Nachfolgend ein Beitrag vom 5.1.2016 von Götsche, jurisPR-FamR 1/2016 Anm. 6

Leitsätze

1. Schenkungen von Schwiegereltern an ihr Schwiegerkind zur Bedienung eines Immobilienkredits können ihre Geschäftsgrundlage im dauerhaften Wohnen des eigenen Kindes nur im Umfang des Tilgungsanteils haben. Mit dem Zinsanteil werden demgegenüber Kosten des laufenden Lebensunterhalts bestritten, welche grundsätzlich nicht zu einer Rückforderung berechtigen.
2. Zum Umfang der für den Rückgewähranspruch zu berücksichtigenden Zweckerreichung wegen der bis zum Scheitern der Ehe erfolgten Nutzung.

A. Problemstellung

Unter welchen Voraussetzungen und bejahendenfalls in welcher Höhe können Schwiegereltern Zuwendungen, die sie an das eigene und das Schwiegerkind geleistet haben, zurückfordern?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Antragsteller ist der frühere Schwiegervater des Antragsgegners. Er begehrt nach Scheitern der Ehe seiner Tochter mit dem Antragsgegner die Rückgewähr von Geldzuwendungen.
Die Ehe wurde 1996 geschlossen. Im selben Jahr erwarben die Ehegatten ein Einfamilienhausgrundstück zu hälftigem Miteigentum und nahmen zur Finanzierung ein Darlehen auf. Der Antragsteller und seine Ehefrau wandten den Ehegatten während der Ehe verschiedene Geldbeträge zu. Unter anderem überwiesen sie von Januar 1997 bis Dezember 2001 monatlich 800 DM und von Januar 2002 bis Juni 2008 monatlich 409 Euro auf das Girokonto des Antragsgegners.
Die Eheleute trennten sich 2008, die Ehe wurde 2011 rechtskräftig geschieden. Aufgrund notarieller Scheidungsfolgenvereinbarung übertrug der Antragsgegner seiner Ehefrau seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück gegen Zahlung von 75.000 Euro sowie gegen Übernahme der Restverbindlichkeiten. Ferner vereinbarten die Ehegatten, dass etwaige wechselseitige Zugewinnausgleichsansprüche ausgeglichen und erledigt sein sollten.
Das Oberlandesgericht hat dem Schwiegervater einen Rückgewähranspruch versagt. Die mit der Zuwendung verbundene Zweckerreichung sei im Regelfall bei einer Ehedauer von 20 Jahren eingetreten. Zudem werde in der Regel auch im Vordergrund der Erwartung stehen, dem eigenen Kind und den Enkelkindern ein Wohnen im Haus zu ermöglichen, was spätestens mit deren Volljährigkeit erreicht sein werde.
Der BGH hebt im Rechtsbeschwerdeverfahren die Entscheidung insoweit auf. In welchem Umfang Rückgewährung geschuldet ist, werde davon beeinflusst, inwiefern sich die zur Geschäftsgrundlage gewordenen Vorstellungen der zuwendenden Schwiegereltern verwirklicht haben. Hierbei sei darauf abzustellen, was die Schwiegereltern für den Empfänger insoweit erkennbar nach Treu und Glauben erwarten durften. Dagegen lasse sich – insbesondere bei Immobilien – ohne konkrete Anhaltspunkte keine allgemeine zeitliche Grenze angeben, mit der die vorgestellte Nutzungsdauer abgelaufen ist. Daher verbiete sich die Annahme des Oberlandesgerichts, die Nutzung der angeschafften Immobilie sei ohne weiteres schon dann als hinreichend zu betrachten, wenn eine Ehedauer von 20 Jahren erreicht ist oder wenn die Enkel volljährig geworden sind. Das würde voraussetzen, dass die Schwiegereltern von vornherein die Vorstellung hätten, dass ihr Kind lediglich für eine begrenzte Dauer von der Zuwendung profitieren und eine zugewendete – oder eine ersatzweise angeschaffte andere – Immobilie etwa nach Auszug der Enkelkinder nicht mehr bewohnen werde. Mangels entsprechender konkreter Anhaltspunkte fehle einer solchen Annahme die Grundlage. Für sie könne insbesondere nicht die Lebenserfahrung angeführt werden.
Durch die monatlich überwiesenen Beträge sei zudem nur insoweit eine zur dauerhaften Nutzung bestimmte Vermögensbildung eingetreten, als die Darlehensverbindlichkeiten mit ihrer Hilfe getilgt werden sollten. Der Zinsanteil stelle sich demgegenüber nicht als eine solche Vermögensbildung dar, da dieser Anteil zur Befriedigung des Wohnbedarfs und mithin zur Bestreitung des Lebensunterhalts diente.

C. Kontext der Entscheidung

Unentgeltliche Zuwendungen der Schwiegereltern an den Ehepartner des eigenen Kindes ordnet der BGH nunmehr als Schenkungen i.S.d. § 516 BGB ein, auch wenn sie mit Rücksicht auf die Ehe des Schwiegerkindes mit dem eigenen Kind und zur Begünstigung des ehelichen Zusammenlebens erfolgen (grundlegend BGH, Urt. v. 03.02.2010 – XII ZR 189/06 – FamRZ 2010, 958).
Mögliche Rückgewähransprüche der Schwiegereltern richteten sich zunächst nach Schenkungsrecht (§§ 527 ff. BGB) oder als Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB).
Regelmäßig liegen deren tatbestandliche Voraussetzungen aber nicht vor; dann sind im Fall des Scheiterns der Ehe die Grundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anwendbar. Die Geschäftsgrundlage einer schwiegerelterlichen Schenkung, dass die Zuwendung auch dem eigenen Kind auf Dauer zugutekommt, fällt jedenfalls dann (teilweise) weg, wenn das eigene Kind nicht im vorgestellten Umfang von der Schenkung profitiert. Als weitere Voraussetzung eines Rückgewähranspruchs muss hinzukommen, dass dem Zuwendenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Bei monatlichen Überweisungen zur Rückzahlung eines Immobilienkredits handelt es sich nur insoweit um unentgeltliche Vermögenszuwendungen, als dies den Tilgungsanteil des Darlehens betrifft.
Für die Höhe eines Rückgewähranspruchs sind insbesondere die Ehedauer, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Schwiegereltern und früheren Ehegatten, der Umfang der durch die Zuwendung bedingten und beim Schwiegerkind noch vorhandenen Vermögensmehrung, aber auch mit der Schenkung verbundene Erwartungen des Zuwendenden hinsichtlich seiner Versorgung im Alter von Bedeutung. Dies muss in jedem Einzelfall ermittelt werden.
Die obergerichtliche Rechtsprechung ging gerade bei immobilienbezogenen Schenkungen davon aus, dass der Zweck vollständig erreicht und eine Rückgewährung ausscheidet, wenn eine Ehedauer von 20 Jahren erreicht ist oder wenn die Enkel volljährig geworden sind (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.02.2013 – II-7 UF 185/12, 7 UF 185/12 – FamRZ 2014, 161; OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.06.2012 – 6 UF 12/12, – FamRB 2013, 237; ebenso Büte, FuR 2011, 664, 665). Einer solchen Pauschalisierung erteilt der BGH ausdrücklich eine Absage.

D. Auswirkungen für die Praxis

Der BGH führt seine grundsätzliche Linie einer einzelfallbezogenen Rechtsprechung auch für die Rückabwicklung schwiegerelterlicher Zuwendungen fort. Feste, für bestimmte Fälle stets geltende zeitliche Grenzen für eine Zweckerreichung dürften sich damit erledigt haben. Es müssen daher auf jeden Fall die Gründe (Vorstellungen) für die Zuwendung möglichst genau genannt werden. Den Praktiker wird dies kaum erfreuen, da er die konkrete Höhe eines Rückgewähranspruches hierdurch kaum mehr prognostizieren kann; selbst die Frage, ob überhaupt noch ein solcher Anspruch besteht, wird gerade bei länger andauernden Ehen kaum mehr zuverlässig zu beantworten sein.