Nachfolgend ein Beitrag vom 6.6.2017 von Adamus, jurisPR-FamR 11/2017 Anm. 3

Leitsatz

Im postmortalen Vaterschaftsfeststellungsverfahren sind neben der Kindesmutter die Ehefrau, die Eltern und die Kinder des verstorbenen Mannes als Beteiligte hinzuzuziehen.

A. Problemstellung

Sind im postmortalen Vaterschaftsfeststellungsverfahren andere Kinder des Verstorbenen als Muss-Beteiligte nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG am Verfahren zu beteiligen?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Antragsteller beantragte postmortal die Feststellung, dass der 1990 verstorbene A.W. sein Vater ist. Der Beschwerdeführer ist ehelicher Sohn des A.W., ebenso wie der 2013 verstorbene Bruder W.W. Der Beschwerdeführer und W.W. hatten A.W. beerbt. Der Beschwerdeführer hatte wiederum W.W. laut Erbschein allein beerbt. Auf Antrag des Antragstellers hat das Nachlassgericht die Rückgabe der erteilten Ausfertigungen des Erbscheins angeordnet und die Entscheidung über dessen Kraftloserklärung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens zurückgestellt. In diesem Verfahren wurde der Beschwerdeführer angehört und neben dem Antragsteller in die Abstammungsuntersuchung einbezogen. Das Abstammungsgutachten bestätigte väterliche Verwandtschaft mit einem Wahrscheinlichkeitsgrad von 99%, so dass dem Feststellungsantrag stattgegeben wurde. Die Verfahrenskosten wurden zwischen dem Antragsteller und dem Beschwerdeführer gegeneinander aufgehoben. Die Beschwerde des Beschwerdeführers richtet sich gegen die Kostenentscheidung. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass er kein Verfahrensbeteiligter sei, sondern nur zur Feststellung der Abstammung des Antragstellers herangezogen worden sei.
Das OLG Celle hält die zulässige Beschwerde für unbegründet.
Die Kosten können vorliegend nur den am Verfahren Beteiligten gemäß § 81 FamFG auferlegt werden. Nach Ansicht des OLG Celle ist der Beschwerdeführer nicht nur als Auskunftsperson (§ 26 FamFG) angehört und in die Abstammungsuntersuchung einbezogen worden, sondern ist als Beteiligter nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG hinzugezogen worden. Er habe sich auch durch seinen Verfahrensbevollmächtigten am Verfahren beteiligt. Seine Hinzuziehung bedurfte keines förmlichen Beschlusses (Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl., § 7 Rn. 29). Die Verpflichtung zur Hinzuziehung als Muss-Beteiligter ergebe sich hier nicht aus der Beeinträchtigung des Erbrechts des Beschwerdeführers, weil es diesbezüglich an der Unmittelbarkeit i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG fehle, sondern daraus, dass er nach dem Tod seiner Mutter und seines Bruders W.W. als allein verbliebener nächster Angehöriger das postmortale Persönlichkeitsrecht seines Vaters im Verfahren zu wahren habe. Dazu gehöre auch dessen subjektives Recht auf Klärung seines verwandtschaftlichen Verhältnisses zum Antragsteller.

C. Kontext der Entscheidung

Die Kosten des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens können nur einem Beteiligten (teilweise) auferlegt werden. Das FamFG enthält, anders als der frühere § 55b Abs. 1 FGG, keine ausdrückliche Regelung dazu, wer an dem postmortalen Vaterschaftsfeststellungsverfahren zu beteiligen ist. § 55b Abs. 1 FGG schrieb die Beteiligung der Kinder des Verstorbenen vor.
Das OLG Celle meint zu Recht, dass die Aufzählung der Beteiligten in § 172 FamFG nicht abschließend ist (BGH, Beschl. v. 28.07.2015 – XII ZB 671/14 Rn. 18 – NJW 2015, 2888) Auch sog. Mussbeteiligte i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG sind hinzuzuziehen, wenn deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird (vgl. BT-Drs. 16/6308, S. 345). Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ergibt sich die unmittelbare Betroffenheit nicht aus der Beeinträchtigung der Erbenstellung des Beschwerdeführers (zuletzt BGH, Beschl. v. 18.01.2017 – XII ZB 544/15; BGH, Beschl. v. 28.07.2015 – XII ZB 671/14 Rn. 26 – FamRZ 2015, 1787). Sämtliche verwandtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen zum Kind stellen sich für die Ehefrau nur als Reflex ihrer Ehe mit dem Kindesvater, für andere Kinder als Reflex der eigenen Abstammung dar. Weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit noch der in Art. 6 Abs. 1 GG verbriefte Schutz der Ehe vermitteln jedoch einen Schutz vor den wirtschaftlichen Folgen der Verwandtschaft, die auf verfassungsgemäßen Normen beruhen und nicht zu verfassungswidrigen Ergebnissen führen (vgl. BGH, Beschl. v. 28.07.2015 – XII ZB 671/14 Rn. 42 – FamRZ 2015, 1787). Es genügt für die Beschwerdebefugnis nicht, dass lediglich ideelle, soziale oder wirtschaftliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden (BGH, Beschl. v. 04.06.2014 – XII ZB 353/13 Rn. 9 – FamRZ 2014, 1357). Die unmittelbare Betroffenheit leitet das OLG Celle daher aus übergegangenen Recht des verstorbenen Vaters ab (mit Hinweis auf: Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis, 2010, Rn. 255; Musielak/Borth, FamFG, 5. Aufl., § 172 Rn. 2, bzw. mit Verweis auf Schulte/Bunert/Weinreich/Schwonberg, FamFG, 5. Aufl., Rn. 36; Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., Rn. 11, jeweils zu § 172, die jeweils § 55b FGG entsprechend anwenden wollen).
Eine entsprechende Anwendung von § 55b FGG a.F. dürfte abzulehnen sein, weil der Gesetzgeber keine Nachfolgeregelung geschaffen hat und daneben u.a. auch § 1600e BGB a.F. abgeschafft hat, da das postmortale Verfahren nicht mehr zivilprozessuale Streitigkeit ist und es keines Antragsgegners mehr bedarf (vgl. BT-Drs. 16/6308, S. 345). Ob das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen durch einen Angehörigen in diesem Verfahren geschützt werden muss und wie sich aus dem Persönlichkeitsrecht ein unmittelbares Recht des Angehörigen, dass zur Mussbeteiligung führen soll, ergeben soll, erscheint fraglich.
Einerseits tritt das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen regelmäßig hinter das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung zurück (BGH, Beschl. v. 29.10.2014 – XII ZB 20/14 Rn. 31 – FamRZ 2015, 39). Andererseits ist der Schutz der Persönlichkeit des Verstorbenen gegen ideelle Beeinträchtigungen eingeschränkt. Auch hat der Erbe das postmortale Persönlichkeitsrecht im Sinne des ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen (und nicht im eigenen Interesse) zu achten (so zuletzt OLG Karlsruhe, Beschl. v. 08.03.2017 – 2 UF 180/16). Schließlich erfordert das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen nicht, dass nächste Verwandte ein Abstammungsverfahren nach seinem Tod einleiten oder fortsetzen können (BGH, Beschl. v. 28.07.2015 – XII ZB 671/14 Rn. 44 – FamRZ 2015, 1787).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die postmortale Vaterschaftsfeststellung kann gemäß § 172 FamFG ohne Beteiligung anderer Kinder eingeleitet werden. Eines Antragsgegners bedarf es nicht. Ob Angehörige zum Schutz des postmortalen Persönlichkeitsschutzes nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zu beteiligen sind, ist fraglich. Der BGH hat dies mittlerweile für eine Ehefrau eines Verstorbenen, die nach früherem Recht gemäß § 55b FGG a.F. Beteiligte gewesen wäre, verneint (BGH, Beschl. v. 18.01.2017 – XII ZB 544/15). Zur Ermöglichung der Wahrung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des verstorbenen Ehemanns als Treuhänderin bedurfte es in diesem Fall nicht der Einräumung eines Beschwerderechts.
Das OLG Celle hat die Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 FamFG zugelassen.