Nachfolgend ein Beitrag vom 15.8.2017 von Götsche, jurisPR-FamR 16/2017 Anm. 4

Orientierungssatz

Der Verzicht eines Ehegatten auf einen höheren Zugewinnausgleichsanspruch im Rahmen der ehevertraglichen Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft kann eine freigiebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an den anderen Ehepartner sein.

A. Problemstellung

Stellt der ehevertragliche Verzicht eines Ehegatten auf die Auszahlung eines höheren Zugewinnausgleichsanspruchs eine freigebige Zuwendung des anderen Ehegatten im Sinne des ErbStG dar? Inwieweit sind dabei auch Vereinbarungen der Eheleute zur Höhe ihres Anfangs- und Endvermögens zu berücksichtigen?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Mit notariellem Ehevertrag vereinbarten die zuvor im gesetzlichen Güterstand lebenden Eheleute die Gütertrennung. Innerhalb des Vertrages war die Höhe ihrer jeweiligen Anfangs- und Endvermögen sowie die sich daraus ergebende Zugewinnausgleichsforderung i.H.v. rd. 6 Mio. Euro der Ehefrau niedergelegt. Wegen der unternehmerischen Risiken auf Seiten des Ehemanns vereinbarten die Eheleute aber eine geringere Ausgleichszahlung von rd. 3,8 Mio. Euro.
Das Finanzamt hatte zuletzt Schenkungsteuer i.H.v. rd. 6,5 Mio. Euro festgesetzt, dabei den Wert des Betriebsvermögens mit ca. 55 Mio. Euro und als Steuerwert den Differenzbetrag zwischen dem daraus folgenden Zugewinn und der tatsächlich vereinbarten Ausgleichszahlung angesetzt. Hiergegen richtete sich die Klage des Ehemanns vor dem Finanzgericht. Er macht geltend, dass weder der objektive Tatbestand einer Schenkung vorliege noch subjektiv eine solche gewollt war.
Das FG Kassel hat der Klage nur teilweise stattgegeben.
Wenn ein Ehegatte auf die Auszahlung des Differenzbetrages zwischen dem sich aus der güterrechtlichen Vereinbarung ergebenden Ausgleichsbetrag und dem tatsächlich gezahlten niedrigen Betrag verzichte, stelle dies eine freigebige Zuwendung zugunsten des Ausgleichsverpflichteten dar. Soweit das Finanzamt aber zur Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs den Wert des Betriebsvermögens ermittelte, sei dies unzutreffend. Wenn die Ehegatten durch Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft im Rahmen der zivilrechtlichen Regelungen den Umfang der Nichtsteuerbarkeit beeinflussen könnten, sei dies unmittelbarer Ausfluss des dispositiven Zivilrechts und daher auch im Steuerrecht beachtlich. Die Schenkungsteuer sei daher allein an der Differenz zwischen den vereinbarungsgemäß errechneten Ausgleichsanspruch von rd. 6,5 Mio. Euro und der weiter vereinbarten geringeren Ausgleichszahlung von 3,8 Mio. Euro (d.h. an 2,2 Mio. Euro) zu bemessen.

C. Kontext der Entscheidung

Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Der Gegenstand der Schenkung richtet sich nach § 516 BGB. Auszugehen ist danach vom Willen des Zuwendenden, d.h. davon, was dem Bedachten nach dem Willen des Schenkers geschenkt sein soll (vgl. BFH, Urt. v. 10.11.2004 – II R 44/02 – BFHE 207, 360 m.w.N.).
Nach § 5 Abs. 2 ErbStG gehört die Zugewinnausgleichsforderung eines Ehegatten gegen den anderen (§ 1378 BGB) nicht zum schenkungsteuerpflichtigen Erwerb i.S.d. §§ 3 bis 7 ErbStG, weil sie kraft Gesetzes entsteht (BFH, Urt. v. 12.07.2005 – II R 29/02 – BFHE 210, 470). Dies gilt auch bei ratenweiser Zahlung (Heimann in: Nomos Kommentar BGB, 3. Aufl. 2014, Anhang zu §§ 1408 ff. Rn. 7). Ob der Ausgleichsanspruch Folge der Scheidung der Eheleute oder einer ehevertraglich vereinbarten Gütertrennung ist, spielt ebenfalls keine Rolle. Dies gilt selbst dann, wenn der Güterstand der Zugewinngemeinschaft tatsächlich beendet und anschließend die Zugewinngemeinschaft neu begründet wird (sog. Güterstandsschaukel, vgl. bereits BGH, Urt. v. 01.04.1998 – XII ZR 278/96 – NJW 1998, 1857).
Allerdings können die Ehegatten zivilrechtlich wirksam (§ 1408 Abs. 1 BGB) die Höhe ihrer jeweiligen Anfangs- und Endvermögen oder auch den jeweiligen Bewertungsstichtag vereinbaren und daher die sich daraus ergebende Zugewinnausgleichsforderung der Höhe nach beeinflussen. Die zivilrechtliche Freiheit der Eheleute zur ehevertraglichen Modifikation ist auch ins Erbschaftsteuerrecht zu übernehmen. Die daraus sich ergebende Ausgleichsforderung ist schenkungsteuerrechtlich nicht zu erfassen (Götz in: Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 2. Aufl., § 5 Rn. 18).
Steuerliche Auswirkungen hat die Beendigung des gesetzlichen Güterstandes also an sich nicht. Anderes gilt, wenn die Eheleute eine entstandene Zugewinnausgleichsforderung durch Vereinbarung erhöhen oder ermäßigen. Beides stellt eine freiwillige, im Umfange des Differenzbetrages schenkungsteuerrechtlich zu erfassende Zuwendung (bei der Erhöhung eine solche des Ausgleichspflichtigen, bei der Ermäßigung eine solche des Ausgleichsberechtigten) dar, wie das FG Kassel zutreffend ausgeführt hat.

D. Auswirkungen für die Praxis

Für Ehegatten besteht im Schenkungsteuerrecht ein Freibetrag von 500.000 Euro, § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Deshalb wird in den meisten Fällen ein Teilverzicht auf die Zugewinnausgleichsforderung oder auch deren Erhöhung schenkungsteuerrechtlich unbeachtlich sein. Bei höheren Werten sollte darauf geachtet werden, dass von vornherein gar nicht erst ein Verzicht bzw. eine Erhöhung der Ausgleichsforderung ausdrücklich vereinbart wird. Dies war auch das Problem des vorliegenden Falls: Hätten die Ehegatten einen auszugleichenden Zugewinn in einer Höhe vereinbart, welche der von dem einen Ehepartner an den anderen gezahlten Summe entsprochen hätte, wäre die Frage des Verzichts der Ehefrau auf den ihr zustehenden Zugewinn vermutlich nicht aufgetaucht, denn die Festlegung der Höhe des entstandenen Zugewinns obliegt den Ehepartnern (§ 1378 BGB; vgl. auch Dr. Brenne, EFG 2017, 871).
Bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies: Hätten die Eheleute ihr Anfangs-/Endvermögen vereinbarungsgemäß so bewertet, dass die Differenz 7,6 Mio. Euro und daher die Ausgleichsforderung die Hälfte (= die gewollten 3,8 Mio. Euro) betragen hätte, wäre der Vorgang schenkungsteuerlich nicht zu erfassen gewesen.
Zu beachten bleibt, dass auch Vereinbarungen bei Eingehung der Ehe oder im weiteren Verlauf der noch intakten Ehe dem Schenkungsteuerrecht unterfallen können. Dies gilt dann, wenn bei fortbestehender Zugewinngemeinschaft der sich bis dahin ergebende Zugewinn durch tatsächliche Übertragung von Vermögenswerten ausgeglichen wird (BFH, Urt. v. 24.08.2005 – II R 28/02 – FamRZ 2006, 1670). Der (unentgeltliche) Verzicht würde in einem solchen Fall dagegen nach § 7 Abs. 3 ErbStG nicht zu berücksichtigen sein (BFH, Urt. v. 28.06.2007 – II R 12/06 – NJW 2008, 111).