Nachfolgend ein Beitrag vom 24.5.2016 von Adamus, jurisPR-FamR 11/2016 Anm. 3

Orientierungssätze

1. Ausgleichszahlungen zur Abfindung eines Versorgungsausgleichsanspruchs der geschiedenen Ehefrau wegen des Bestehens einer Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung sind mit den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in Zusammenhang stehende Werbungskosten, wenn die notariellen Scheidungsfolgevereinbarung die Aufteilung der betrieblichen Versorgungsanwartschaft des Steuerpflichtigen und damit eine Verringerung der diesem zufließenden Versorgungsbezüge wegen der Einkünfteverlagerung auf die geschiedene Ehefrau beinhaltet.
2. Der Werbungskostenabzug in den Fällen von Aufwendungen zur Erhaltung eigener Versorgungsansprüche nach § 19 EStG ist nach § 10 Abs. 1 EStG vorrangig gegenüber einem eventuellen Sonderausgabenabzug.

A. Problemstellung

Können Ausgleichszahlungen zur Abfindung eines Wertausgleichs bei der Scheidung (§§ 9 ff. VersAusglG) steuerlich als Werbungskosten berücksichtigt werden?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Mit notarieller Scheidungsfolgenvereinbarung vereinbarten der Kläger und seine geschiedene Ehefrau eine Ausgleichszahlung über insgesamt 35.000 Euro (20.000 Euro in 2012 und 15.000 Euro in 2013) im Gegenzug u.a. für den Verzicht auf Wertausgleich der betrieblichen Altersversorgung des Klägers. Von der Summe entfiel hierfür ein Betrag i.H.v. 12.161 Euro auf das Steuerjahr 2013. Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. In der Steuererklärung beantragte er die Ausgleichszahlungen an seine geschiedene Ehefrau als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung als Sonderausgabe im Einkommensteuerbescheid ab. Begründet wurde dies damit, dass der Rentenfall noch nicht eingetreten sei und deshalb die den Ausgleichszahlungen zugrunde liegenden Einnahmen erst später zuflössen und somit nicht bereits jetzt der Besteuerung unterlägen. Ein Sonderausgaben- als auch ein Werbungskostenabzug scheide aus (BFH, Urt. v. 15.06.2010 – X R 23/08). Den Einspruch des Klägers wies das Finanzamt als unbegründet zurück. Ein Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1b) EStG scheide aus, da die geschiedene Ehefrau die Leistungen nicht als Einkünfte nach § 22 Nr. 1c EStG versteuern müsse. Die Zahlung der Abfindung sei ein Vorgang auf der privaten Vermögensebene. Die Zahlung diene nicht zur Abwehr eines Anspruchs auf Übertragung einer Versorgungsanwartschaft, sondern zur Abwehr einer gegen das Vermögen gerichteten Geldforderung auf der Ebene der Einkommensverwendung.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem FG Münster Erfolg.
Die Ausgleichszahlung i.H.v. 12.161 Euro (2013) diene dem Erhalt der Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung und sei deshalb als mit den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in Zusammenhang stehende Werbungskosten zu berücksichtigen. Von abziehbaren Werbungskosten sei auszugehen, wenn eine Pflicht zum Ausgleich von Versorgungsanwartschaften bestehe und der Ausgleich zur Folge hätte, dass dem Inhaber des Anspruchs auf betriebliche Altersversorgung niedrigere Versorgungsbezüge i.S.d. § 19 Abs. 2 EStG zuflössen als ohne Ausgleichsverpflichtung. Entscheidend sei, ob die Ausgleichszahlung dazu diene, eine Verringerung der sonst im Scheidungsfall beim Kläger zufließenden Versorgungsbezüge zu verhindern. Ohne notarielle Vereinbarung wäre es zu einer Aufteilung der betrieblichen Versorgungsanwartschaft des Klägers, damit zu einer Verringerung seiner Versorgungsbezüge und zu einer Einkünfteverlagerung auf die geschiedene Ehefrau gekommen (vgl. BFH, Urt. v. 22.08.2012 – X R 36/09 – FamRZ 2013, 455 zum Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG). Diese Realteilung und die damit verbundene Einkünfteverlagerung auf seine geschiedene Ehefrau habe der Kläger durch die vereinbarte Ausgleichszahlung verhindert.

C. Kontext der Entscheidung

Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und – im vorliegenden Fall – Erhaltung der Einnahmen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG sind diese bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind, auch wenn die mit dem Aufwand zusammenhängenden Einnahmen noch nicht erzielt werden (BFH, Urt. v. 24.03.2011 – VI R 59/10 – FamRZ 2011, 1055). Voraussetzung für die Abziehbarkeit der Aufwendungen als Werbungskosten ist, dass sie in einem ausreichend bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart stehen: Nach diesen Maßstäben sind Ausgleichszahlungen, die ein zum Versorgungsausgleich verpflichteter Ehegatte aufgrund einer Vereinbarung an den anderen Ehegatten leistet, um Kürzungen seiner Versorgungsbezüge zu vermeiden (BFH, Urt. v. 08.03.2006 – IX R 107/00 – FamRZ 2006, 621) – ebenso wie Auffüllungszahlungen nach § 58 des BeamtenVG –, als sofort abziehbare Werbungskosten zu beurteilen. Nichts anderes gilt für Ausgleichszahlungen, die auf Grundlage einer Vereinbarung als Gegenleistung für einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich an den früheren Ehegatten gezahlt werden (BFH, Urt. v. 08.03.2006 – IX R 78/01 – NJW 2006, 1840; BFH, Urt. v. 17.06.2010 – VI R 33/08 – FamRZ 2010, 1801 Vereinbarung nach § 1587o BGB a.F.; Heuermann, DB 2006, 688). Dies ist also nach dem sog. Korrespondenzprinzip möglich, wenn eine nachgelagerte Besteuerung der durch die Abfindungsleistung begründeten bzw. erhaltenen Versorgung stattfindet.
Anders ist es im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs (BFH, Urt. v. 15.06.2010 – X R 23/08). Fließen dem Ausgleichspflichtigen auch im Scheidungsfall die ungekürzten Versorgungsbezüge zu, betrifft eine Vereinbarung, die den Versorgungsausgleich durch eine andere Regelung ersetzt, auch dann nicht den Bereich der Einkunftserzielung – in dem allein Werbungskosten anfallen könnten –, sondern den der Einkommensverwendung, wenn der Ausgleichspflichtige einen Teil der Versorgungsbezüge an den ausgleichsberechtigten Ehegatten weiterleiten muss (BFH, Urt. v. 15.06.2010 – X R 23/08 – BFH/NV 2010, 1807; FG Hamburg, Urt. v. 31.10.2013 – 3 K 80/12; FG Hamburg, Urt. v. 05.06.2015 – 6 K 32/15).
Im vorliegenden Fall wäre es ohne die Vereinbarung zu einer Aufteilung der betrieblichen Versorgungsanwartschaft des Klägers und damit zu einer Verringerung der diesem zufließenden Versorgungsbezüge und zu einer Einkünfteverlagerung auf die geschiedene Ehefrau des Klägers gekommen.
Nach der Neuregelung des Versorgungsausgleichs ist eine Versorgungsanwartschaft entweder im Wege der internen Teilung, innerhalb seines Versorgungssystems, oder im Wege der externen Teilung zwischen den Ehegatten aufzuteilen. Sowohl im Falle der internen Teilung (§ 3 Nr. 55a EStG) als auch bei externer Teilung (§ 3 Nr. 55b EStG) muss nicht mehr der Ausgleichspflichtige, sondern der Ausgleichsberechtigte die Leistungen versteuern (nachgelagerte Versteuerung). Diese Teilung und die damit verbundene Einkünfteverlagerung auf seine geschiedene Ehefrau hat der Kläger durch die in der Scheidungsfolgenvereinbarung vereinbarte Ausgleichszahlung verhindert.
Der Werbungskostenabzug in den Fällen von Aufwendungen zur Erhaltung eigener Versorgungsansprüche nach § 19 EStG ist nach § 10 Abs. 1 HS. 1 EStG auch vorrangig gegenüber einem eventuellen Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG (Schmidt/Heinicke, EStG, 32. Aufl. 2013, § 10 Rn. 67), der nur den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich i.S.v. § 20 VersAusglG betrifft.

D. Auswirkungen für die Praxis

Nach landläufiger Meinung, so auch des Finanzamts, konnten Ausgleichszahlungen nur dann im Rahmen der Werbungskosten Berücksichtigung finden, wenn eine Altersvorsorge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen betroffen war. Die Entscheidung des FG Münster ist mittlerweile rechtskräftig, da die Revision, die wegen der grundsätzlicher Bedeutung zugelassen war, nicht eingelegt wurde. Im Hinblick darauf, dass der Wertausgleich bei der Scheidung – sei es durch interne oder externe Teilung – stets dazu führt, dass der Ausgleichsberechtigte eigene Anrechte erhält und diese im Leistungsfall nach § 3 Nr. 55a/b EStG selbst versteuern müsste und eine Abfindung des Wertausgleichs stets dazu führt, dass der Ausgleichsberechtigte seine Ansprüche behält und diese dann selbst zu versteuern hat, dürfte die Entscheidung verallgemeinerungsfähig sein. Der nach den BFH-Entscheidungen erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang dürfte anzunehmen sein, wenn mit der Ausgleichszahlung eine Kürzung der eigenen Versorgung vermieden wird. Die Argumentation ist zumindest für einen Familienrechtler logisch. Für den Bereich der betrieblichen Altersvorsorge kann man sich auf das Urteil des FG Münster berufen.
Für die Beratungspraxis bedeutet dies, dass der Werbungskostenabzug im Rahmen von Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich zukünftig eine wichtigere Rolle einnehmen wird, da sich hier Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen.