Nachfolgend ein Beitrag vom 9.5.2017 von Götsche, jurisPR-FamR 9/2017 Anm. 3

Leitsatz

Der Träger der Sozialhilfe ist nicht berechtigt, eine Abänderung einer Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nach dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht zu beantragen, die ausschließlich auf eine Neubewertung eines Anrechts einer privatrechtlichen betrieblichen Altersversorgung gestützt wird.

A. Problemstellung

Ein geschiedener Ehegatte erhält aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich Altersrenten. Gleichzeitig bezieht er Sozialhilfe. Inwieweit ist der Träger der Sozialhilfe antragsbefugt nach § 51 VersAusglG hinsichtlich des durchgeführten Versorgungsausgleichs, wenn die Änderung des Versorgungsausgleichs bewirken würde, dass sich die Renten des Sozialhilfeempfängers erhöhen und seine sozialrechtliche Bedürftigkeit dadurch vermindern würde?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Bei Scheidung seiner Ehe 1990 wurden dem Antragsgegner im Versorgungsausgleich monatliche Rentenanwartschaften teilweise aus der gesetzlichen Rentenversicherung (im Folgenden: DRV) und teilweise aus der Zusatzversorgung der bayerischen Gemeinden (im Folgenden: ZVK) gekürzt und zugunsten seiner Ehefrau in deren gesetzlichen Rentenversicherung übertragen.
Mittlerweile erhält die geschiedene Ehefrau Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach dem SGB XII. Sie leistet dafür einen monatlichen Aufwendungsersatz aus von ihr bezogenen Renten. Der Träger der Sozialleistungen (im Folgenden: Antragsteller) hat einen Antrag auf „Neuberechnung des Versorgungsausgleichs“ gestellt, gestützt auf eine abweichende Bewertung des Anrechts des Antragsgegners bei der ZVK. Amts- und Oberlandesgericht hatten dem Antrag den Erfolg versagt.
Der mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde des Antragstellers befasste BGH hat die Antragszurückweisung bestätigt.
Der Sozialhilfeträger gehöre nicht zum Kreis der zur Abänderung des Versorgungsausgleichs nach § 52 Abs. 1 VersAusglG, § 226 Abs. 1 FamFG antragsbefugten Personen und Versorgungsträger. Diese Befugnis folge auch nicht aus § 95 SGB XII, weil privatrechtliche betriebliche Altersversorgungen – zu denen auch die ZVK zähle – nicht unter den Begriff der Sozialleistungen im Sinne der Norm fallen. Auch der Umstand, dass die Geschiedene durch den Versorgungsausgleich Anrechte bei der DRV und somit vorrangige Sozialleistungen i.S.v. § 95 SGB XII erhalten habe, begründe jedenfalls dann keine Antragsberechtigung des Sozialhilfeträgers, wenn die Abänderung im Ergebnis dazu führe, dass diese Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung teilweise durch Anrechte einer privatrechtlichen betrieblichen Altersversorgung ersetzt werden.

C. Kontext der Entscheidung

Nach § 95 SGB XII kann ein erstattungsberechtigter Sozialhilfeträger die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen. Im Grundsatz berechtigt ihn dies auch, Änderungsverfahren im Versorgungsausgleich zu beantragen, wenn sich dies zugunsten des Sozialhilfeempfängers auswirken würde. Dadurch darf jedoch nicht (auch) in Anrechte der privatrechtlichen betrieblichen Altersversorgung eingegriffen werden. Denn dem Sozialhilfeträger soll nicht ermöglicht werden, die vorrangige Verpflichtung eines anderen Trägers einer Sozialleistung durch einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Sozialhilfeberechtigten zu ersetzen. Obgleich die ZVK als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert ist, stellt sie eine betriebliche Altersversorgung auf tarifvertraglicher Basis dar, aus der ein privatrechtliches Versicherungsverhältnis der Mitglieder resultiert (vgl. für die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der Versicherungsanstalt des Bundes und der Länder: BGH, Beschl. v. 06.03.2013 – XII ZB 271/11 – FamRZ 2013, 852).
Demgemäß wäre aber die DRV antragsbefugt, wenn der nach neuem Recht durchgeführte Versorgungsausgleich zu einer Verminderungen der zu übertragenden Anrechte aus der DRV (bei gleichzeitiger Erhöhung der zu übertragenden Anrechte der betrieblichen Altersversorgung) des Leistungsempfängers führen würde (wobei hier stets § 225 Abs. 5 VersAusglG – vgl. § 51 Abs. 5 VersAusglG – zu prüfen wäre).
Wären dagegen von der Änderung allein Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung betroffen, dürfte nach den Ausführungen des BGH auch der Sozialhilfeträger selbst (wegen § 95 SGB XII) antragsbefugt sein.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die schwer zu verstehende Entscheidung zeigt, wie komplex die Vorschrift des § 51 VersAusglG ist. Man muss dafür zunächst die bereits erfolgte Durchführung des Versorgungsausgleichs nach altem Recht prüfen, um dann zu beurteilen, wie der Versorgungsausgleich unter Beachtung der Totalrevision des § 51 VersAusglG (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 05.06.2013 – XII ZB 635/12 – FamRZ 2013, 1287) nach neuem Recht durchzuführen wäre. Damit nicht genug: In Fallgestaltungen wie der vorliegenden müssen auch noch die sozialrechtlichen Auswirkungen des veränderten Versorgungsausgleichs berücksichtigt werden. Dieser Spagat zwischen dem alten und dem neuen Versorgungsausgleich und dem Sozialrecht lässt sich in einem angemessenen Zeitaufwand kaum bewerkstelligen.