Nachfolgend ein Beitrag vom 25.4.2017 von Strohal, jurisPR-FamR 8/2017 Anm. 2

Leitsatz

Die Beratungspflicht des Anwaltsmediators erstreckt sich bei gewünschter einvernehmlicher Regelung der Scheidungsfolgen auch auf die Folgesache Versorgungsausgleich. Zur Haftung des Anwaltsmediators neben einem Terminsanwalt, der im Termin den Versorgungsausgleich durch Vereinbarung ausschließt.

A. Problemstellung

Das OLG Stuttgart hat sich mit den Pflichten des Anwaltsmediators gegenüber den Medianten befasst und der Frage einer möglichen Haftung des Anwaltsmediators bei deren Verletzung.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Eine Rechtsanwältin betreibt eine Anwaltskanzlei, die als Schlichtungsstelle/Rechtsanwälte und Konfliktbegleiter firmiert. Ein Ehepaar, das sich kostengünstig und einvernehmlich scheiden lassen wollte, ließ sich dort beraten und schloss hierüber mit der Rechtsanwältin einen Mediationsvertrag. Angedacht war der Abschluss einer Scheidungsfolgenvereinbarung über die Vermögensauseinandersetzung und den Zugewinn. Die Anwältin ließ sich darüber hinaus bevollmächtigen, bezüglich des Versorgungsausgleichs Auskünfte für beide Eheleute bei den Versorgungsträgern einzuholen. In der Folgezeit kam es vor Ehescheidung weder zu einer außergerichtlichen Scheidungsfolgenvereinbarung noch hatte die Anwältin bis dahin Auskünfte bei den Versorgungsträgern eingeholt.
Zur Abwicklung des Ehescheidungsverfahrens zog die Anwaltsmediatorin eine Kollegin als Antragstellervertreterin hinzu, die ohne eigene Informationsgewinnung und Beratungsleistung für den Ehemann Scheidungsantrag stellte und ankündigte, man werde im Termin einen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und den Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu Protokoll geben. Entsprechende Vereinbarungen wurden vor dem Amtsgericht protokolliert unter Mitwirkung eines gleichfalls nicht informierten, auf dem Gerichtsflur zufällig anwesenden weiteren Anwalts, der unter Ausschluss jeglicher Haftung für die Ehefrau gegen eine geringe Vergütung handelte. Die Scheidungsanwältin gab vereinbarungsgemäß die von ihr verdiente Anwaltsvergütung bis auf einen kleinen Betrag an die Anwaltsmediatorin ab, die ihr dieses Mandat vermittelt hatte.
Das Familiengericht hat dementsprechend die Ehe der Eheleute geschieden und den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Die später eingeholten Auskünfte der Versorgungsträger ergaben eine Ausgleichsdifferenz von 15,6497 Entgeltpunkten zugunsten der Ehefrau, deren Verlust diese als ihr entstandenen Schaden benennt.
In einem darauf folgenden Haftpflichtprozess hat sich der im Scheidungsverfahren die Ehefrau vertretende Terminsanwalt verpflichtet, an diese Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung zu leisten. Die Hälfte des Schadens macht er im Gesamtschuldnerausgleich gegen die Anwaltsmediatorin geltend.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Anwaltsmediatorin habe keine ihr aus dem Mediationsvertrag obliegende Pflicht verletzt.
Das OLG Stuttgart hat die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und die Anwaltsmediatorin als Gesamtschuldnerin neben dem die Ehefrau vertretenden Terminsanwalt im internen Ausgleich zu anteiligem Schadensersatz insbesondere wegen des unterbliebenen Ausgleichs der Rentenanwartschaften verpflichtet.
Auf den Mediationsvertrag fänden die Grundsätze der Anwaltshaftung Anwendung. Die Beratung über die Folgesache Versorgungsausgleich sei von diesem Vertrag umfasst gewesen. Die Mediatorin sei zur umfassenden Sachaufklärung und entsprechenden Beratung verpflichtet gewesen. Diese Pflicht habe sie verletzt, indem sie die zunächst beabsichtigte Einholung der Rentenauskünfte unterlassen und die Ehefrau nicht darauf hingewiesen habe. Die Mediatorin habe auch in dem Scheidungsverfahren Fürsorgepflichten für beide Eheleute getroffen. Sie habe die dafür notwendigen Daten in Abwesenheit der von ihr für das Verfahren beigezogenen Kollegin selbst in ihren Räumen erhoben, wesentliche Teile des Antrages selbst formuliert und damit den Eindruck erweckt, sie sei auch für das Ehescheidungsverfahren weiterhin zuständig. Sie habe auch das für das Verfahren angefallene Anwaltshonorar überwiegend vereinnahmt. Die das Verfahren betreibende Anwältin habe demgegenüber nicht als eigenständige und unabhängige Rechtsanwältin gehandelt.

C. Kontext der Entscheidung

Die Verwendung des Begriffs „Anwaltsmediator“ verlangt Klarheit. Losgelöst von der Frage der Berechtigung zum Angebot von Rechtsdienstleistungen deutet die Bezeichnung Anwaltsmediator lediglich auf den professionellen Ursprung des Mediators hin. Der Begriff kennzeichnet einen Rechtsanwalt, der in der Funktion eines Mediators auftritt. In dieser Funktion darf der Rechtsanwalt die Parteien nicht individuell rechtlich beraten. Ein dem widersprechendes Verhalten verstößt nicht nur gegen den Grundsatz der Neutralität, es erfüllt auch das Tätigkeitsverbot gemäß § 3 Abs. 2 MediationsG (http://www.wiki-to-yes.org/wiki/Anwaltsmediator).
In dieser Tätigkeitsabgrenzung zwischen Mediator und Rechtsanwalt liegt das Konfliktfeld. Die Arbeit des Mediators folgt den Regeln des Mediationsgesetzes. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts in der Mediation und anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung hat ihren Ausgangspunkt im Verfahrensrecht (so z.B. § 36a FamFG). Sie folgt § 18 BORA, wonach der Rechtsanwalt auch als Mediator den Regeln des Berufsrechts unterliegt. Im Verhältnis zwischen MediationsG und Berufsrecht handelt es sich um ein Nebeneinander, wobei das MediationsG das Berufsrecht insoweit verdrängt, als das Berufsrecht dem MediationsG widerspricht (Meyer/Schmitz-Vornmoor, DNotZ 2012, 895).
So zielt § 2 Abs. 6 MediationsG auf eine Einigung der Medianten durch Hinwirken des Mediators bei dessen gleichzeitigem Ausschluss der Beratung ab, wobei dieser den klärungsbedürftigen Sachverhalt – von Nachfragen abgesehen – häufig nicht sicher aufklären kann und deshalb darauf angewiesen ist, dass die Medianten sich durch externe Berater begleiten lassen (Risse, SchiedsVZ 2012, 244).
Die Anwaltsmediatorin des vorliegenden Falls hat die Aufgabe einer Mediation für ein in Scheidung begriffenes Ehepaar übernommen, wobei der Tatbestand Zweifel daran zulässt, dass mit den Medianten ein praxisüblicher Mediationsvertrag geschlossen worden ist, der den Umfang der Mediation und eventuell weiterer Rechtsdienstleistungen festschreibt.
Die Anwaltsmediatorin hat zur Überzeugung des OLG Stuttgart außerhalb des reinen, die Vermögensauseinandersetzung und die Regelung des Zugewinnausgleichs betreffenden Mediationsverfahrens als Dienstleistung auch die Organisation des Ehescheidungsverfahrens übernommen, indem sie namens des Ehemanns eine Anwaltskollegin mit der Antragstellung bei dem Familiengericht beauftragte, der keine eigene Beratungsfunktion, aber auch kein eigener Vergütungsanspruch gegen den Mandanten zukam. Sie hat die Korrespondenz mit der Anwaltskollegin inhaltlich für beide Medianten geführt, die zum Zeitpunkt der anschließenden Ehescheidung noch keine abschließende Einigung über alle Scheidungsfolgen erzielt hatten, gleichwohl wesentliche Punkte durch Verzichtsvereinbarung vor dem Familiengericht festschrieben.
Die Übernahme dieser Dienstleistung war berufsrechtlich fragwürdig, weil die einseitige Beratung und Unterstützung des Ehemanns nicht auszuschließen war. Die rechtsunkundigen Medianten durften aber davon ausgehen, dass die Mediatorin die ihnen angebotene Organisation des Scheidungsverfahrens in dem mit ihnen besprochenen Sinn führen würde. Dies war bezüglich des Versorgungsausgleichs, zu dem noch keine Auskünfte der Versorgungsträger vorlagen, ersichtlich nicht der Fall. Das OLG Stuttgart hat deshalb zu Recht einen Pflichtenverstoß der Mediatorin im Verhältnis zu den Medianten und in dessen Folge einen Schadensersatzanspruch der Ehefrau gegen die Anwaltsmediatorin wegen entgangenen Versorgungsausgleichs bejaht (§§ 675, 312, 280 BGB).

D. Auswirkungen für die Praxis

Das Problem des Falles liegt streng betrachtet nicht im Mediationsverfahren selbst. Insoweit ist aber zu empfehlen, sich an den mediatorischen Leitlinien zu orientieren und jederzeit gegenüber den Medianten für Klarheit über die Mediationsinhalte und die zeitlichen Abläufe zu sorgen.
Der Fall geriet dadurch in Schieflage, dass die Anwaltsmediatorin auch die Organisation des Ehescheidungsverfahrens übernahm und eine von ihr wirtschaftlich und auch inhaltlich abhängige Kollegin für den Ehemann bestellte, der seine Anwältin erstmals im Familiengericht kennenlernte und keine fachlichen Gespräche mit ihr führen konnte. Man verließ sich auf die noch nicht abgeschlossene Arbeit der Mediation, schlug gleichwohl irrevisible Pflöcke durch Verzicht auf Ehegattenunterhalt und Versorgungsausgleich ein.
Diese Schieflage verstärkte sich noch dadurch, dass für die Ehefrau zur Mitwirkung bei der Protokollierung der Scheidungsfolge Versorgungsausgleich ein zufällig auf dem Gerichtsflur befindlicher Terminsanwalt gegen eine geringe Gebühr organisiert wurde, der den Fall noch am wenigsten kannte. Der zuvor vereinbarte Ausschluss jeglicher Haftung für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs konnte ersichtlich keinen Bestand haben.
So bleibt für die Praxis nur die dringende Empfehlung, das Mediationsverfahren seriös zu Ende zu führen, eine erzielte Einigung formgerecht zu Papier zu bringen und erst dann den Auftrag für das Ehescheidungsverfahren zu erteilen, am besten nicht unter Inanspruchnahme des Mediators, sondern seitens der Medianten selbst und an denjenigen, der während des Mediationsverfahrens als externer Berater des Medianten tätig war. Von sog. Fluranwälten sollte nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden, wenn Regelungen geringen Gewichts zu protokollieren sind.