Nachfolgend ein Beitrag vom 17.2.2015 von Clausius, jurisPR-FamR 4/2015 Anm. 3

Leitsatz

Der aufgrund eines Umgangstitels zur Gewährung des Umgangs verpflichtete Elternteil muss gegenüber dem Kind, das einen Umgang mit dem umgangsberechtigten Elternteil verbal ablehnt, ebenso strenge Maßnahmen zur Herstellung der Umgangskontrolle ergreifen wie diejenigen, die er zum Zweck der Sicherstellung des Schulbesuchs des Kindes wählen würde und müsste, falls das Kind diesen verweigern würde.

A. Problemstellung

Die Entscheidung setzt sich mit der Frage auseinander, welches Handeln von einem Obhutselternteil zu erwarten ist, so dass er die Nichtwahrnehmung titulierter Umgangskontakte des Kindes mit dem jeweils anderen Elternteil nicht zu vertreten hat.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Gegen die Antragsgegnerin wurde ein Ordnungsgeld i.H.v. 400 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von zwei Wochen angeordnet. Die eingelegte sofortige Beschwerde blieb erfolglos, da nach den Feststellungen des OLG Saarbrücken die Antragsgegnerin gegen ihre Pflichten aus einem Umgangsbeschluss verstoßen und sie dieses Zuwiderhandeln zu vertreten hatte. Der Senat hat zur Begründung ausgeführt, dass bei vorgetragener kindlicher Ablehnung der Umgangskontakte, es dem Obhutselternteil obliege, darzulegen und nachzuweisen, wie er auf das Kind eingewirkt habe, um es zum Umgang zu bewegen, da es dem Kind nicht freistehe, ob es Umgangskontakte wahrnehmen wolle oder nicht. Ein entgegenstehender Kindeswille sei nur zu berücksichtigen, wenn es mit dessen Wohl vereinbar sei. Ein durch einen Elternteil maßgeblich beeinflusster Kindeswille sei unbeachtlich. Im konkreten Sachverhalt sei schon in einem früheren Beschluss festgestellt worden, dass die Antragsgegnerin ihrer Wohlverhaltenspflicht nicht ausreichend nachkomme. Ihr sei ein Unterhaltsanspruch versagt worden, da sie diesen wegen ihres Umgangsboykotts verwirkt habe. Zudem sei sie wegen versuchter Erpressung verurteilt worden, da sie einer Zeugin gegenüber angekündigt habe, den Umgang zur Durchsetzung nicht mehr bestehender Unterhaltsansprüche einsetzen zu wollen. Dagegen habe im Ausgangsbeschluss das Gericht aus der Beobachtung des Kindes und des Vaters den Schluss gezogen, dass es seitens der Antragsgegnerin nur wenig Einflussnahme bedürfe, um das Kind zum Umgang zu bewegen. Gegenüber dem Umgangspfleger habe sie stattdessen geäußert, dass sie nicht beabsichtige, positiv auf das Kind einzuwirken. Sie haben dem Kind auch gesagt, dass sie ihm wegen der Bezahlung des Ordnungsgeldes sportliche Aktivitäten und andere Extras streichen müsse. Der Antragsgegnerin stünden ausreichende erzieherische Mittel zur Verfügung, um das elfjährige Kind zum Umgang zu bewegen, da Gründe für eine etwaige Kindeswohlgefährdung durch Ausübung der Kontakte nicht ansatzweise ersichtlich seien. Auch die Höhe der festgesetzten Ordnungsmittel halte sich in dem durch § 89 Abs. 3, Satz 1 FamFG gesteckten Rahmen und berücksichtige die Schwere sowie das Ausmaß der Verletzungshandlung. Es sei die absolute Untergrenze dessen, was erforderlich sei, damit sich die Antragsgegnerin künftig titelkonform verhalte.

C. Kontext der Entscheidung

Durch die Wahrnehmung von Umgangskontakten soll dem nicht betreuenden Elternteil die Möglichkeit erhalten bleiben, sich in eigener Person einen Eindruck von der kindlichen Entwicklung zu verschaffen (BVerfG, Beschl. v. 18.01.2010 – 1 BvR 3189/09 – FamRZ 2010, 717) und bis dahin gewachsene Bindungen nicht nur zu erhalten, sondern auch zu vertiefen. Parallel hierzu hat der Gesetzgeber den Umgang als eigenständiges Recht des Kindes ausgestaltet unter der Grundprämisse, dass der regelmäßige Umgang mit beiden Elternteilen dem Kindeswohl in der Regel entspricht (BVerfG, Beschl. v. 01.04.2008 – 1 BvR 1620/04 – FamRZ 2008, 845). Es obliegt daher den Eltern zur Realisierung dieses Anspruchs des Kindes beizutragen, so dass nach § 1684 Abs. 2 BGB die Eltern alles zu unterlassen haben, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigen oder die Erziehung des Kindes als solche erschweren könnte (OLG Bamberg, Beschl. v. 25.04.1994 – 2 WF 59/94 – FamRZ 1995, 428). In Ausgestaltung dieser Loyalitätsverpflichtung muss der Obhutselternteil zur Umsetzung einer Umgangsregelung erzieherisch auf das Kind einwirken und ihm verdeutlichen, dass er mit den Umgangskontakten nicht nur einverstanden ist, sondern diese ausdrücklich auch selbst wünscht (BGH, Beschl. v. 26.10.2011 – XII ZB 247/11 – FamRZ 2012, 99). Wird jedoch der Umgangskontakt über einen längeren Zeitraum vereitelt und damit das Kindeswohl beeinträchtigt, so kommt neben der Bestellung eines Umgangspflegers gem. § 1684 Abs. 2 Satz 3 BGB, die Vollstreckung der Umgangsregelung oder als ultima ratio auch eine Änderung der Sorgerechtsregelung in Betracht. Die Vollstreckung einer Umgangsregelung beurteilt sich nach den §§ 86 ff. FamFG. Neben den formellen Vollstreckungsvoraussetzungen bedarf es eines schuldhaften Verstoßes gegen eine Umgangsregelung i.S.d. § 86 Abs. 1, Nr. 1 bis 3 FamFG. Hierzu ist nicht erforderlich, dass vorsätzlich gehandelt wird, es genügt Fahrlässigkeit (Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht, 6. Aufl., § 6 Rn. 28). Abweichend von der früheren Gesetzeslage hat nun der Obhutselternteil die Substantiierungs- und Feststellungslast für das fehlende Vertretenmüssen (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2010 – 6 WF 118/10 – FamRZ 2011, 589). Werden gegen den Obhutselternteil Ordnungsmittel festgesetzt, so ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

D. Auswirkungen für die Praxis

Für die Praxis folgt aus der Entscheidung, dass sich seit der Gesetzesreform im Jahr 2009 tatsächlich Veränderungen bei der Umsetzung von Umgangsregelungen ergeben haben. Umgangsblockaden sind zwar nicht völlig ausgeschlossen, haben sich jedoch deutlich reduziert, da die Gerichte die möglichen Ordnungsmittel festsetzen und von dieser gerichtlichen Handhabung ein klares Signal ausgeht. Der umgangsbegehrende Elternteil muss lediglich vortragen, dass er in einem titulierten Umgangsrecht eingeschränkt wird. Es obliegt sodann dem jeweils anderen Elternteil, will er die Festsetzung von Ordnungsmittel verhindern, substantiiert vorzutragen und ggf. auch unter Beweis zu stellen, welche Gründe tatsächlich dafür maßgeblich waren, dass es nicht zu den Umgangskontakten kam. Gerade an seine Erziehungskompetenz werden hohe Anforderungen gestellt, d.h. es bedarf besonders intensiven Sachvortrages dazu, inwieweit diese Kompetenz dazu eingesetzt wurde, um auf das Kind einzuwirken und ihm zu verdeutlichen, dass der Obhutselternteil ausdrücklich die Umgangskontakte wünscht. An dieser Stelle wird sich relativ schnell zeigen, ob ein Elternteil tatsächlich die Kontakte unterstützt oder nicht.