., § 16 n.F.) stand von vornherein auf schwachen Füßen. Das LArbG Berlin-Brandenburg misst mit der Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 17.10.2013 – 8 AZR 742/12) dem ärztlichen Attest einen hohen Beweiswert zu. Der Arbeitgeber kann Umstände vortragen, die den Beweiswert erschüttern, d.h. zu ernsthaften Zweifeln an der behaupteten Gefährdungslage i.S.d. § 3 Abs. 1 MuSchG a.F. Anlass geben (BAG, Urt. v. 07.11.2007 – 5 AZR 883/06).
Dem Landesarbeitsgericht ist darin beizupflichten, dass das Schalten einer Bewerbung bei dem Internetportal Xing ab August 2016 keinen ernsthaften Schluss darauf zulässt, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot nicht vorlagen. Nutzer dieses sozialen Netzwerkes können ihre beruflichen, wenn gewünscht auch privaten Kontakte verwalten und neue Kontakte finden. Jeder Nutzer kann ein eigenes Profil erstellen, sich an Gruppendiskussionen beteiligen, Branchennachrichten lesen, sich über Stellenangebote von Unternehmen informieren. Die Schaltung eines Profils besagt allenfalls, dass die Klägerin sich ab August 2016 für andere Arbeitgeber als offen für eine Kontaktaufnahme und einen eventuellen Arbeitsplatzwechsel gezeigt hat. Ob sie eine andere Stelle tatsächlich angetreten hätte, ist reine Spekulation. Selbst wenn man aus ihrem Interesse für eine andere Stelle entnehmen wollte, dass sie sich einer anderweitigen Tätigkeit gesundheitlich gewachsen fühlte, besagt dies ohne nähere Kenntnis vom Inhalt einer Bewerbung und den damit verbundenen zu erwartenden Arbeitsbedingungen nicht zwingend, dass dies auch für die Tätigkeit bei der Beklagten gelten musste, zumal die Klägerin offenbar – darauf deuten die Entscheidungsgründe hin – nur eine Nebentätigkeit in Aussicht genommen hatte.

Entschädigung wegen Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin bei streitigem Zugang einer Schwangerschaftsmitteilung per E-Mail
Denise HübenthalRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Familienrecht
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