Nachfolgend ein Beitrag vom 30.1.2018 von Adamus, jurisPR-FamR 2/2018 Anm. 3
Leitsatz
Verzichten Eheleute in einem während einer Ehekrise geschlossenen notariellen Ehevertrag mit Blick auf ihre demnächst aufzulösende häusliche Gemeinschaft und eine etwaige Scheidung auf ihre „gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechte am dereinstigen Nachlass“ des Erstversterbenden und bestimmen sie, dass die getroffenen Vereinbarungen mit dieser Maßgabe sowohl die Zeit in der sie in Zukunft „getrennt leben sollten“, als auch den Fall der Ehescheidung regeln, so greift der in der Urkunde erklärte Erbverzicht nicht, wenn sich die Eheleute erst scheiden lassen und sodann erneut heiraten.
A. Problemstellung
Bleibt ein Erbverzicht, der in der Ehekrise und für den Fall der Scheidung vereinbart wurde, auch nach erneuter Heirat der Eheleute wirksam?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beteiligte zu 1) ist die Witwe des Erblassers, die Beteiligte zu 2) ist eine seiner beiden Töchter. Der Erblasser heiratete die Beteiligte zu 1) erstmals 1974. Als die Ehe in die Krise kam, schlossen diese 1999 einen Ehevertrag. In diesem trafen die Eheleute Vereinbarungen für die Zeit der Trennung und für den Fall der Ehescheidung. Sie verzichteten hierin auf ihre „gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechte am dereinstigen Nachlass“ des Erstversterbenden. Ende 2009 heirateten die Eheleute erneut. Die Beteiligen zu 1) und zu 2) beantragten auf gesetzlicher Grundlage einen Erbschein. Das Amtsgericht wies den Antrag aufgrund des Erbverzichts zurück.
Das OLG Düsseldorf hat die Beschwerde als zulässig und begründet angesehen.
Der im notariellen Vertrag von 1999 enthaltene Erbverzicht stehe der Erteilung des Erbscheins nicht entgegen. Die Eheleute hätten den Vertrag nur für die Zeit des Getrenntlebens und der Ehescheidung getroffen. Das gelte auch für den Erbverzicht, der sich nur auf die damals bestehende Ehe beziehen konnte und nicht greife, wenn sich die Eheleute erst scheiden ließen und dann erneut heirateten. Durch die zweite Ehe wurden die Erbansprüche der Beteiligten zu 1) wieder begründet.
C. Kontext der Entscheidung
Das OLG Düsseldorf grenzt den Fall zu Recht von dem Fall des BGH (Urt. v. 04.11.1998 – IV ZR 327/97 – NJW 1999, 789) ab, in dem es um einen Erbverzicht des Sohnes gegenüber seiner Mutter bzw. die Aufhebung des Verzichts wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ging. Hier hatte der BGH eine Aufhebung des Verzichts aus Gründen der Rechtssicherheit abgelehnt. Die Erbfolge muss mit dem Tod des Erblassers auf einer festen Grundlage stehen und darf grundsätzlich nicht noch nach beliebig langer Zeit wieder umgestoßen werden können. Die rechtsgeschäftliche Rückabwicklung des Verzichts entsprechend § 2351 BGB wäre nach dem Tod der Erblasserin auch nicht mehr möglich gewesen, so dass das Ziel der Rückabwicklung des Verzichtsvertrages wegen Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage erst nach Eintritt des Erbfalls nicht erfolgen könne.
Im vorliegenden Fall ist Geschäftsgrundlage für den Erbverzicht nach dem notariellen Vertrag die Trennung und die erwogene Scheidung der Eheleute. Die erneute Heirat haben die Beteiligten nicht im Blick gehabt. Ein abstrakter „personenbezogener“ Erbverzicht, losgelöst von einer Causa war nicht vereinbart, so dass die Geschäftsgrundlage schon nicht berührt, geschweige denn beseitigt werden müsste. Mit der zweiten Heirat entstand das Erbrecht wieder neu, ebenso als wenn ein anderer Ehepartner geheiratet worden wäre.
D. Auswirkungen für die Praxis
Verzichten Eheleute in einem während einer Ehekrise geschlossenen notariellen Ehevertrag mit Blick auf ihre demnächst aufzulösende häusliche Gemeinschaft und eine etwaige Scheidung auf ihre „gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechte“ und bestimmen damit ausdrücklich, dass die getroffenen Vereinbarungen mit dieser Maßgabe sowohl die Zeit in der sie in Zukunft „getrennt leben sollten“, als auch den Fall der Ehescheidung regeln, so greift der in der Urkunde erklärte Erbverzicht nicht, wenn sich die Eheleute erst scheiden lassen und sodann erneut heiraten.