Nachfolgend ein Beitrag vom 5.1.2016 von Stockmann, jurisPR-FamR 1/2016 Anm. 7

Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Das Anerkennungsverfahren nach dem Adoptionswirkungsgesetz (AdWirkG) ist keine Adoptionssache nach § 186 FamFG und damit keine Familiensache i.S.v. § 111 FamFG.
2. Unterlässt das Ausgangsgericht im Fall einer Beschwerde die durch § 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG gebotene Abhilfeentscheidung, so kann das Beschwerdegericht gleichwohl – ohne Rückgabe des Verfahrens zur Nachholung der Entscheidung über die Abhilfe – zur Sache entscheiden.
3. Die Anerkennung einer ausländischen Minderjährigenadoption kommt nicht in Frage, wenn das ausländische Gericht nicht berücksichtigt hat, dass der Anzunehmende infolge der Entscheidung im Ausland leben werde.

A. Problemstellung

Welche Anforderungen sind an die Anerkennung einer im Ausland erfolgten Minderjährigenadoption zu stellen?
Welche Verfahrensvorschriften sind auf das Anerkennungsverfahren nach dem AdWirkG anzuwenden?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Antragstellerin und ihr Ehemann sind ugandische Staatsangehörige. Ihr Ehemann floh 2009 aus politischen Gründen aus Uganda und wurde 2010 in Deutschland als Asylberechtigter anerkannt. In der Folgezeit holte er im Rahmen der Familienzusammenführung seine Frau und seine zwei leiblichen Kinder nach Deutschland. Vor der Übersiedlung nach Deutschland führte die Antragstellerin bezüglich eines seit fünf Jahren bei ihr lebenden minderjährigen Vollwaisenkindes ihrer verstorbenen Cousine in Uganda ein Adoptionsverfahren durch. Da im Verfahren zur Familienzusammenführung beim deutschen Ausländeramt diese Adoption nicht anerkannt wurde, hat die Antragstellerin beim AG Nürnberg beantragt, die ugandische Adoption in Deutschland gerichtlich anzuerkennen.
Das Amtsgericht wies den Antrag der Antragstellerin zurück, da eine Adoption wegen unvollständiger ugandischer Dokumente nicht nachgewiesen sei.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat die Beschwerde dem Oberlandesgericht vorgelegt, ohne eine Entscheidung über die Abhilfe zu treffen. Es hat darauf verwiesen, dass in Familiensachen eine Abhilfe durch das Ausgangsgericht gesetzlich nicht vorgesehen ist (§ 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG).
Das OLG Nürnberg erachtet das Rechtsmittel als zulässig. Einer Entscheidung durch das Beschwerdegericht stehe nicht entgegen, dass das Amtsgericht die Beschwerde vorgelegt hat, ohne darüber zu entscheiden, ob es der Beschwerde abhilft oder nicht. Insoweit könne dahinstehen, ob es sich bei der erstinstanzlichen Entscheidung um eine einer Abhilfeentscheidung zugängliche Entscheidung handelt oder um eine Endentscheidung in einer Familiensache, bei der das Amtsgericht nicht zur Abhilfe befugt ist. Denn auch dann, wenn man davon ausgehe, dass im vorliegenden Fall eine Abhilfe durch das Erstgericht möglich gewesen wäre, sei es nicht erforderlich, eine solche einzuholen, da das Vorliegen einer Entscheidung über die Nichtabhilfe/Abhilfe nicht Voraussetzung für den Erlass einer Beschwerdeentscheidung sei. Das Abhilfeverfahren diene der Verfahrensbeschleunigung. Es wäre daher kontraproduktiv, zunächst das erstinstanzliche Gericht zu einer Entscheidung zu zwingen, obwohl das Beschwerdegericht bereits selbst entscheiden könne.
Dann muss sich das OLG Nürnberg aber wegen der Prüfung, ob nach § 191 FamFG ein Verfahrensbeistand zu beteiligen ist, dennoch hinsichtlich der Einordnung des Verfahrens positionieren: Bei dem Anerkennungsverfahren nach dem AdwirkG handle es sich nicht um ein Adoptionsverfahren nach den §§ 186 ff. FamFG. § 5 Abs. 3 Satz 1 AdwirkG unterstelle zwar das Verfahren dem FamFG; dort werde in § 186, der die Adoptionssachen umschreibt, das Anerkennungsverfahren aber nicht genannt. Deswegen seien die speziellen Vorschriften des Adoptionsverfahrens nicht anzuwenden, insbesondere entfalle damit die Notwendigkeit, dem Kind einen Verfahrensbeistand zu bestellen.
In der Sache bleibt die Beschwerde erfolglos: Die ugandische Adoption könne nicht anerkannt werden, da dieser das Anerkennungshindernis des § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG entgegenstehe. Es sei mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (ordre public) offensichtlich unvereinbar, dass sich das ugandische Gericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, dass der künftige Aufenthalt des Kindes in Deutschland liegen werde. Es mangele daher an einer ausreichenden Prüfung des Kindeswohls. Dies stelle einen gravierenden Mangel dar, sodass von einem Verstoß gegen den deutschen ordre public auszugehen sei. Da Sinn des Anerkennungsverfahrens nicht sei, das Adoptionsverfahren nachzuholen, könne dieser Verstoß auch nicht mehr im Anerkennungsverfahren behoben werden.

C. Kontext der Entscheidung

Ohne nähere Begründung stellt das OLG Nürnberg letztlich fest, das Verfahren nach dem AdWirkG sei keine Adoptionssache und damit auch keine Familiensache. Diese Feststellung hat nicht nur Auswirkungen auf die Frage, ob das Ausgangsgericht für den Fall einer Beschwerde über deren Abhilfe zu entscheiden hat (§ 68 Abs. 1 FamFG), sondern auch auf die grundsätzliche Gestaltung des Verfahrens (z.B. zur evtl. Notwendigkeit eines Verfahrensbeistandes).
Dabei ist diese Frage in Rechtsprechung (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.03.2012 – 1 UF 120/10 [Familiensache] und OLG Hamm, Beschl. v. 24.01.2012 – 11 UF 102/11 [Keine Familiensache]) und Literatur (vgl. z.B. Weitzel, FamRZ 2012, 1231; Braun, ZKJ 2012, 216; Maurer, FamRZ 2013, 90) stark umstritten. Deswegen wäre eine argumentative Begründung hierzu wünschenswert gewesen.
Das Oberlandesgericht meinte wohl, darauf verzichten zu können, da es das Anerkennungsbegehren aus einer zusätzlichen, vom Ausgangsgericht offensichtlich nicht herangezogenen Überlegung für unbegründet und die Sache deswegen für entscheidungsreif hielt.
Die von ihm gewählte Vorgehensweise, das Verfahren nicht zur Nachholung der vom Beschwerdegericht für erforderlich gehaltenen Abhilfeentscheidung zurückzugeben, sondern selbst zu entscheiden wird – soweit ersichtlich – nicht mehr in Frage gestellt, vgl. z.B. Abramenko in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl. 2014, § 68 Rn. 13; Sternal in: Keidel, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 68 Rn. 34; BGH, Beschl. v. 22.07.2010 – V ZB 29/10 Rn. 6 f.
Zur Sache entscheidend ist letztlich die Auffassung des Oberlandesgerichts, die ugandische Adoptionsentscheidung könne wegen Verstoßes gegen den ordre public nicht anerkannt werden.
Das AdWirkG enthält selbst keine Aussage zu eventuellen Anerkennungshindernissen. Dieses Gesetz stellt aber nur eine spezielle Ergänzung des § 108 FamFG dar, der allgemein die Anerkennung ausländischer Entscheidungen betrifft. Maßstab für die Anerkennungsentscheidung ist damit auch für den Fall einer Adoption die Norm des § 109 FamFG, der in Abs. 1 Nr. 4 speziell den Verstoß gegen den deutschen ordre public als Anerkennungshindernis aufführt. Die Vereinbarkeit mit dem deutschen ordre public hat das Familiengericht im Anerkennungsverfahren auf jeden Fall zu prüfen, auch wenn die fragliche Adoption unter das Haager Adoptionsabkommen (HAdoptÜ) fallen würde. Zwischen den Vertragsstaaten dieses Abkommens (zu denen zwar Deutschland, nicht aber Uganda zählt) werden Adoptionen zwar grundsätzlich „kraft Gesetzes“ anerkannt (Art. 23 HAdoptÜ), eine Prüfung des ordre public wird aber durch Art. 24 AdoptÜ ermöglicht.
Zu den dabei als Vergleichsmaßstab heranzuziehenden „wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts“ wird die in § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB genannte Voraussetzung gezählt, wonach die Annahme als Kind nur zulässig ist, wenn sie dem Wohl des Kindes dient. Hieraus leitet die deutsche Rechtsprechung (vgl. z.B. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 08.07.2010 – 11 Wx 113/09) ab, eine Anerkennung sei dann zu versagen, wenn das ausländische Gericht keine spezielle Kindeswohlprüfung vorgenommen hat. Insbesondere fehle es an einer ausreichenden Prüfung, wenn dabei nicht die möglichen Auswirkungen der Übersiedlung des Kindes aus seinem Heimatstaat berücksichtigt wurden, vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.07.2012 – 1 UF 82/11.
Im konkreten Fall stellt das Oberlandesgericht fest, dass das ugandische Gericht (durch Heranziehung einer Stellungnahme der dortigen Jugendbehörde) zwar eine Kindeswohlprüfung durchgeführt hat, es bemängelt jedoch, dass hierbei nicht berücksichtigt wurde, dass eine Übersiedlung nach Deutschland bereits beabsichtigt war.
Auch hinsichtlich seiner Weigerung, den von ihm vermissten Aspekt der Kindeswohlprüfung nachzuholen, bezieht sich das OLG Nürnberg nicht nur auf seine eigene Rechtsprechung (OLG Nürnberg, Beschl. v. 08.12.2014 – 7 UF 1084/14), sondern auch auf die anderer Beschwerdegerichte (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.02.2012 – 1 UF 82/11).

D. Auswirkungen für die Praxis

Abgesehen von der umstrittenen Frage, ob das beschriebene Anerkennungsverfahren als Familiensache zu qualifizieren ist, entspricht die Entscheidung der Praxis der Beschwerdegerichte, die Anerkennung ausländischer Adoptionsentscheidungen sehr restriktiv und formalistisch zu handhaben.
Für die Weigerung, festgestellte Mängel der ausländischen Entscheidung selbst zu beheben, kann zwar der Hinweis auf den Zweck des Anerkennungsverfahrens angeführt werden. Im konkreten Fall dürften die Zweifel an der Kindeswohldienlichkeit der Adoption der minderjährigen Vollwaisen durch ihre „Ersatzmutter“ auch unter dem Aspekt, dass eine Übersiedlung nach Europa geplant ist, wohl rasch beseitigt werden können. Odendahl in IPRax 2015, 575 kritisiert diese „üblich gewordene Praxis“, zur Anerkennung anstehende ausländische Adoptionsentscheidungen allein nur am deutschen Verfahrensrecht zu messen, anstatt eine umfassende Kindeswohlprüfung bezogen auf das konkrete Resultat der Adoption durchzuführen.
Die restriktive Haltung bewirkt, dass die Beteiligten den Weg einer Wiederholungsadoption gehen müssen.
Für den anwaltlichen Berater stellt sich die Frage, ob statt eines langwierigen, möglicherweise erfolglosen Anerkennungsverfahrens nicht gleich eine Wiederholungsadoption anzustreben wäre.
Für diese besteht aber das Risiko, dass das Rechtsschutzbedürfnis mit dem Hinweis auf das Anerkennungsverfahren verneint wird (vgl. hierzu Maurer in: MünchKomm BGB, 6. Aufl. 2012, § 1752 Anhang, Vor zu AdWirkG Rn. 5).
Der direkte Weg zur Wiederholungsadoption bietet sich somit nur dann an, wenn die ausländische Adoptionsentscheidung – aus der Sicht der deutschen Rechtsprechung – offenkundige Mängel aufweist. Diese wären dann, um die Zulässigkeit der Wiederholungsadoption zu belegen, im Adoptionsantrag zu benennen.