Nachfolgend ein Beitrag vom 15.3.2016 von Clausius, jurisPR-FamR 6/2016 Anm. 5

Leitsatz

Zur Berücksichtigung luxemburgischer Familienleistungen (Schulanfangszulage, Differenzkindergeld und Kinderbonus) im Rahmen des Kindesunterhalts.

A. Problemstellung

Das OLG Saarbrücken setzt sich mit der Frage auseinander, in welcher Höhe kindbezogene Leistungen aus Luxemburg auf den Unterhaltsbarbedarf in Deutschland lebender Kinder anzurechnen ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Beteiligten streiten um die Höhe des vom in Luxemburg beschäftigten Antragsgegner geschuldeten Unterhalts für seine beiden Töchter, die in Deutschland bei ihrer Mutter leben. Diese bezieht neben dem staatlichen deutschen Kindergeld aus Luxemburg eine Familienzulage, eine Schulanfangszulage sowie einen Kinderbonus, wobei die Familienzulage wegen des Bezuges des deutschen Kindergelds nur als sog. Differenzkindergeld gezahlt wird, d.h. in Höhe des Unterschiedsbetragen zwischen der vollen Familienzulage und dem deutschen Kindergeld. Für die Zeit ab Februar 2015 hatten die Beteiligten erstinstanzlich den geschuldeten Unterhaltsbedarf nach der Einkommensgruppe 4 unstreitig gestellt. Gegen die Entscheidung des Ausgangsgerichts, das das Differenzkindergeld sowie den Kinderbonus hälftig auf den Barbedarf anrechnete, wandte sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, die das OLG Saarbrücken zurückwies. Die Anschlussbeschwerde mit der die Antragstellerinnen Unterhaltsrückstände sowie ab Juli 2015 120% des Mindestunterhaltes geltend machten, hatte teilweise Erfolg.
Zur Begründung hat das OLG Saarbrücken ausgeführt, dass dem zweitinstanzlich geltend gemachten Unterhalt in Höhe von 120% des Mindestunterhalts nicht nur die reale Einkommenssituation des Antragsgegners entgegenstehe, sondern auch die Tatsache, dass die Beteiligten erstinstanzlich diese in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt hätten. Darin liege ein Geständnis i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 288 ZPO, so dass der zweitinstanzliche Widerruf, dem der Antragsgegner auch nicht zugestimmt habe, unbeachtlich sei, da die Voraussetzungen des § 290 ZPO weder dargelegt noch ersichtlich seien.
Zugleich seien die Wertungen des Ausgangsgerichts zur Anrechnung des Differenzkindergeldes sowie des Betreuungsbonus nicht zu beanstanden. Die luxemburgische Familienzulage sei nicht dem Steuerrecht zugeordnet, sondern werde als staatliche Leistung im Rahmen der Familienbeihilfen gezahlt. Es sei daher wie das deutsche Kindergeld nach § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BGB hälftig auf den Barbedarf anzurechnen. Nach luxemburgischem Recht komme es für die Gewährung dieser Beihilfe nicht darauf an, in welchem Land das Kind lebe, so dass auch etwaige Kaufkraftunterschiede keine andere Sicht rechtfertigten. Eine mehr als hälftige Zurechnung des Differenzkindergeldes zugunsten des in Luxemburg arbeitenden Elternteils verstoße zudem gegen den Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt. Die Vergleichbarkeit der luxemburgischen Familienzulage mit dem deutschen Kindergeld zeige sich auch daran, dass im Fall deutschen Kindergeldbezugs die Leistung aus Luxemburg nur unter dessen Anrechnung gewährt werde.
Bezüglich des Kinderbonus sei die Rechtsprechung des EuGH beachtlich, der entschieden habe, dass dieser Bonus eine Familienleistung darstelle und nicht als Einkommen zu qualifizieren sei. Er habe eine zuvor den Eltern gewährte Steuerermäßigung ersetzt, stelle aber keine solche mehr dar. Vielmehr handele es sich um eine Leistung der sozialen Sicherheit, da er losgelöst von den geschuldeten Steuern automatisch zum Ausgleich der mit dem Unterhalt eines Kindes verbundenen Kosten gewährt werde.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Saarbrücken greift eine bislang höchstrichterlich nicht entschiedene Problematik auf, so dass das Oberlandesgericht auch die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Mit seinen Wertungen grenzt sich das OLG Saarbrücken dabei zu der bislang hierzu allein seitens des OLG Koblenz veröffentlichten Rechtsprechung ab.
Hinsichtlich des Differenzkindergeldes hatte das OLG Koblenz die nur hälftige Anrechnung auf den Barbedarf als unbillig angesehen, da auf diesem Weg dem betreuenden Elternteil ein höherer Betrag belassen werde, als jenem, der nur das deutsche Kindergeld beziehe (OLG Koblenz, Beschl. v. 18.03.2015 – 13 UF 825/14 – FamRZ 2015, 1618). In diesem Zusammenhang hat das OLG Saarbrücken zutreffend auf den sich ergebenden Wertungswiderspruch verwiesen, wenn – abweichend von dem entschiedenen Sachverhalt – der betreuende oder beide Elternteile in Luxemburg arbeiten.
Auch hinsichtlich des Kinderbonus kann der bisherigen Rechtsprechung des OLG Koblenz nicht mehr gefolgt werden, nachdem der EuGH (Urt. v. 24.10.2013 – C-177/12) zu der rechtlichen Einordnung dieses Bonus entschieden und der Gesetzgeber in Luxemburg dies im nationalen Recht umgesetzt hat.

D. Auswirkungen für die Praxis

Auf der Grundlage der Entscheidung des OLG Saarbrücken, die insbesondere auch die supranationale Rechtsprechung aufgreift, kann eine verlässliche Ermittlung des letztlich geschuldeten Barunterhaltsanspruches durchgeführt werden in allen Sachverhalten, die durch grenzübergreifende kindbezogene Leistungen bestimmt werden.