Nachfolgend ein Beitrag vom 24.5.2016 von Maes, jurisPR-FamR 11/2016 Anm. 6
Leitsätze
1. Die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang ein Kind geimpft werden soll, betrifft keine Angelegenheit des täglichen Lebens i.S.d. § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern eine Angelegenheit, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist (§ 1628 BGB), weil sie mit der Gefahr von Risiken und Komplikationen verbunden ist (Anschluss an KG Berlin, Beschl. v. 18.05.2005 – 13 UF 12/05 – FamRZ 2006, 142).
2. Eine Differenzierung zwischen der Zustimmung zur Impfung als Angelegenheit des täglichen Lebens und ihrer Verweigerung als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung kommt nicht in Betracht (Ablehnung zu AG Darmstadt, Beschl. v. 11.06.2015 – 50 F 39/15 SO – FamRZ 2016, 248 m. Anm. Luthin, NZFam 2015, 778).
3. Bei fehlender Einigung der Eltern kann das Familiengericht gemäß § 1628 BGB zur Herbeiführung der notwendigen Entscheidung einem Elternteil die Entscheidungskompetenz übertragen. Maßgeblich für die Entscheidung ist gemäß § 1697a BGB die Frage, welcher Elternteil am ehesten geeignet ist, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen.
A. Problemstellung
Wenn getrenntlebende Eltern das Sorgerecht gemeinsam ausüben, darf der Elternteil, bei dem sich das Kind aufhält, gemäß § 1687 BGB in Angelegenheiten des täglichen Lebens ohne Zustimmung des anderen Elternteils entscheiden. Lediglich in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung ist die Zustimmung des anderen erforderlich. Die Abgrenzung kann in der Praxis Schwierigkeiten bereiten.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Mutter der Kinder hatte beim AG Darmstadt die Entscheidungsbefugnis für die Impfung der Kinder beantragt, nachdem sich der Vater dagegen ausgesprochen hatte. Das AG Darmstadt war der Auffassung, bei Schutzimpfungen kleiner Kinder handele es sich um Dinge des täglichen Lebens. Sie seien den ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen gleichzustellen, für die auch keine Einwilligung des anderen Elternteils erforderlich sei. Da dort die Impf-Frage gestellt werde, seien die Impfungen gegen die üblichen Kinderkrankheiten ebenfalls als Dinge des täglichen Lebens anzusehen. Diese Impfungen würden vom Robert Koch-Institut empfohlen und die Mehrheit der Bevölkerung unterziehe ihre Kinder dieser Impfung. Eine nicht vorhandene Tetanusimpfung könne beispielsweise den betreuenden Elternteil davon abhalten, die Kinder an bestimmten Stellen im Freien spielen zu lassen. Daher müsse es auch richtig sein, dass dieser Elternteil bestimmen dürfe, ob eine solche Impfung durchgeführt werden soll oder nicht.
Diese Auffassung wurde vom OLG Frankfurt nicht geteilt. Die Frage, ob geimpft werde oder nicht, sei für die Kinder immer mit besonderen gesundheitlichen Risiken und Komplikationen verbunden (so auch das KG Berlin, Beschl. v. 18.05.2005 – 13 UF 12/05). Darüber hinaus könne es bei Impfungen im Einzelfall zu negativen gesundheitlichen Auswirkungen für den Impfling kommen. Werde nicht geimpft, bestehe die Gefahr der Ansteckung mit der Krankheit. Darüber hinaus ergäben sich weitere Folgen, etwa ein Schulverbot für nicht geimpfte Kinder, wie es etwa vom VG Berlin (Beschl. v. 11.03.2015 – 14 L 35.15) verfügt worden sei. Allerdings musste das OLG Frankfurt nicht mehr entscheiden, welcher Elternteil die Impfentscheidung treffen solle, nachdem sich die Eltern geeinigt hatten, den Empfehlungen ihres Hausarztes zu folgen.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des OLG Frankfurt steht im Einklang mit dem Gesetz. In § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB heißt es: „Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben.“ Impfungen können zu Impfschäden führen, was auch vom Robert Koch-Institut eingeräumt wird. In Deutschland gibt es zahlreiche Eltern, die dem Impfen kritisch gegenüberstehen. Sie berufen sich auf wissenschaftliche Untersuchungen, wonach die in den Impfstoffen vorhandenen Aluminium- und Quecksilberverbindungen zur Auslösung der Immunreaktion des Körpers als Zellgifte wirken und Impfschäden hervorrufen können. Ob Impfschäden wirklich seltener vorkommen als eine Hirnhautentzündung oder nicht umfassend diagnostiziert und statistisch nicht korrekt erfasst werden, bleibt umstritten. Jedenfalls ist erwiesen, dass mit den Impfungen eine Menge Geld verdient wird und die meisten Experten des Robert Koch-Instituts direkt oder indirekt von der Pharmaindustrie finanziert werden. Auch vor diesem Hintergrund wäre es fatal, Impfungen als Angelegenheiten des täglichen Lebens anzusehen.
Das KG Berlin hatte in der zitierten Entscheidung dem Vater die Impfentscheidung übertragen, weil er hierzu eine klare Haltung gezeigt habe, während die Mutter geschwankt habe, ob und was geimpft werden solle. Leider ist bei den Amtsgerichten die Tendenz erkennbar, das gemeinsame Sorgerecht über die Ausweitung des Rechtsbegriffs „Dinge des täglichen Lebens“ auszuhöhlen. Nicht alles, was praktisch ist und den Familiengerichten Arbeit erspart, ist für das Wohl der Kinder förderlich. Auch getrenntlebenden Eltern ist zuzumuten, um die richtige Entscheidung für ihr Kind zu ringen. Können sie sich nicht einigen, ist das Familiengericht berufen, von Amtswegen zu prüfen, welchem Elternteil die Entscheidung zu übertragen ist.
D. Auswirkungen für die Praxis
Rechtsprechung und Rechtsanwaltschaft sind im Interesse der getrenntlebenden Eltern und der Kinder aufgerufen, den Anwendungsbereich der Dinge des täglichen Lebens i.S.d. § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB möglichst klein zu halten und die Eltern zu Konsenslösungen zu bewegen, wie das auch im vorliegenden Fall geschehen ist. Die unter den Eltern streitige Entscheidung ist nicht vom Gericht zu ersetzen. Das Gericht hat dem Elternteil die Entscheidung zu übertragen, der näher am Thema ist und die klarere Haltung zu diesem Thema hat (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 18.05.2005 – 13 UF 12/05).