Nachfolgend ein Beitrag vom 6.12.2017 von Henn, jurisPR-FamR 24/2017 Anm. 3

Orientierungssätze

1. Gemäß § 1685 Abs. 1 BGB haben Großeltern ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient. Bei der somit notwendigen Kindeswohlprüfung ist § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB eine wichtige Auslegungsregel. Danach gehört zum Kindeswohl in der Regel der Umgang mit solchen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt; bei unüberbrückbaren Zerwürfnis oder empfindlichen Störungen der Beziehung zwischen Eltern und Großeltern dient der Umgang des Kindes mit den Großeltern in der Regel nicht dem Kindeswohl, denn in solchen Fällen ist regelmäßig ein starker Loyalitätskonflikt des Kindes zu befürchten. Dies bedarf einer Einzelfallprüfung (Festhaltung OLG Brandenburg, Urt. v. 17.05.2010 – 10 UF 10/10 – FamRZ 2010, 1991).
2. Das Begehren der Großmutter von Umgangskontakt zu ihren Enkeln schon vor Durchführung eines Anhörungstermins als nicht hinreichend erfolgversprechend anzusehen und Verfahrenskostenhilfe deshalb zu versagen, ist nicht gerechtfertigt, wenn das Ausmaß der Spannungen zwischen der sorgeberechtigten Mutter und der Großmutter näherer Feststellungen bedarf, bevor eine Aussage darüber möglich ist, inwieweit diese Spannungen einem Umgang der Großmutter mit den Enkelkindern entgegenstehen.
3. Gemäß § 1685 Abs. 2 Satz 1 BGB haben auch enge Bezugspersonen des Kindes ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient, sofern diese Bezugspersonen für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben (sozial-familiäre Beziehung). Hierfür kommt auch der Lebensgefährte der Großmutter in Betracht.
4. Eine Unterbrechung des Kontakts steht einer Umgangsberechtigung nicht zwingend entgegen

A. Problemstellung

Trotz erheblichen Streitpunkten zwischen der Großmutter und der Kindesmutter beantragten die Großmutter sowie deren Lebensgefährte Umgang mit ihren Enkelkindern sowie die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Zu Recht?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Das Amtsgericht hatte den Antragstellern die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe versagt. Das Amtsgericht ging dabei von fehlenden Erfolgsaussichten hinsichtlich der Umgangsbegehren mit den Enkelkindern und zudem von einer Mutwilligkeit aus.
Das OLG Brandenburg hat auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller den versagenden Beschluss aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Es konstatierte, dass sich das Recht einer Großmutter auf Umgang zu den Enkelkindern grundsätzlich aus § 1685 Abs. 1 BGB ergibt, wenn die Umgangskontakte zwischen Großeltern und Enkeln kindeswohldienlich sind. Insofern sei zur Prüfung des Kindeswohls auf § 1626 Abs. 3 BGB abzustellen, wonach auch der Umgang mit solchen Personen, zu denen das Kind starke Bindungen besitze, in der Regel zum Kindeswohl gehöre. Bei unüberbrückbaren Streitpunkten zwischen Großeltern und Kindeseltern oder Störungen in der Beziehung zwischen Groß- und Kindeseltern müsse allerdings nach der derzeitigen herrschenden Rechtsprechung davon ausgegangen werden, dass das Kind in erhebliche Loyalitätskonflikte gebracht würde, würde man in solchen Konstellationen den Großeltern ein Umgangsrecht einräumen (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.05.2010 – 10 UF 10/10). Da dies jedoch stets eine konkrete Prüfung im Einzelfall voraussetze, habe das Gericht von Amts wegen gemäß § 26 FamFG die entscheidungserheblichen Tatsachen durch entsprechende eigene Ermittlungen festzustellen, also einen Anhörungstermin anzuberaumen, das konkrete Ausmaß der Spannungen zwischen Groß- und Kindeseltern festzustellen, etwaige Zustimmungen der anderen Elternteile abzufragen etc. In dem zugrunde liegenden Fall kam entscheidend hinzu, dass sich die Kindesmutter in ihren Schriftsätzen nicht einmal generell gegen Umgangskontakte zwischen Großeltern und Kindern wandte und eines der Kinder fremduntergebracht war. Im letzteren Fall sei zu berücksichtigen, dass die Loyalitätskonflikte, in die das Kind durch Umgangskontakte gebracht werden könnte, geringer ausfielen, als wenn es ständig von der Kindesmutter betreut worden wäre.
Auch dem Lebensgefährten der Großmutter stehe hier grundsätzlich ein Umgangsrecht mit den Enkelkindern zu, da nach § 1685 Abs. 2 Satz 1 BGB auch enge Bezugspersonen des Kindes ein Recht auf Umgang mit dem Kind hätten, wenn eine sog. sozial-familiäre Beziehung vorliege. Es könne nach Ansicht des OLG Brandenburg dabei nicht darauf ankommen, wann der letzte Umgangskontakt stattgefunden hat, da eine Unterbrechung der Umgangsberechtigung nicht zwangsläufig entgegensteht. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 1685 Abs. 2 BGB, der explizit davon spreche, dass die sozial-familiäre Beziehung auch dann vorliege, wenn eine Bezugsperson für das Kind die Verantwortung getragen habe, sie also nicht noch zwangsläufig tragen müsse (vgl. auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 05.06.2014 – 10 UF 47/14). Die Übernahme tatsächlicher Verantwortung sei in der Regel anzunehmen, wenn die Person mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt habe. Ob hiervon auch nur Wochenendkontakte umfasst seien, sei bislang nicht abschließend geklärt (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 09.11.2010 – II-2 WF 201/10 einerseits und OLG Koblenz, Beschl. v. 17.09.2008 – 7 UF 237/08 andererseits).

C. Kontext der Entscheidung

Gemäß § 1685 BGB können Großeltern und besondere Bezugspersonen von Kindern Umgangskontakte mit dem Kind begehren, wenn dies dem Kindeswohl dienlich ist. Es ist insofern zu beachten, dass es keine Grundsätze gibt, nach denen der Umgang von Kindern mit den Großeltern stets kindeswohlförderlich ist. Insbesondere ist nach der herrschenden Rechtsprechung erforderlich, dass zwischen Kind und den Umgangsbegehrenden schon eine stabile Bindung besteht und diese nicht erst aufgebaut werden müsste oder das Umgangsbegehren lediglich auf den Verwandtenstatus gestützt wird.
Jedoch wird – zu Recht – davon ausgegangen, dass das Kind in erhebliche Loyalitätskonflikte gebracht werden kann, wenn sich Elternteile und Großeltern nicht mehr verstehen und die Streitigkeiten sich in den Umgangskontakten fortsetzen würden. Da diese Loyalitätskonflikte nicht förderlich für das Kindeswohl sind, sind in solchen Konstellationen die Umgangsbegehren meist abzuweisen. Allerdings bedarf dies stets der konkreten Prüfung des Einzelfalls durch das angerufene Gericht, durch die es entscheidungserhebliche Tatsachen feststellen kann.

D. Auswirkungen für die Praxis

Das Elternteil, welches sich gegen einen Umgang zwischen Kind und Großeltern ausspricht, ist gehalten, substantiiert darzulegen bzw. darlegen zu lassen, aus welchen Gründen es zu den „unüberbrückbaren Differenzen“ zwischen Eltern und Großeltern gekommen ist und weshalb es daher nicht im Interesse des Kindes ist, Umgang zu den Großeltern auszuüben. Die Großeltern hingegen müssen ebenso substantiiert vortragen, weshalb ein Umgang zu ihnen trotz der Zerwürfnisse für das Wohl und die Entwicklung des Kindes förderlich ist. Entscheidend ist daher einzig und allein das Wohl des Kindes, nicht die Wünsche und der Willen der Antragsteller und Antragsgegner. Es ist daher nicht empfehlenswert, aus Sicht der Großeltern den Umgang mit dem Kind um jeden Preis zu erzwingen. Dies trägt sicherlich nicht dazu bei, dass Streitigkeiten zwischen Großeltern und dem jeweiligen Elternteil geringer werden. Darüber hinaus ist es schlichtweg kaum möglich, eine Manipulation durch die Eltern, welche von Großeltern in den Verfahren immer wieder befürchtet wird, nachweisen zu können.
Überdies gestalten sich die Umgangskontakte zu Großeltern insbesondere in den Fällen, in denen das Kind schon voneinander getrennt lebende Eltern hat und die Großeltern sich mit beiden Elternteilen nicht mehr verstehen, als besonders schwierig, da sie in der Praxis häufig nicht umsetzbar sind. Insofern ist zu bedenken, dass das Kind aller Voraussicht nach an mindestens zwei Wochenenden schon Umgang zum umgangsberechtigten Elternteil hat und die anderen Wochenenden auch verplant sind. Unter der Woche sind schulische und Freizeitaktivitäten zu berücksichtigen, sodass insbesondere bei Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter im Vorfeld zu überlegen ist, ob ein angemessener Umgangskontakt überhaupt zustande kommen kann.
Oft ist es ratsamer, dass in solchen Konfliktfällen zunächst versucht wird, das Verhältnis der Eltern und Großeltern zu verbessern und Streitigkeiten hintenanzustellen, da so die Gefahr, dass Kinder in Loyalitätskonflikte geraten könnten, selbstredend verringert würde.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Das Gericht I. Instanz hat vorliegend bereits im Rahmen des Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahrens angenommen, dass die Erfolgsaussichten für die Begehren der Antragsteller nicht ausreichend sowie deren Anträge mutwillig seien. Insofern hat das Amtsgericht offensichtlich verkannt, dass im Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren lediglich eine summarische Prüfung vorzunehmen ist und das Umgangsverfahren ein sog. Amtsverfahren ist. Dies bedeutet, dass das entscheidende Gericht eigene Feststellungen treffen muss, die es zur Entscheidungsfindung heranzieht. Vorliegend hat das Gericht lediglich auf die bislang eingereichten Schriftsätze abgestellt und daher angenommen, dass das Zerwürfnis zwischen den Beteiligten so groß sei, dass es dem Kindeswohl nicht dienen könne. Bei der gebotenen summarischen Prüfung kann jedoch angenommen werden, dass Großeltern und weitere Verwandte bzw. enge Bezugspersonen ein Umgangsrecht haben, wenn bereits eine irgendwie geartete Bindung zwischen Kind und Umgangsbegehrenden besteht. Auch dass eine Rechtsfrage noch nicht abschließend geklärt ist, wie vorliegend die Frage, ob Wochenendkontakte ausreichen, um eine sozial-familiäre Beziehung i.S.d. § 1685 Abs. 2 BGB anzunehmen, darf im Rahmen des Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahrens nicht zulasten eines Antragstellers reichen (vgl. BGH, Beschl. v. 07.03.2012 – XII ZB 391/10).
Darüber hinaus hat das Amtsgericht den Mutwillen der Anträge mit den zu erwartenden Verfahrenskosten, sollte ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen, begründet. Dies allein rechtfertigt jedoch die Annahme des Mutwillens nicht, liegt dieser nach der Legaldefinition des § 114 Abs. 2 ZPO nur vor, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Vorliegend hatten die Antragsteller vergeblich versucht, eine außergerichtliche Einigung herbeizuführen, weshalb die gerichtliche Inanspruchnahme aufgrund der bestehenden Erfolgsaussichten auch nicht als mutwillig anzusehen war.

Umgangsrecht der Großmutter und ihres Lebensgefährten mit den Enkelkindern
Denise HübenthalRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Familienrecht
  • Fachanwältin für Erbrecht
  • Wirtschaftsmediatorin (MuCDR)

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