Nachfolgend ein Beitrag vom 21.6.2016 von Stockmann, jurisPR-FamR 13/2016 Anm. 3

Leitsatz

Zu den sich aus deutschem Namensrecht ergebenden Grenzen, wenn einem ausländischen Brauch entsprechend der Familienname des Kindesvaters zum zweiten Vornamen des Kindes bestimmt werden soll.

A. Problemstellung

Können Eltern ihrem in Deutschland lebenden Kind Vornamen entsprechend dem Brauchtum ihres ausländischen Heimatstaates erteilen?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Eine unverheiratete ghanaische Staatsangehörige, die seit Jahren dauerhaft in Deutschland lebt, brachte hier ein Kind zur Welt, dessen Vaterschaft umgehend anerkannt wurde. Die Eltern begehrten übereinstimmend, dass im Geburtsregister die Vornamen D. P. eingetragen werden und brachten vor, in Ghana sei es üblich, dass das Kind als zweiten Vornamen den Familiennamen des Vaters (P.) erhält. Standesamt und Amtsgericht haben das Begehren zurückgewiesen.
Das OLG Köln sah die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vaters als zulässig an und hat das zuständige Standesamt angewiesen, die Eintragung der Vornamen D. P. vorzunehmen.
Insbesondere sei der Vater beschwerdebefugt, da er neben der Mutter beim Amtsgericht den Antrag gestellt hatte, das Standesamt zur Eintragung des zweiten Vornamens P. anzuweisen. Der Vater sei auch materiell beschwert, denn ein Elternteil sei im Anweisungsverfahren betreffend die Eintragung des Kindesnamens unabhängig davon beschwerdeberechtigt, ob ihm das Sorgerecht zustehe.
Letztlich könne die das bisherige Verfahren beherrschende Frage, ob deutsches oder ghanaisches Namensrecht zur Anwendung gelange, dahingestellt bleiben. Denn das Begehren der Eltern sei auch bei Anwendung deutschen Namensrechts begründet. Bei der Wahl des Vornamens als Ausfluss des Sorgerechts seien die Eltern nach deutschem Recht nämlich grundsätzlich frei; sie seien insbesondere nicht an einen Kanon herkömmlicher Vornamen gebunden. Der Staat sei zwar in Wahrnehmung seines Wächteramtes verpflichtet, das Kind vor verantwortungsloser Namenswahl durch die Eltern zu schützen; für darüber hinausgehende Eingriffe in das Elternrecht auf Bestimmung des Vornamens für ihr Kind biete Art. 6 Abs. 2 GG jedoch keine Grundlage. Eine Beeinträchtigung des Kindeswohls sei dann, wenn der Familienname des Vaters als weiterer Vorname gewählt werde, grundsätzlich nicht gegeben. Eine konkrete Beeinträchtigung des Kindeswohls durch den weiteren Vornamen P. werde nicht geltend gemacht.
Somit sei innerhalb der weiten Grenzen der Vornamensgebung eine solche Wahl eines zweiten Vornamens nach deutschem Recht nicht unzulässig, mag sie auch der Tradition des deutschsprachigen Kulturkreises nicht entsprechen.

C. Kontext der Entscheidung

Wie das OLG Köln zutreffend herausstellt, hat der BGH (BGH, Beschl. v. 30.04.2008 – XII ZB 5/08 Wahl des Vornamens „Lütke“) in Fortentwicklung der Rechtsprechung des BVerfG (z.B. BVerfG, Beschl. v. 03.11.2005 – 1 BvR 691/03 Wahl des Vornamens „Anderson“) entschieden, dass auch Namen, die nur als Familiennamen gebräuchlich sind, als wählbare Vornamen in Betracht kommen. Dem Recht der Eltern zur Vornamenswahl sind allein dort Grenzen gesetzt, wo die Rechtsausübung das Kindeswohl zu beeinträchtigen droht. Eine solche Beeinträchtigung war durch den zweiten Vornamen hier offenkundig nicht zu erwarten, so dass das OLG Köln die vom Standesamt und vom Amtsgericht nicht berücksichtigte deutsche Rechtslage umsetzen konnte.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung bringt die Möglichkeiten in Erinnerung, die das deutsche Namensrecht aufgrund der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Vornamenswahl zur Verfügung stellt. Nicht nur bisher herkömmliche Familiennamen können gewählt werden, sondern auch Fantasiebezeichnungen. Begrenzt wird das insoweit freizügige Elternrecht nur dann, wenn das Wohl des Kindes durch entwürdigende Vornamen beeinträchtigt wird.
Auch hat die Rechtsprechung damit eine Umgehung des § 1617 Abs. 1 Satz 1 BGB eröffnet, wonach dann, wenn die Eltern keinen Ehenamen führen, ein aus den Familiennamen der Eltern zusammengesetzter Geburtsname des Kindes ausgeschlossen ist: Der Familienname des Elternteils, der nicht Geburtsname des Kindes wird, wird als Vorname gewählt.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Von Bedeutung sind die – hilfsweisen – Darlegungen zum Internationalen Privatrecht:
Art. 10 Abs. 1 EGBGB knüpft hinsichtlich des Namensrechts an die Staatsangehörigkeit der Person an, um deren Namen es geht, also vorliegend an die des Kindes. Dabei geht das OLG Köln gar nicht der Überlegung nach, ob das Kind vom eventuell deutschen Vater die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Abs. 1 StAG erworben hat. Denn dann hätte diese gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB gegenüber der von der Mutter vermittelten ghanaischen Staatsangehörigkeit Vorrang und man käme überhaupt nicht zu der von den Eltern gewünschten Anwendung ghanaischen Rechts. Vielmehr unterstellt das OLG Köln eine alleinige ghanaische Staatsangehörigkeit des Kindes und folgt damit der Verweisung des Art. 10 Abs. 1 EGBGB in das ghanaische Recht. Diese Verweisung führt gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB zunächst in das IPR von Ghana. Zutreffend stellt das OLG Köln fest, dass dieses vom common law des angelsächsischen Rechts bestimmt ist: Ghanaisches Sachrecht gelangt nur zur Anwendung für Personen, die dem domicile von Ghana unterliegen (vgl. Woodman/Wanitzek in: Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 34 f.). Das domicile richtet sich aber nicht nach der Staatsangehörigkeit, sondern danach, in welchem Staat die betroffene Person mit dem Willen, dort dauerhaft zu bleiben, ihren gewöhnlichen Aufenthalt nimmt und damit zum Ausdruck bringt, die Rechtsregelungen dieses Aufenthaltsstaates für sich gelten zu lassen (domicile of choice). Ein neugeborenes Kind hat nach den Prinzipien des common law das domicile seiner Eltern. Bei unverheirateten Eltern ist nach dem Recht von Ghana allein auf das domicile der Mutter abzustellen.
Da diese sich im vorliegenden Fall schon seit Jahren in dauerhafter Absicht in Deutschland niedergelassen hat, hatte sie – aus ghanaischer Sicht – das domicile of choice von Deutschland erlangt. Dies bedeutete eine Rückverweisung des ghanaischen IPR auf das deutsche Recht, so dass gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB deutsches Namensrecht anzuwenden war.
Zwar eröffnet Art. 10 Abs. 3 EGBGB für die Sorgerechtsinhaber auch die Möglichkeit einer Rechtswahl. Hiermit musste sich das OLG Köln aber nicht auseinandersetzen, da diese nur für die Bestimmung des Familien- und nicht der des Vornamens eröffnet ist.