Nachfolgend ein Beitrag vom 15.8.2017 von Götsche, jurisPR-FamR 16/2017 Anm. 3
Leitsatz
Der Auskunftsanspruch gegen den Versorgungsträger nach § 4 Abs. 2 VersAusglG ist auch dann subsidiär, wenn die Auskunft der Ermittlung und Durchsetzung eines unmittelbaren Zahlungsanspruchs gegen den Versorgungsträger selbst dient.
A. Problemstellung
Unter welchen Voraussetzungen kann ein Ehegatte vom Versorgungsträger des anderen, bereits verstorbenen Ehegatten Auskünfte zur Durchsetzung seiner Hinterbliebenenversorgung verlangen?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner, einer Rundfunkanstalt, als Träger der Hinterbliebenenversorgung im Stufenwege Auskunft über die Höhe der ihrem geschiedenen verstorbenen Ehemann gezahlten Dienstbezüge bzw. Leistung der nach § 25 VersAusglG sich ergebenden Hinterbliebenenversorgung. Die Ehe war in 1999 rechtskräftig geschieden worden. Der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich wurde unter anderem dahin geregelt, dass der den Höchstbetrag in § 1587 b Abs. 5 BGB überschreitende Rentenausgleich aus dem Versorgungsanrecht gegenüber dem Antragsgegner dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten wurde.
Der Verstorbene hatte erneut geheiratet, seine Witwe ist Beteiligte des Verfahrens. Die Witwe ist von der Antragstellerin nicht um Auskunft zur Höhe der Dienstbezüge des Verstorbenen ersucht worden.
Der BGH hat einen (unmittelbaren) Auskunftsanspruch der Antragstellerin verneint.
Der aus § 4 Abs. 2 VersAusglG folgende Auskunftsanspruch gegen den Versorgungsträger sei gegenüber dem Anspruch gegen den anderen Ehegatten, dessen Hinterbliebenen oder Erben subsidiär. Er entstehe erst, wenn und soweit der Auskunftsberechtigte von diesen eine Auskunft nicht erhalten könne. Dies gelte angesichts des Wortlautes des Gesetzes, seiner Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik auch, wenn die Auskunft der Ermittlung und Durchsetzung eines unmittelbaren Zahlungsanspruchs gegen den Versorgungsträger selbst diene. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 VersAusglG seien daher nicht erfüllt, da die Antragstellerin an Hinterbliebene oder Erben des Verstorbenen, insbesondere an dessen Witwe, nicht mit einem Auskunftsverlangen herangetreten sei.
C. Kontext der Entscheidung
Auskunftsansprüche der Beteiligten einer Versorgungsausgleichssache (Eheleute bzw. deren Hinterbliebenen/Erben, Versorgungsträger) regelt § 4 VersAusglG; Auskunftsrechte des Gerichts gegenüber diesen Beteiligten (sowie Dritten) ergeben sich aus § 220 FamFG.
Nach § 4 Abs. 1 VersAusglG sind die Ehegatten, ihre Hinterbliebenen und Erben verpflichtet, einander die für den Versorgungsausgleich erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Gemäß § 4 Abs. 2 VersAusglG hat ein Ehegatte, sein Hinterbliebener oder Erbe einen entsprechenden Auskunftsanspruch gegen die betroffenen Versorgungsträger, sofern er die erforderlichen Auskünfte nicht von dem anderen Ehegatten, dessen Hinterbliebenen oder Erben erhalten kann. Der in § 4 Abs. 2 VersAusglG geregelte Auskunftsanspruch eines Ehegatten gegen den Versorgungsträger ist damit nur als subsidiärer Hilfsanspruch neben dem primären Anspruch der Ehegatten untereinander ausgestaltet. Dies gilt nach dem BGH praktisch uneingeschränkt, auch wenn der Überlebende nach § 25 VersAusglG (im Wege des sog. verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs) unmittelbar gegen den Versorgungsträger vorgehen kann.
D. Auswirkungen für die Praxis
§ 4 VersAusglG steht im Allgemeinen Teil des VersAusglG und gilt deshalb für jede Versorgungsausgleichssache. Praktische Bedeutung erhält § 4 VersAusglG aus Sicht der Ehegatten vor allem – wie auch hier – für die Vorbereitung des Ausgleichs nach der Scheidung, §§ 20 ff. VersAusglG. Während der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens besteht dagegen wegen der Amtsermittlungspflichten des Gerichts nur ein geringes Bedürfnis der Beteiligten nach Geltendmachung eigener Auskunftsansprüche.
Auskunftsansprüche zum Versorgungsausgleich sind zunächst gegenüber dem anderen Ehegatten nach § 4 Abs. 1 VersAusglG geltend zu machen. Ist dieser verstorben, sind seine Hinterbliebenen oder Erben auf Auskunft in Anspruch zu nehmen; erst danach kommen Ansprüche gegen den Versorgungsträger des Verstorbenen nach § 4 Abs. 2 VersAusglG in Betracht. Wenn keine Hinterbliebenen vorhanden sind und die Erbfolge unklar ist, mag jedoch sehr ausnahmsweise die unmittelbare Inanspruchnahme des Versorgungsträgers des Verstorbenen nach § 4 Abs. 2 VersAusglG in Betracht kommen können.
§ 4 Abs. 2 VersAusglG regelt keine Auskunftsansprüche eines Ehegatten gegen seine eigenen Versorgungsträger. Solche Auskunftsansprüche können aus dem jeweiligen materiellen Leistungsrecht bestehen (vgl. dazu Götsche in: HK-VersAusglG, 2. Aufl. 2015, § 4 Rn. 12).
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Ob § 4 Abs. 2 VersAusglG eine vorherige erfolglose gerichtliche Geltendmachung des Auskunftsanspruchs voraussetzt (so Borth, Versorgungsausgleich, 7. Aufl., Rn. 1275) oder ob es ausreicht, dass die Auskunftsverpflichteten erfolglos zur Auskunft aufgefordert und gemahnt wurden (vgl. BT-Drs. 16/10144, S. 48), konnte der BGH offenlassen, da die Antragstellerin solches gar nicht erst versucht hatte.