Nachfolgend ein Beitrag vom 5.7.2016 von Hoffmann, jurisPR-FamR 14/2016 Anm. 5

Leitsatz

Zur Bindungswirkung familiengerichtlicher Anerkennungsentscheidungen nach den Vorschriften des Adoptionswirkungsgesetzes.

A. Problemstellung

Die Entscheidung befasst sich mit der Wirksamkeit der gemeinschaftlichen Adoption eines Kindes durch zwei ledige Personen gleichen Geschlechts in der Republik Südafrika und der in Deutschland beantragten Nachbeurkundung der Auslandsgeburt des Kindes.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Zwei deutsche Staatsangehörige, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft ohne familienrechtliche Bindung zunächst in Südafrika zusammen lebten, hatten gemeinschaftlich ein Kind in Südafrika adoptiert. Das deutsche Familiengericht stellte nach Übersiedlung nach Deutschland rechtskräftig fest, dass die in Südafrika ausgesprochene Annahme des Kindes anerkannt werde und das Annahmeverhältnis einem nach deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichstehe. Im Hinblick auf die in Deutschland bestehende Unzulässigkeit einer gemeinschaftlichen Adoption durch zwei unverheiratete Personen bezweifelte das Standesamt und die Standesamtsaufsicht die Möglichkeit, die Beurkundung der Geburt vorzunehmen und hielten den Beschluss des Familiengerichts für nichtig.
Der BGH hat zunächst mit umfangreicher Begründung eine Beschwerdeberechtigung des Standesamts verneint.
Die Rechtsbeschwerde der Standesamtsaufsicht sei zwar zulässig, aber nicht begründet. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG wirkten solche Entscheidungen für und gegen alle und entfalten damit auch Bindungswirkung gegenüber Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten. Diese Bindung sei nicht an die sachliche Richtigkeit oder Rechtmäßigkeit der familiengerichtlichen Entscheidung geknüpft. Der Beschluss des Familiengerichts sei unabänderbar und unanfechtbar. Eine Bindungswirkung könne nur ausnahmsweise dann entfallen, wenn diese an einem so offensichtlichen und schwerwiegenden rechtlichen Mangel leide, dass sie wegen greifbarer Rechtswidrigkeit als unwirksam zu behandeln sei. Nach den für die Nichtigkeit von Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Grundsätzen werde eine Durchbrechung der Bindungswirkung allenfalls in solchen extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen, in denen die Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehre und inhaltlich dem Gesetz fremd sei. Ein Verstoß gegen den materiellen ordre public gemäß § 109 Nr. 4 FamFG liege nicht vor. Für die Frage der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung sei nicht auf den nationalen ordre public nach Art. 6 EGBGB abzustellen, den die deutschen Gerichte bei Anwendung ausländischen Rechts zu beachten hätten, sondern auf den großzügigeren anerkennungsrechtlichen ordre public International. Mit diesem sei eine ausländische Entscheidung nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter – hätte er das Verfahren entschieden – aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Maßgeblich sei vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in einen so starken Widerspruch stehe, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheine. Das Recht der Entscheidungsanerkennung verfolge als vornehmliches Ziel die Wahrung des internationalen Entscheidungseinklangs und – insbesondere in Personenstandsangelegenheiten – die Vermeidung sog. hinkender Rechtsverhältnisse. Nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG sei im Interesse eines internationalen Entscheidung Einklang restriktiv auszulegen, so dass die Versagung der Anerkennung wegen Verstoßes gegen den ordre public schon im Ausgangspunkt auf Ausnahmefälle beschränkt bleibe. Von grundlegender Bedeutung für das deutsche Adoptionsrecht und deshalb grundsätzlich bei der Anerkennung ausländischer Entscheidungen im Rahmen des materiellen ordre public zu beachten sei jedenfalls die Ausrichtung der Adoptionsentscheidung am Wohl des angenommenen Kindes.
Dabei könne es keinen Verstoß gegen den ordre public begründen, wenn die Elternstellung durch eine ausländische Adoptionsentscheidung einem gleichgeschlechtlichen und nicht einem verschieden geschlechtlichen Paar zugewiesen werde. Bedenken allgemeiner Art, die sich gegen das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Elterngemeinschaften richten, könnten nicht mehr erhoben werden (Hinweis auf BVerfG, Urt. v. 19.02.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 Rn. 80 – FamRZ 2013, 521). Im Übrigen lasse das deutsche Recht selbst zumindest in den Fällen der Stiefkind- und Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner die gerichtliche Begründung einer Elternschaft durch zwei gleichgeschlechtliche Personen zu, so dass auf diesem Hintergrund die von einem ausländischen Gericht unter Anwendung ausländischer Sachvorschriften ausgesprochene gemeinschaftliche Fremdkindadoption durch ein gleichgeschlechtliches Paar nicht zu einem Ergebnis führe, dass schon wegen der sexuellen Orientierung der Adoptiveltern mit der deutschen Rechtsvorstellung völlig unvereinbar wäre. Zwar kenne das deutsche Recht keine Annahme eines Kindes durch zwei Personen in einer rechtlich unverbindlichen Paarbeziehung. Vor dem Hintergrund sich wandelnder Rechtsvorstellungen und den dazu zum Ausdruck gebrachten Änderungen des Europäischen Adoptionsübereinkommens vom 27.11.2008 sei es den Vertragsstaaten erlaubt, den Anwendungsbereich des Übereinkommens auf gleich- oder verschiedengeschlechtliche Paare auszudehnen, sofern diese in einer stabilen Beziehung lebten. Mit der typisierenden Annahme des Gesetzgebers, nur eine rechtlich verbindliche Lebensgemeinschaft biete die beste Gewähr für stabile und kindeswohlverträgliche Lebensverhältnisse, werde eine Beurteilung des Kindeswohls vorweggenommen, die besser im Einzelfall zu treffen sei. Im Hinblick auf diese Entwicklungen sei es nicht schlechthin unvertretbar, die gemeinschaftliche Annahme eines Kindes im Ausland durch zwei nicht verheiratete bzw. nicht verpartnerte Personen dann nicht in einem unerträglichen Widerspruch zu den vom Leitbild des Kindeswohls geprägten Grundgedanken des deutschen Adoptionsrechts zu sehen, wenn die Dauerhaftigkeit und Stabilität der Lebensgemeinschaft der Annehmenden Voraussetzung für die Annahme sei und das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Rahmen der Elterneignungsprüfung durch eine geeignete Stelle überprüft werde. Beruht indessen die Anerkennungsentscheidung auf einer zumindest vertretbaren Rechtsanwendung, könne ihr der Makel einer greifbaren Rechtswidrigkeit nicht anhaften. Für die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung komme es folgerichtig nur darauf an, dass wesentliche Verfahrensgrundsätze eingehalten worden seien und sie den Grundgedanken des deutschen Rechts nicht in unerträglicher Weise widersprechen. Liegen diese Voraussetzungen vor, nehme es das Gesetz im Einzelfall hin, auch solchen Auslandsadoption die Rechtswirkungen einer im Inland erfolgten Adoption beizulegen, die in Deutschland mangels gesetzlicher Grundlage nicht hätten angeordnet werden können.

C. Kontext der Entscheidung

Es ist auf die Mitteilung der Pressestelle des BGH Nr. 104/2016 zu verweisen und den dort veröffentlichten Beschluss des BGH vom 20.04.2016 (XII ZB 15/15), der sich mit der Anerkennung einer Eltern-Kind-Zuordnung zur Ehefrau der Mutter nach südafrikanischen Recht befasst.

D. Auswirkungen für die Praxis

Der BGH leistet mit seiner Entscheidung einen wesentlichen Beitrag zur Anerkennungsfreundlichkeit bei der Auslegung und Anwendung der Anerkennungsvorschriften nach § 109 Nr. 4 FamFG (Verstoß gegen den materiellen ordre public). Die im Adoptionsverfahren regelmäßig vom Bundesamt der Justiz (Bundeszentralstelle für Auslandsadoption BZAA) vorgetragenen Bedenken dürften bei dieser Auslegung in zahlreichen Fällen nicht mehr greifen.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Der BGH befasst sich ausführlich mit der Begründung der – verneinten – Beschwerdeberechtigung des Standesamts.