Nachfolgend ein Beitrag vom 7.6.2016 von Götsche, jurisPR-FamR 12/2016 Anm. 5

Leitsätze

1. Ein (Mit-)Eigentumsanteil an einem Hausgrundstück – hier: Alleineigentum an einem Dreifamilienhaus – zählt grundsätzlich zum Vermögen des Beteiligten, soweit es sich nicht um ein angemessenes, von dem Beteiligten selbst bewohntes Hausgrundstück i.S.d. § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 90 Abs. 2 Ziff. 8 SGB XII handelt. Voraussetzung für den Vermögenseinsatz ist jedoch stets, dass die Verwertung des Vermögens zeitnah überhaupt möglich und zumutbar ist.
2. Die Veräußerung eines Hausgrundstücks nimmt erfahrungsgemäß eine gewisse Zeit in Anspruch und kann daher regelmäßig nicht zeitnah genug erfolgen, um noch mit dem Ziel der Verfahrenskostenhilfe vereinbar zu sein, dem bedürftigen Beteiligten im Wesentlichen denselben Rechtsschutz zu gewährleisten wie dem bemittelten Beteiligten.
3. Eine Beleihung des Objekts zum Zwecke einer Darlehensaufnahme scheidet aus, sofern der Antragsteller ausweislich seiner aktuellen Einkommensverhältnisse offensichtlich nicht in der Lage ist, ein (weiteres) Darlehen aufzunehmen und die Darlehensraten zu zahlen.

A. Problemstellung

Der um Verfahrenskostenhilfe Ersuchende ist nur dann bedürftig, wenn er kein ausreichend einsetzbares Vermögen besitzt. Inwieweit ist ihm die Verwertung von Grundvermögen dabei zuzumuten?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der um Verfahrenskostenhilfe ersuchende Antragsgegner ist hälftiger Miteigentümer eines Dreifamilienhauses, deren Erdgeschosswohnung er bewohnt. Die weiteren Wohnungen sind vermietet, u.a. aus diesen Mieteinkünften bestreitet der Antragsgegner seinen Lebensunterhalt. Das Objekt ist mit Verbindlichkeiten i.H.v. ca. 67.000 Euro belastet.
Mit Vergleich vom 23.06.2015 verpflichtete sich die Antragstellerin, ihren hälftigen Miteigentumsanteil an dem Dreifamilienhaus an den Antragsgegner aufzulassen und die Eintragung dieser Änderung im Grundbuch zu bewilligen, Zug um Zug gegen Zahlung von 35.000 Euro seitens des Antragsgegners.
Das OLG Hamm sieht das Grundvermögen nicht als einzusetzendes Vermögen an.
Zwar handele es sich dabei nicht mehr um Schonvermögen i.S.d. § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII. Die Veräußerung eines Grundstücks nehme aber erfahrungsgemäß eine gewisse Zeit in Anspruch und könne daher regelmäßig nicht zeitnah genug erfolgen, um noch mit dem Ziel der Verfahrenskostenhilfe vereinbar zu sein, dem bedürftigen Beteiligten im Wesentlichen denselben Rechtsschutz zu gewährleisten wie dem bemittelten Beteiligten. Dies gelte insbesondere, wenn es sich – wie hier – noch um Miteigentumsanteile handele und die Zustimmung des anderen Miteigentümers nicht vorliege (ebenso OLG Jena, Beschl. v. 22.05.2014 – 4 WF 194/14). Eine Beleihung des Objekts zum Zwecke einer Darlehensaufnahme scheide hier offensichtlich aus, da der Antragsgegner ausweislich seiner aktuellen Einkommensverhältnisse nicht in der Lage sei, ein weiteres Darlehen aufzunehmen und die Darlehensraten zurückzuzahlen.
Zuletzt scheide auch aus, die Verfahrenskostenhilfebewilligung mit der Festsetzung eines aus dem Vermögen zu zahlenden Einmalbetrages zu verbinden und diese Zahlung vorerst zu stunden. Denn derzeit sei gerade nicht absehbar, ob und wann der Antragsgegner die Immobilie verwerten könne.

C. Kontext der Entscheidung

Ein (Mit-)Eigentumsanteil an einem Hausgrundstück zählt grundsätzlich zum Vermögen des Beteiligten, soweit es sich nicht um ein angemessenes, von dem Beteiligten selbst bewohntes Hausgrundstück i.S.d. § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 90 Abs. 2 Ziff. 8 SGB XII handelt (vgl. BGH, Beschl. v. 17.07.2013 – XII ZB 174/10 – FamRZ 2013, 1720, 1721). Voraussetzung für den Vermögenseinsatz ist stets, dass die Verwertung des Vermögens zeitnah überhaupt möglich und zumutbar ist (OLG Bremen, Beschl. v. 26.10.2010 – 4 WF 133/10 – FamRZ 2011, 386). Möglichen Schwierigkeiten bei der zeitnahen Verwertung eines Vermögensgegenstandes kann dadurch begegnet werden, dass der aus dem bereits vorhandenen Vermögen zu zahlende Betrag gestundet wird (OLG Koblenz, Beschl. v. 23.09.2013 – 13 WF 860/13 – MDR 2014, 48; OLG Bremen, Beschl. v. 26.10.2010 – 4 WF 133/10).
Vermögen, das erst später einsatzfähig oder verwertbar ist, kann erst im Rahmen einer Abänderungsentscheidung gemäß § 120a ZPO Berücksichtigung finden. In der Praxis sind Ehegatten häufig je zur Hälfte Miteigentümer einer Immobilie; dann wird nach den Ausführungen des OLG Hamm eine zeitnahe Verwertung durch Veräußerung zumeist ausscheiden. Zusätzlich ist aber stets zu prüfen, ob nicht eine Beleihung des Objekts zum Zwecke einer Darlehensaufnahme angesichts der Einkommensverhältnisse des um Verfahrenskostenhilfe Ersuchenden in Frage kommt (vgl. bereits BGH, Beschl. v. 07.12.2006 – VII ZB 50/06 – FamRZ 2007, 460, 461).

D. Auswirkungen für die Praxis

Es sollte stets bedacht werden, dass der um Verfahrenskostenhilfe Ersuchende die vollständige Darlegungslast für seine Bedürftigkeit trägt. Es ist schlüssig darzulegen, dass kein einzusetzendes Vermögen vorhanden ist bzw. dass der Einsatz (durch Veräußerung oder Beleihung) vorhandenen Vermögens aus näher zu bezeichnenden Gründen unzumutbar ist (vgl. Götsche in: Horndasch/Viefhues, FamFG, 3. Aufl. 2014, Anhang zu § 76 Rn. 119 m.w.N.).