Nachfolgend ein Beitrag vom 19.1.2016 von Götsche, jurisPR-FamR 2/2016 Anm. 5

Leitsatz

Bei der Bemessung des Gegenstandswerts für das Versorgungsausgleichsverfahren sind nur Anrechte zu berücksichtigen, über deren Behandlung entschieden worden ist und die damit Gegenstand des Verfahrens waren.
Dies ist auch der Fall, wenn hinsichtlich der behandelten Anrechte kein Ausgleich angeordnet wurde oder das Gericht nur festgestellt hat, dass kein Ausgleich stattfindet.
Hingegen reicht es für die Berücksichtigung beim Gegenstandswert nicht aus, dass bei Versorgungsträgern Anfragen erfolgt sind und diese das Ergebnis hatten, dass in der Ehezeit keine relevanten Anrechte erworben wurden.

A. Problemstellung

Die Berechnung des Verfahrenswerts für den Versorgungsausgleich richtet sich nach § 50 Abs. 1 FamGKG. Danach beträgt der Verfahrenswert in Versorgungsausgleichssachen für jedes Anrecht 10%, bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung für jedes Anrecht 20% des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten, insgesamt mindestens 1.000 Euro. Es kommt daher auf die Anzahl der vorhandenen Anrechte an.
Zählen dazu auch solche Anrechte, über deren Ausgleich das Gericht nicht entschieden hat?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Das Familiengericht hat den Ausgleich von drei Anrechten im Versorgungsausgleich angeordnet. Daneben hatte das Familiengericht hinsichtlich drei weiterer Anrechte ermittelt und entsprechende Anfragen bei den Versorgungsträgern gestellt; diese ergaben, dass keine zu berücksichtigenden Anrechte bestanden.
Das Familiengericht hat seiner Entscheidung über den Verfahrenswert sechs Anrechte zugrunde gelegt.
Der dagegen gerichteten Beschwerde gibt das OLG Bamberg statt und legt der Wertbemessung lediglich die 3 im Versorgungsausgleich ausgeglichenen Anrechte zugrunde.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts seien nur die Anrechte für die Bemessung des Wertes maßgeblich, die in den Versorgungsausgleich einbezogen worden sind. Dies sei zwar auch der Fall, wenn festgestellt wurde, dass kein Ausgleich stattfindet. Anderes gelte dagegen, wenn aufgrund der Auskünfte der Ehegatten nur Anfragen bei den Versorgungsträgern erfolgt sind und diese ergeben haben, dass keine zu berücksichtigenden Anrechte bestanden. In diesem Falle sind sie nicht Gegenstand des Verfahrens. Bei der Bemessung des Gegenstandswerts haben sie deshalb außen vor zu bleiben.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung entspricht der mittlerweile wohl gefestigten h.M. § 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG erfasst sämtliche Anrechte, die dem Ausgleich im Grundsatz unterfallen und daher verfahrensgegenständlich sind (Enders, JurBüro 2009, 337). Dies sind letztendlich alle Anrechte, über die das Familiengericht (im Tenor) entscheidet, unabhängig davon, ob diese (intern oder extern) ausgeglichen werden oder ob ihr Ausschluss wegen kurzer Ehezeit nach § 3 Abs. 3 VersAusglG (OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.01.2011 – 5 WF 16/11; OLG Köln, Beschl. v. 20.12.2012 – 27 WF 245/12 – FamRZ 2013, 1160; OLG Jena, Beschl. v. 24.05.2011 – 1 WF 215/11 – FuR 2011, 540), wegen einer Ausschlussvereinbarung nach § 6 VersAusglG (OLG Koblenz, Beschl. v. 18.02.2014 – 13 WF 157/14 – FamRZ 2014, 1809; KG Berlin, Beschl. v. 15.05.2012 – 17 WF 125/12 – MDR 2012, 1347; OLG München, Beschl. v. 31.05.2011 – 12 WF 831/11 – FamRZ 2011, 1813), wegen Geringfügigkeit nach § 18 VersAusglG (OLG Jena, Beschl. v. 28.10.2010 – 1 WF 359/10 – FamRZ 2011, 585) oder wegen grober Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG (OLG Celle, Beschl. v. 25.05.2010 – 10 WF 347/09 – FamRZ 2010, 2103) angeordnet wird (vgl. auch § 224 Abs. 3 FamFG). Dies gilt auch für mehrere Anrechte eines Versorgungsträgers, wenn diese getrennt auszugleichen sind, z.B. für Entgeltpunkte und Entgeltpunkte/Ost der gesetzlichen Rentenversicherung (h.M., OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.06.2014 – 15 WF 11/14 – FamRZ 2015, 529; OLG Dresden, Beschl. v. 03.04.2014 – 19 WF 236/14 – FamRZ 2014, 1808, m.w.N.).
Nicht dazu zählen Anrechte, die von vornherein nicht auszugleichen sind, weil sie nicht dem Versorgungsausgleich nach § 2 VersAusglG unterfallen oder keinen Ehezeitanteil nach § 3 Abs. 2 VersAusglG besitzen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.09.2013 – 5 WF 66/13 – FamRZ 2014, 1226). Ebenso wenig zählen dazu die dem Ausgleich nach der Scheidung (= schuldrechtlicher Versorgungsausgleich, §§ 20 ff. VersAusglG) vorzubehaltenden Anrechte, über deren Ausgleich das Gericht gerade nicht entscheidet (OLG Stuttgart, Beschl. v. 03.05.2010 – 18 WF 91/10 – NJW 2010, 2221; lediglich die Begründung des Beschlusses muss diese Anrechte aufführen, § 224 Abs. 4 FamFG).

D. Auswirkungen für die Praxis

Am einfachsten gelingt die Feststellung der zu berücksichtigenden Anrechte, wenn auf den Tenor der Entscheidung geblickt wird. Korrekterweise werden dort nur die intern oder extern ausgeglichenen oder ausdrücklich auszuschließenden Anrechte angeführt. Nützt dies nichts, weil das Gericht den Versorgungsausgleich insgesamt nach den §§ 3 Abs. 3, 6 ff., 27 VersAusglG (ggf. sogar insgesamt nach § 18 VersAusglG) ausgeschlossen hat, sollte kurz auf die vorhandenen und an sich auszugleichenden Anrechte hingewiesen werden, da anderenfalls das Gericht zumeist den Mindestwert von 1.000 Euro ansetzen wird.