Nachfolgend ein Beitrag vom 16.8.2016 von Götsche, jurisPR-FamR 17/2016 Anm. 5

Leitsatz

Der wegen einer Maßnahme nach § 1666 BGB nicht mehr sorgeberechtigte Elternteil ist gegen die Übertragung des Sorgerechts vom Amtsvormund auf den anderen Elternteil beschwerdeberechtigt.

A. Problemstellung

Ist der wegen einer Maßnahme nach § 1666 BGB nicht mehr sorgeberechtigte Elternteil beschwerdeberechtigt, wenn er in einem späteren Verfahren gegen die Übertragung des Sorgerechts vom Amtsvormund auf den anderen Elternteil vorgehen will?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der ursprünglich alleinsorgeberechtigten Kindesmutter wurde in 2011 die elterliche Sorge für ihr 2003 geborenes Kind entzogen und das Jugendamt zum Amtsvormund bestellt. Eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater scheiterte an dessen Widerstand.
In einem zeitlich späteren Verfahren wurde dem Kindesvater mit dessen Einverständnis die elterliche Sorge übertragen. Die Kindesmutter hat hiergegen Beschwerde eingelegt, welche das OLG Oldenburg als unzulässig verworfen hatte.
Der BGH hat im Rechtsbeschwerdeverfahren die Entscheidung des Oberlandesgerichts aufgehoben und zur erneuten Behandlung zurückverwiesen.
Bei vorangegangenen Maßnahmen nach § 1666 BGB sei zu beachten, dass diese mit erheblichen Eingriffen in das durch Art. 6 Abs. 2 und 3 GG geschützte Elternrecht verbunden seien. Diese Maßnahmen seien grundsätzlich als vorübergehend anzusehen, weshalb sie nur in formeller, nicht aber in materielle Rechtskraft erwachsen, wie bereits § 1696 Abs. 2 BGB zeige, wonach bei Entfallen der Kindeswohlgefährdung die Entscheidung von Amts wegen aufzuheben sei. Hierdurch werde neben dem Kindeswohl auch das Recht der Eltern auf Rückübertragung des ihnen entzogenen elterlichen Sorgerechts geschützt. Es sei daher immer auch zu prüfen, ob der von der Maßnahme nach § 1666 BGB betroffene Elternteil die Sorge wieder zurückerhalten könne. Wegen eines möglichen Eingriffs in seine Elternrechte im Fall der Übertragung des Sorgerechts vom Amtsvormund auf den anderen Elternteil sei er daher auch beschwerdeberechtigt gemäß § 59 Abs. 1 FamFG.

C. Kontext der Entscheidung

Die Beschwerdeberechtigung nach § 59 Abs. 1 FamFG setzt eine unmittelbare Beeinträchtigung in einem subjektiven Recht voraus. Die bloße formelle Beteiligung – insbesondere nach § 7 Abs. 2 FamFG – in einem familiengerichtlichen Verfahren ist ebenso wenig ausreichend wie das Interesse, den anderen Elternteil von der elterlichen Sorge auszuschließen. Ebenso wie das OLG Oldenburg (als Vorinstanz zum BGH) hatten bereits andere Oberlandesgerichte (vgl. im Einzelnen OLG Hamburg, Beschl. v. 02.07.2014 – 2 UF 33/14 – FamRZ 2015, 599; OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.02.2011 – 4 WF 5/11 – FamRZ 2012, 570; OLG Hamm, Beschl. v. 20.10.2011 – 2 UF 140/11 – MDR 2011, 1479) bei vollständigem oder teilweisen Entzug der elterlichen Sorge die in nachfolgenden Verfahren bestehenden Interessen des Elternteils auch angesichts seines durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Elternrecht als nicht genügend für eine unmittelbare Beeinträchtigung in einem subjektiven Recht angesehen. Der BGH lehnt diese zuletzt vorherrschende Ansicht angesichts der verfassungsrechtlich gewährleisteten Stärke des Elternrechts ab. Er setzt damit seine bisherige Rechtsprechung fort. So hatte er bereits entschieden, dass die Beschwerdebefugnis auch dann besteht, wenn der allein sorgeberechtigten Kindesmutter eines nichtehelichen Kindes das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen wird und nunmehr der Kindesvater insoweit die Übertragung des Sorgerechts auf sich beantragen will (BGH, Beschl. v. 16.06.2010 – XII ZB 35/10 – FamRZ 2010, 1242).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung des BGH dürfte zu einer umfassenden Beschwerdebefugnis des nicht mehr sorgeberechtigten Elternteils führen, wenn sorgerechtliche Regelungen für das Kind zu treffen sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die gerichtliche Entscheidung das Sorgerecht für das Kind neu (ganz oder teilweise) regelt.