Nachfolgend ein Beitrag vom 16.2.2016 von Götsche, jurisPR-FamR 4/2016 Anm. 3
Leitsatz
Ein gegenüber einem minderjährigen, unverheirateten Kind zum Barunterhalt verpflichteter Unterhaltsschuldner, der einen über das „übliche“ Maß hinausgehenden, erweiterten Umgang mit dem Kind wahrnimmt, ist unterhaltsrechtlich nicht berechtigt, aus diesem Grund seine Erwerbstätigkeit zu reduzieren und nur noch einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen, wenn dies dazu führt, dass er weniger als 100% des Mindestunterhalts leisten kann.
A. Problemstellung
Will der umgangsberechtigte Elternteil seinen Umgang wahrnehmen oder sogar erweitern, kann dies zeitlich mit der von ihm ausgeübten Erwerbstätigkeit kollidieren. Inwieweit ist der Elternteil dann aus unterhaltsrechtlicher Sicht berechtigt, seine Erwerbstätigkeit und damit auch seine Leistungsfähigkeit einzuschränken?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Antragsgegner betreut seine Kinder in erheblichen Umfang und beteiligt sich auch an zahlreichen anfallenden Kosten wie etwa für Schulveranstaltungen. An den von ihm übernommenen Betreuungstagen hat er bei Ende des Kindergartens bzw. der Schule die Kinder zur Ausübung des Umganges abgeholt. Ein Wechselmodell lag aber nicht vor.
Ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen hat der seinen Kindern zudem Unterhalt schuldende Antragsgegner Nettoeinkünfte i.H.v. knapp über 1.800 Euro/Netto erzielt. Sodann hat er seine Erwerbstätigkeit eingeschränkt, um seinen sehr weiten Umgangsrechten mit den Kindern nachkommen zu können; dadurch hat sich sein Einkommen auf 1.700 Euro/Brutto ermäßigt und er wäre nicht mehr für den Mindestunterhalt leistungsfähig.
Das KG hat dies als Verstoß gegen die den Vater treffende gesteigerte Erwerbsobliegenheit gewertet und ihm das zuvor erzielte volle Erwerbseinkommen weiter fiktiv angerechnet.
Ein gegenüber einem minderjährigen, unverheirateten Kind zum Barunterhalt verpflichteter Unterhaltsschuldner, der einen über das „übliche“ Maß hinausgehenden, erweiterten Umgang mit dem Kind wahrnimmt, sei unterhaltsrechtlich nicht berechtigt, aus diesem Grund seine Erwerbstätigkeit zu reduzieren und nur noch einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen, wenn dies dazu führt, dass er weniger als 100% des Mindestunterhalts leisten kann.
C. Kontext der Entscheidung
Der BGH hat wiederholt (BGH, Beschl. v. 12.03.2014 – XII ZB 234/13 – FamRZ 2014, 917; BGH, Beschl. v. 05.11.2014 – XII ZB 599/13 – FamRZ 2015, 236; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.04.2013 – 2 UF 394/12 – FamRZ 2014, 46) darauf hingewiesen, dass bei einem erweiterten Umgang lediglich eine Herabstufung in der „Düsseldorfer Tabelle“ bis hinunter zum Mindestunterhalt vorgenommen werden kann. Eine weitergehende Herabstufung auf Unterhaltsbeträge unterhalb des Mindestunterhalts kommt nach der Rechtsprechung nicht in Betracht; das gilt insbesondere auch dann, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil einen erweiterten Umgang wahrnimmt. Das im Mindestunterhalt sich wiederfindende Existenzminimum des Kindes genießt also Vorrang vor einem weiten Umgang.
Besondere Kosten des – im normalen Umfang ausgeübten – Umgangsrechts (z.B. erhöhte Fahrtkosten) können ebenfalls unterhaltsrechtliche Bedeutung haben (dazu ausführlich Viefhues, jM 2014, 442). Dazu müssen die einzelnen Kostenpositionen detailliert und nachvollziehbar dargelegt werden, zudem müssen auch Ausführungen zu der finanziellen Situation des Umgangsberechtigten gemacht werden (OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.11.2009 – 13 UF 58/09 – FuR 2010, 109; Viefhues in: jurisPK-BGB, § 1610 Rn. 182). Das Gericht kann diese Kosten aufgrund des vorgetragenen Sachverhaltes ggf. gemäß § 287 ZPO schätzen. Die Darlegungs- und Beweislast für die anfallenden Kosten trifft den Unterhaltsverpflichteten. Berücksichtigungsfähig sind aber nur solche Kosten, deren Ansatz und Erstattung unter den gegebenen Umständen angemessen ist (BGH, Urt. v. 23.02.2005 – XII ZR 56/02 – NJW 2005, 1493; OLG Dresden, Beschl. v. 29.10.2015 – 20 UF 851/15, 20 UF 0851/15 – MDR 2015, 1368). Mit einer dem Kind geschuldeten Betreuung sind üblicherweise Naturalleistungen (z.B. Eintrittsgelder; Fahrten zum Kindergarten, zur Schule und zu Sportveranstaltungen etc.) verbunden, bei denen von dem betreuenden Elternteil nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) erwartet werden kann, für sie aufgrund der übernommenen Betreuungsverantwortlichkeit allein aufzukommen (BGH, Urt. v. 27.05.2009 – XII ZR 78/08 – FamRZ 2009, 1300; BGH, Urt. v. 23.02.2005 – XII ZR 56/02 – FamRZ 2005, 706; OLG Dresden, Beschl. v. 29.10.2015 – 20 UF 851/15, 20 UF 0851/15 – MDR 2015, 1368).
Nicht konkret hervor geht aus der Entscheidung des KG, was unter einem „normalen“ und was unter einem „erweiterten“ Umgang zu verstehen ist. Üblicherweise dürfte von einem normalen Umgang zu sprechen sein, wenn der Elternteil maximal jedes zweites Wochenende von Freitag bis Sonntag Umgang hat und zudem an Feiertagen bzw. in Ferienzeiten (bis etwa zur Hälfte dieser Tage/Zeiten) Umgang stattfindet.
D. Auswirkungen für die Praxis
Ein unterhaltspflichtiger Elternteil sollte stets konkret zum Umfang der Umgänge und den dabei anfallenden Kosten vortragen. Nur dann besteht für ihn die Möglichkeit, entweder die Umgangskosten einkommensmindernd geltend zu machen oder eine Herabstufung in der Unterhaltstabelle zu erreichen.