Nachfolgend ein Beitrag vom 11.10.2016 von Adamus, jurisPR-FamR 21/2016 Anm. 6
Orientierungssätze
1. Ein Verfahrensbeistand, der sowohl in einer Sorgerechts- als auch in einer Umgangsrechtsangelegenheit bestellt worden ist, hat auch dann Anspruch, für beide Kindschaftssachen vergütet zu werden, wenn das Amtsgericht davon Abstand genommen hat, die Umgangsrechtssache als gesondertes Verfahren zu betreiben (vgl. BGH, Beschl. v. 01.08.2012 – XII ZB 456/11).
2. Einer besonderen Form bedarf die Bestellung nicht. Sie kann auch konkludent erfolgen (vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.11.2014 – 7 UF 1819/13).
A. Problemstellung
Kann ein Verfahrensbeistand, der in einem Sorgerechtsverfahren bestellt ist, eine weitere Vergütung für eine Umgangangelegenheit beanspruchen, wenn im Rahmen des Sorgerechtsverfahren unter Beteiligung des Verfahrensbeistandes eine Umgangsvereinbarung zustande kommt?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beschwerdeführerin ist berufsmäßig Verfahrensbeiständin. Sie wurde in einem Sorgerechtsstreit für zwei Kinder bestellt und mit den besonderen Aufgaben betraut. Die ihr hierfür zustehende Vergütung in Höhe von 1.100 Euro hat die Beschwerdeführerin erhalten. Im Rahmen der Gespräche, die die Beschwerdeführerin mit den beteiligten Kindeseltern führte, wurde deutlich, dass auch der Umgang einer Regelung bedürfe. Von der möglichen Einleitung eines Umgangsverfahrens wurde seitens des Amtsgerichts Abstand genommen. Im Anhörungstermin wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten und dem Verfahrensbeistand ausführlich erörtert, wobei sich die Erörterungen auf den Umgang erstreckten. Im Anschluss an die Erörterungen schlossen die Beteiligten einen Vergleich, der neben anderen Regelungen eine konkrete Umgangsvereinbarung enthält. Der Inhalt des Vergleichs wurde mit allen Beteiligten, auch der Beschwerdeführerin, erörtert und nach Diktat genehmigt und anschließend familiengerichtlich genehmigt. Die Beschwerdeführerin begehrt eine weitere Vergütung nach § 158 Abs. 7 FamFG für die Umgangsregelung. Den Vergütungsantrag lehnte das Amtsgericht ab, weil keine Bestellung durch richterlichen Beschluss vorliege. Ein Verfahrensbeistand müsse für einen konkreten Verfahrensgegenstand bestellt werden. Die Beschwerdeführerin meint, die tatsächliche Handlungsweise des erkennenden Gerichts habe von allen Beteiligten nur so verstanden werden können, dass der Verfahrensbeistand nunmehr auch konkludent für den Verfahrensgegenstand Umgang bestellt worden sei.
Das OLG Schleswig sieht die zulässige Beschwerde als teilweise begründet an. Es sei zutreffend, dass die pauschale Vergütung gemäß § 158 Abs. 7 FamFG für jedes Verfahren gesondert entstehe und es insoweit stets einer erneuten gerichtlichen Bestellung und der Feststellung der Berufsmäßigkeit bedürfe. Die Bestellung im Sorgerechtsverfahren habe sich daher nicht automatisch auf einen Vergütungsanspruch für die Mitwirkung an der Umgangsvereinbarung erstreckt. Es handele sich dabei um verschiedene Angelegenheiten, für die jeweils eine gesonderte Bestellung erforderlich sei. Anknüpfend an den BGH (Beschl. v. 01.08.2012 – XII ZB 456/11 – NJW 2012, 3100) sei damit aber nicht das Verfahren im förmlichen Sinne gemeint, sondern vielmehr der „Verfahrensgegenstand“. Es komme mithin für das Entstehen des Vergütungsanspruchs nicht darauf an, ob etwa die Sorgerechts- und die Umgangsrechtsangelegenheit Gegenstand zweier formal getrennter Verfahren seien. Einer besonderen Form bedürfe die Bestellung nicht, diese könne auch konkludent erfolgen. Im Anhörungstermin sei nicht nur die Regelung der elterlichen Sorge, sondern darüber hinaus auch der Umgang verfahrensgegenständlich geworden. Die konkludente Bestellung als Verfahrensbeistand beschränke sich jedoch auf den originären Wirkungskreis. Es sei nicht zum Ausdruck gekommen, dass die Bestellung auch die besonderen Aufgaben nach § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG erfassen soll. Insoweit stehe der Beschwerdeführerin lediglich eine Vergütung in Höhe von zweimal 350 Euro zu.
C. Kontext der Entscheidung
Dem OLG Schleswig ist beizupflichten, dass die Frage der Vergütung nicht davon abhängt, ob zwei förmlich getrennte Verfahren geführt werden (BGH, Beschl. v. 01.08.2012 – XII ZB 456/11 – NJW 2012, 3100); es kommt vielmehr darauf an, ob der Verfahrensbeistand für mehrere Verfahrensgegenstände bestellt wurde, die Gegenstand eines Verfahrens sein können.
Die obergerichtliche Rechtsprechung zur Bestellung eines Verfahrensbeistands in einem laufenden Verfahren wegen eines weiteren Verfahrensgegenstands ist nicht einheitlich. Zu beantworten ist zunächst die Frage, wann die Umgangsangelegenheit im Rahmen der Sorgerechtssache eigener Verfahrensgegenstand wird. Das OLG Schleswig geht ohne weiteres davon aus, dass der Umgang mit der Erörterung im Termin, dem Abschluss des Vergleichs und der familiengerichtlichen Genehmigung Verfahrensgegenstand geworden ist. Dogmatisch kann man aber auf dem Standpunkt stehen, dass ein weiterer Verfahrensgegenstand von einer Antragstellung oder Einleitung eines Verfahrens von Amts wegen abhängig ist (so OLG Dresden, Beschl. v. 27.05.2016 – 18 WF 1406/15). Im Zivilprozess gilt der zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff, der sich aus Antrag und Lebenssachverhalt zusammensetzt. In sog. unechten FGG-Verfahren, die von Amts wegen und auf Antrag eingeleitet werden können, könnte daher zumindest ein Antrag oder eine richterliche Verfügung für notwendig erachtet werden, um förmlich von einem weiteren Verfahrensgegenstand ausgehen zu können.
Des Weiteren geht das OLG Schleswig von einer konkludenten Bestellung des Verfahrensbeistands aus und bezieht sich dazu auf einen Beschluss des OLG Nürnberg (v. 25.11.2014 – 7 UF 1819/13 – FamRB 2015, 171 m. Anm. Menne, FamRB 2015, 171). Anders als im Fall des OLG Nürnberg, wo der Verfahrensbeistand nach Zustellung einer Beschwerdeschrift am Verfahren beteiligt wurde, wird hier kein konkreter Anknüpfungspunkt für die konkludente Bestellung genannt. Der konkrete Anhalt ist deshalb wichtig, weil der Verfahrensbeistand nur für die nach Bestellung ausgeübte Tätigkeit vergütet wird. Würde man auf die Genehmigung des Vergleichs abstellen, wäre es mit der Vergütung vorbei, weil danach keine Tätigkeit im Interesse der Kinder mehr ausgeübt wurde. Die Erörterungen mit den Kindern und den Eltern im Vorfeld der Anhörung liegen zeitlich vor dem möglichen Zeitpunkt der konkludenten Bestellung. Übrig bleiben somit nur, worauf auch das OLG Schleswig abstellt, die ausführlichen Erörterungen der Regelung des zukünftigen Umgangs mit allen Verfahrensbeteiligten unter Beteiligung des Verfahrensbeistands, die im Vergleichsabschluss mündeten. Die konkludente Bestellung muss daher irgendwann am Anfang der Erörterung des Umgangs stattgefunden haben. Warum dann nicht auch konkludent die Beauftragung nach § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG erfolgt sein soll, und zwar durch die Gespräche mit den Kindeseltern und die Mitwirkung an einer einvernehmlichen Regelung, erschließt sich dann nicht, weil im Anhörungstermin die Gespräche fortgesetzt wurden und in einer einvernehmlichen Regelung mündeten.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung des OLG Schleswig wird berufsmäßig tätige Verfahrensbeistände erfreuen; ob diese sich in der Rechtsprechung durchsetzen wird, erscheint fraglich. Das Gericht soll in Kindschaftssachen in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinwirken (§ 156 FamFG). Dies führt in den Anhörungen allzu oft dazu, dass alle möglichen Dinge erörtert werden und Vereinbarungen, über den ursprünglichen Verfahrensgegenstand hinaus, geschlossen werden. Ob deshalb mehrere Verfahrensgegenstände im Sinne der Vergütungsvorschrift vorliegen, ist fraglich. In den bisher vom BGH entschiedenen Fällen doppelter Vergütung handelte es sich stets um zwei förmliche Parallelverfahren (BGH, Beschl. v. 01.08.2012 – XII ZB 456/11 – FamRZ 2012, 1630, 1631 Sorgerecht/Umgangsrecht; BGH, Beschl. v. 19.01.2011 – XII ZB 486/10 – FamRZ 2011, 467 Sorgerecht/Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung; BGH, Beschl. v. 17.11.2010 – XII ZB 478/10 – FamRZ 2011, 199 Hauptsacheverfahren/einstweiliges Verfahren; so auch OLG Dresden, Beschl. v. 27.05.2016 – 18 WF 1406/15). Ob das Absehen von der Einleitung eines Verfahrens ausreichend sein kann, ist obergerichtlich bisher nicht angesprochen worden.
Problematisch ist zudem der Zeitpunkt, zu dem der Verfahrensbestand konkludent bestellt worden sein könnte. Zu fordern ist zumindest eine eindeutige Geste des Gerichts, die im Protokoll sichtbar wird und mit der zum Ausdruck kommt, dass sich die Bestellung nunmehr auf einen weiteren „Verfahrensgegenstand“ erstrecken soll. Am besten durch einen Beschluss. Verfahrensbeistände haben es in der Hand, das Gericht darauf hinzuweisen, dass ihre Tätigkeit von der ursprünglichen Bestellung abweicht bzw. hinausgeht und das Gericht hat es in der Hand, dem Verfahrensbeistand die für seinen Einsatz angemessene Vergütung zukommen zu lassen.