Nachfolgend ein Beitrag vom 12.2.2019 von Reinken, jurisPR-FamR 3/2019 Anm. 6

Leitsatz

Auch wenn der dinglich berechtigte Ehegatte (hier: Eigentümer) dem anderen Ehegatten im Zuge der Trennung die Ehewohnung zunächst überlassen hat und erst nach Rechtskraft der Scheidung die Überlassung an sich selbst verlangt, kann der andere Ehegatte die Herausgabe nur bei Vorliegen einer unbilligen Härte verweigern (§ 1568a Abs. 2 BGB analog).

A. Problemstellung

Schadet dem Alleineigentümer einer als Ehewohnung genutzten Immobilie für die Entscheidung anlässlich der Scheidung nach § 1568a BGB, dass er die Ehewohnung für die Trennungszeit dem anderen Ehegatten freiwillig überlassen hat?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Antragsteller war der Ehemann der zu einem Grad von 60 schwerbehinderten Antragsgegnerin. Die Ehe blieb kinderlos. Er ist Alleineigentümer einer bis zur Trennung als Ehewohnung genutzten Immobilie. Dort verblieb die Antragsgegnerin nach dem freiwilligen Auszug des Antragstellers. Nach seiner Entscheidung, dort künftig doch selbst wohnen zu wollen, verlangte er nach der Scheidung die Herausgabe der Immobilie. Mit der Begründung, die Überlassung der Ehewohnung an die Antragsgegnerin entspräche der Billigkeit i.S.d. § 1568a Abs. 1 BGB, hat das Familiengericht den Antrag abgewiesen. Im Beschwerdeverfahren haben die Beteiligten nach Abschluss einer notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Kosten beider Instanzen hat das Oberlandesgericht der Antragsgegnerin auferlegt, denn dies entspräche der Billigkeit i.S.d. § 81 Abs. 1 FamFG; der Antragsteller wäre nämlich mit seinem Antrag auf Überlassung der Ehewohnung erfolgreich gewesen. Die dingliche Rechtsposition des Antragstellers wäre zum Tragen gekommen, die Einkommenslosigkeit und die Schwerbehinderung hätten den geforderten Auszug aus der früheren Ehewohnung für die Antragsgegnerin noch nicht als außergewöhnlich schwere Beeinträchtigung erscheinen lassen.

C. Kontext der Entscheidung

Nach § 1568a Abs. 2 Satz 1 BGB kann ein Ehegatte bei Alleineigentum des anderen die Überlassung der Ehewohnung anlässlich der Scheidung nur verlangen, wenn dies notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Nach dem Rechtsgedanken dieser Vorschrift sollen Eingriffe in die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition des dinglich Berechtigten nur eingeschränkt und in außerordentlichen Härtefällen zugelassen werden. Ist nicht zum Überlassungsverlangen des in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten zu entscheiden, sondern geht es um das Herausgabe-/Überlassungsverlangen des zunächst freiwillig ausgezogenen Alleineigentümerehegatten, kommt § 1568a Abs. 2 Satz 1 BGB analog zur Anwendung. Dies wird von dem Gedanken getragen, dass der in der Ehewohnung verbliebene Ehegatte nicht bessergestellt werden darf, wenn er die Ehewohnung für die Trennungszeit zunächst mit Einwilligung des anderen Ehegatten nutzen konnte. Ist – wie im entschiedenen Fall – eine Härte i.S.d. § 1568a Abs. 2 Satz 1 BGB nicht festzustellen, setzt sich die dingliche Rechtsposition durch.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung ist praxisrelevant. Sie weist den rechtlichen Weg, um zu verhindern, dass sich in der Trennungszeit geübte Großzügigkeit nicht gegen den dinglich berechtigten Ehegatten wendet. Während der Trennungszeit kann er seine dingliche Berechtigung nicht gestützt auf § 985 BGB durchsetzen (BGH, Beschl. v. 28.09.2016 – XII ZB 487/15). Der Alleineigentümer muss sein Überlassungsbegehren auf der Grundlage des § 1361b Abs. 1 BGB im Ehewohnungsverfahren nach den §§ 200 ff. FamFG verfolgen. Die dingliche Rechtsposition kann es aber rechtfertigen, die Überlassung auf die Zeit bis zum Ablauf des Trennungsjahres zu beschränken (OLG Hamm, Beschl. v. 28.12.2015 – 2 UF 186/15).

Herausgabe der Ehewohnung nach Scheidung nur bei unbilliger Härte
Danuta EisenhardtRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Familienrecht
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Herausgabe der Ehewohnung nach Scheidung nur bei unbilliger Härte
Denise HübenthalRechtsanwältin
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