Nachfolgend ein Beitrag vom 5.1.2016 von Götsche, jurisPR-FamR 1/2016 Anm. 4

Leitsätze

1. Bloße Fehler der Ausgangsentscheidung wie Rechen- und Methodenfehler, ungenügende Berechnungsgrundlagen, eine fehlerhafte Bestimmung der Ehezeit oder unrichtige Auskünfte der Versorgungsträger eröffnen das Abänderungsverfahren nach § 225 FamFG nicht (Fortführung BGH, Beschl. v. 24.07.2013 – XII ZB 340/11 – BGHZ 198, 91 – FamRZ 2013, 1548; Beschl. v. 22.10.2014 – XII ZB 323/13 – FamRZ 2015, 125).
2. Hat sich der ehezeitbezogene Wert eines Anrechts dagegen durch nachträglich eingetretene Umstände rechtlicher oder tatsächlicher Art rückwirkend wesentlich verändert und findet unter diesen Voraussetzungen in Bezug auf dieses Anrecht ein Abänderungsverfahren statt, sind in der Ausgangsentscheidung enthaltene Fehler bei der Berechnung des Anrechts mit zu korrigieren.

A. Problemstellung

Häufig stellt ein Beteiligter oder dessen Rechtsanwalt erst nach rechtskräftiger Entscheidung über den Versorgungsausgleich fest, dass diese fehlerhaft ist. Kann dieser Fehler im Wege eines Änderungsverfahrens geltend gemacht werden?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Nach Scheidung seiner Ehe im Jahr 1985 und Durchführung des Versorgungsausgleichs hatte der geschiedene Ehemann im Jahre 1992 für den Zeitraum von Januar 1961 bis September 1967 in die gesetzliche Rentenversicherung freiwillige Beiträge nachgezahlt und dadurch für die Ehezeit der geschiedenen Ehe rd. 10 Entgeltpunkte zusätzlich erhalten. Auf Antrag der geschiedenen Ehefrau hat das Familiengericht nach § 51 VersAusglG den Versorgungsausgleich abgeändert und dabei zulasten des Ehemannes auch diesen nacherworbenen Teil seiner Anrechte ausgeglichen. Nach Rechtskraft dieser Abänderungsentscheidung hat der Ehemann seinerseits die Änderung der Änderungsentscheidung begehrt, weil die 1992 durch die freiwilligen Beiträge erworbenen Anrechte versehentlich der Ehezeit der geschiedenen Ehe zugeordnet worden seien.
Der BGH erklärt das Änderungsverfahren (§ 225 FamFG) für unzulässig. Fehler, die im Ausgangsverfahren bei der Entscheidungsfindung unterlaufen sind, könnten für sich genommen keine Zulässigkeit des Abänderungsverfahrens begründen. Nur wenn sich der Ausgleichswert eines im Versorgungsausgleich ausgeglichenen Anrechts aufgrund nachträglich eingetretener Umstände rechtlicher oder tatsächlicher Art rückwirkend wesentlich geändert habe, könnten in dem Abänderungsverfahren auch Fehler, die dem Ausgangsgericht bei seiner Entscheidung über den Versorgungsausgleich in Bezug auf dieses Recht unterlaufen seien, korrigiert werden. Ein solcher Fall liege nicht vor, da der Ehemann lediglich eine Korrektur der von Anfang an fehlerhaften Abänderungsentscheidung des Familiengerichts erstrebt hatte und andere Änderungsgründe nicht geltend gemacht werden.

C. Kontext der Entscheidung

Zu differenzieren ist, ob der abzuändernde Titel auf der Grundlage des früheren (d.h. bis zum 31.08.2009) oder des aktuellen (d.h. seit dem 01.09.2009) geltenden Rechts des Versorgungsausgleichs erstellt worden ist. Die Abänderung eines nach dem früheren Recht durchgeführten Versorgungsausgleichs (Alttitel) unterliegt den abschließenden Voraussetzungen der §§ 51 f. VersAusglG, insoweit bleiben die §§ 225 f. FamFG lediglich entsprechend anwendbar (vgl. die §§ 51 Abs. 2 und Abs. 5, 52 Abs. 1 VersAusglG). Die Abänderung eines nach neuem Recht auf der Grundlage des VersAusglG durchgeführten Versorgungsausgleichs unterliegt dagegen vollumfänglich den Regeln der §§ 225 f. FamFG. Im vorliegenden Fall war die Abänderung bereits nach § 51 VersAusglG erfolgt und hat wegen der damit verbundenen Totalrevision im Ergebnis einen Titel nach neuem Recht geschaffen. Die sodann vom geschiedenen Ehemann begehrte (erneute) Abänderung unterfiel daher den §§ 225 f. FamFG.
Die Entscheidung entspricht der Rechtsprechung des BGH zum Änderungsverfahren des § 51 VersAusglG (BGH, Beschl. v. 24.07.2013 – XII ZB 340/11 – FamRZ 2013, 1548; Beschl. v. 22.10.2014 – XII ZB 323/13 – FamRZ 2015, 125) und bestätigt diese auch für Änderungsverfahren nach § 225 FamFG. Fehler der Ausgangsentscheidung vermögen die Einleitung eines Abänderungsverfahrens zur Korrektur nicht zu rechtfertigen. Nur wenn sich später tatsächliche oder rechtliche Umstände derart ändern, dass die Änderungsvoraussetzungen in anderer Hinsicht vorliegen – wenn sich rückwirkend eine wesentliche Änderung des Ausgleichswerts eines Rechts ergibt oder wenn eine Wartezeit für dieses Recht gem. § 225 Abs. 4 FamFG erfüllt wird –, können im Abänderungsverfahrens auch Rechenfehler der Ausgangsentscheidung hinsichtlich dieses veränderten Anrechts korrigiert werden. Denn das Änderungsverfahren des § 225 FamFG erfasst nur die veränderten Anrechte, führt also – anders als § 51 VersAusglG, vgl. sogleich – nicht etwa automatisch zur Änderung des gesamten VA, vgl. § 225 Abs. 2 FamFG.
In den Änderungsverfahren des § 51 VersAusglG sind dagegen sämtliche in diese Entscheidung einbezogenen Anrechte auch einer Fehlerkorrektur zugänglich, da in diesem Fall eine Totalrevision durchzuführen ist (BGH, Beschl. v. 22.10.2014 – XII ZB 323/13 – FamRZ 2015, 125).

D. Auswirkungen für die Praxis

Der Anwalt muss die Auskünfte der Versorgungsträger auf ihre sachliche und rechtliche Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen. Gleiches gilt für die Richtigkeit der vom Gericht zum Versorgungsausgleich getroffenen Entscheidung. Nach Rechtskraft der Entscheidung lassen sich Rechen- oder sonstige Fehler kaum mehr korrigieren, selbst wenn Anrechte fehlerhaft (u.U. aufgrund bewussten Verschweigens) überhaupt nicht ausgeglichen wurden (vgl. BGH, Beschl. v. 25.06.2014 – XII ZB 410/12 – FamRZ 2014, 1614 und BGH, Beschl. v. 24.07.2013 – XII ZB 340/11 – FamRZ 2013, 1548). Nur selten wird dann ein Wiederaufnahmeverfahren in Betracht kommen (vgl. Götsche, FamRB 2012, 122 ff.). Je nach Fallgestaltung bleiben allein eventuelle Schadensersatzansprüche gegen den Ex-Ehegatten, gegen den eigenen Anwalt oder (selten) gegen den Versorgungsträger des fehlerbehafteten Anrechts.