Nachfolgend ein Beitrag vom 25.10.2016 von Adamus, jurisPR-FamR 22/2016 Anm. 7
Leitsatz
Der durch Verfügung von Todes wegen angeordnete Ausschluss der elterlichen Vermögensverwaltung für vom Kind ererbtes Vermögen umfasst auch die Befugnis zur Ausschlagung der Erbschaft. Die in einem solchen Fall von einem ausgeschlossenen Elternteil im Namen des Kindes erklärte Ausschlagung ist mangels Vertretungsmacht unwirksam.
A. Problemstellung
Der Erblasser kann durch Verfügung von Todes die elterliche Vermögensverwaltung für das an das Kind vererbte Vermögen einschränken. Fraglich ist, ob die Befugnis zur Ausschlagung der Erbschaft Teil des Personensorgerechts oder des elterlichen Rechts der Vermögensverwaltung für das Kind ist.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Erblasser setzte seine Schwester und seinen im Mai 2008 geborenen nichtehelichen Sohn als Erben zu je 1/2 ein. Er ordnete Testamentsvollstreckung durch seine Schwester für den Fall an, dass der Sohn bei seinem Tod noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben sollte. Ferner bestimmte der Erblasser, dass die Mutter von der Verwaltung sämtlicher Vermögensgegenstände, die der Sohn aufgrund des Testaments an dem Nachlass des Erblassers erwirbt, ausgeschlossen wird. Der Erblasser verstarb im Dezember 2013. Die Mutter erklärte im Namen des Sohnes die Ausschlagung der Erbschaft. Die Ausschlagung wurde familiengerichtlich genehmigt.
Im Anschluss ordnete das Amtsgericht für das Kind Ergänzungspflegschaft wegen des von Todes wegen erworbenen Vermögens an. Aufgrund der durch die Mutter im Namen des Sohnes eingelegten Beschwerde ordnete das Oberlandesgericht Ergänzungspflegschaft für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs und Ergänzungspflegschaft wegen der Verwaltung des gesamten Vermögens, das das Kind aufgrund des Todes des Erblassers erwirbt, an. Die zugelassene Rechtsbeschwerde der Mutter richtete sich gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs.
Der BGH hat die Rechtsbeschwerde im Namen der Mutter als zulässig angesehen.
Durch den angefochtenen Beschluss sei in die elterliche Sorge als Bestandteil ihres Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG eingegriffen worden (vgl. BGH, Beschl. v. 05.03.2008 – XII ZB 2/07 – FamRZ 2008, 1156). Die Frage, ob die von der Mutter im Namen des Kindes erklärte Ausschlagung wirksam war und dadurch ein Pflichtteilsanspruch entstanden ist oder ob die Anordnung der Ergänzungspflegschaft wegen Fehlens eines Pflichtteilsanspruchs gegenstandslos ist, sei erst im Rahmen der Begründetheit zu prüfen.
Der BGH hat die Rechtsbeschwerde im Ergebnis auch als begründet angesehen.
Anders als die überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, gehe der 12. Zivilsenat des BGH davon aus, dass ein Pflichtteilsanspruch des Kindes mangels wirksam erklärter Ausschlagung nicht entstanden sei, weil der Mutter aufgrund der testamentarischen Anordnung des Erblassers die gesetzliche Vertretungsmacht fehlte, um im Namen des Kindes wirksam die Ausschlagung erklären zu können. Die Anordnung der Ergänzungspflegschaft für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gehe deswegen ins Leere.
C. Kontext der Entscheidung
Gemäß § 1909 Abs. 1 BGB erhält, wer unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft steht, für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Pfleger. Er erhält insbesondere einen Pfleger zur Verwaltung des Vermögens, das er von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern oder der Vormund das Vermögen nicht verwalten sollen. Nach § 1638 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Vermögenssorge nicht auf das Vermögen, welches das Kind von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen.
Nach der bisher h.M. in Rechtsprechung und Literatur, sollte die Ausschlagung der Erbschaft von der Beschränkung der Vermögenssorge in § 1638 Abs. 1 BGB nicht erfasst sein, denn die Eltern vertreten die Person des Erben und handeln nicht als Verwalter der Erbschaft (zuletzt OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.05.2007 – II-5 UF 75/07, 5 UF 75/07 – FamRZ 2007, 2091, 2093 und die sich hierauf beziehende Kommentarliteratur Heilmann in: Staudinger, BGB, 2016, § 1638 Rn. 7, 16 m.w.N.; Huber in: MünchKomm BGB, 6. Aufl., § 1638 Rn. 15; Götz in: Palandt, BGB 75. Aufl. § 1638 Rn. 2; Ott, NJW 2014, 3473, 3474). Der BGH musste zu dieser Frage bisher nicht Stellung beziehen. Er hat sich im Ergebnis der bisherigen Mindermeinung (Frenz, DNotZ 1995, 908, 913 ff.; Reimann, FS Hahne S. 455, 458; Scheffler in: BGB-RGRK, 10./11. Aufl. § 1638 Anm. 7; Damrau, Der Minderjährige im Erbrecht, Rn. 103; Krug, FPR 2011, 268, 270) angeschlossen, wonach die Anordnung nach § 1638 Abs. 1 BGB die Vermögenssorge hinsichtlich des Erbes insgesamt betrifft und das Ausschlagungsrecht wie die Erbschaft vermögensrechtlicher Natur ist, so dass der Elternteil von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen ist und nur ein Pfleger das Erbe für den Minderjährigen ausschlagen kann. Eine Zuordnung der Ausschlagung einer Erbschaft zur Personensorge widerspräche der Rechtsnatur des Ausschlagungsrechts als auf die Erbschaft bezogenes und folglich vermögensrechtliches Gestaltungsrecht.
Gesetzliche Folge der Beschränkung der elterlichen Vermögenssorge ist, dass die gesetzlichen Vertretung für das von Todes wegen erworbene Vermögen insgesamt ausgeschlossen ist (so bereits in anderem Zusammenhang BGH, Beschl. v. 30.11.1988 – IVa ZB 12/88 – BGHZ 106, 96, 99 f. = NJW 1989, 984, 985). Dementsprechend fehlt es im Fall des § 1638 Abs. 1 BGB bei jeglichen auf das ererbte Vermögen bezogenen Willenserklärungen an der elterlichen Vertretungsmacht.
Da der Ausschluss bereits mit dem Anfall der Erbschaft wirksam wird, fehlt den Eltern in Bezug auf die Erbschaft von Anfang an die elterliche Sorge und mit dieser auch die gesetzliche Vertretungsmacht, um mit Wirkung für das Kind rechtsgeschäftlich handeln zu können. Die von den Eltern im Namen des Kindes erklärte Ausschlagung kann als einseitiges Rechtsgeschäft nur bei bestehender Vertretungsmacht wirksam werden. Da eine Genehmigung der ohne Vertretungsmacht erklärten Ausschlagung nicht möglich ist, ist die im vorliegenden Fall von der Mutter erklärte Ausschlagung unwirksam. Dass die Ausschlagung vom Familiengericht genehmigt worden ist, vermag den Mangel der Vertretungsmacht nicht zu heilen.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung des 12. Zivilsenats des BGH stellt eine deutliche Abkehr von der bisher h.M. dar. Insbesondere bei Geschiedenentestamenten und Testamenten nichtehelicher Lebensgemeinschaften mit gemeinsamen Kindern hat der Testator jetzt die Sicherheit, dass der andere Elternteil das Testament nicht durch Ausschlagung der Erbschaft aushebeln kann. Die Ausschlagung kann nur durch einen Ergänzungspfleger erfolgen, den der Erblasser nach den §§ 1909 Abs. 1 Satz 2, 1917 Abs. 1 BGB selbst benennen kann. Der Ergänzungspfleger, der die Ausschlagung im Interesse des Kindes erklären wollte, bedürfte hierzu freilich noch die familiengerichtliche Genehmigung (§§ 1643 Abs. 2, 1822 Nr. 2 BGB). Dem Testamentsvollstrecker kann die Nachlassverwaltung (Vermögensverwaltung), auch als Dauervollstreckung nach § 2209 BGB übertragen werden, er kann jedoch nicht die höchstpersönlichen Rechte des Erben (Ausschlagung/Annahme der Erbschaft) ausüben.