Nachfolgend ein Beitrag vom 29.3.2016 von Adamus, jurisPR-FamR 7/2016 Anm. 4

Leitsatz

Die Regelungen in § 31 VersAusglG sind im Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG anwendbar (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 05.06.2013 – XII ZB 635/12).

A. Problemstellung

Bei Tod eines Ehegatten ist es fraglich, ob im Rahmen des Abänderungsverfahrens nach § 51 VersAusglG der neben den §§ 9 bis 19 VersAusglG nicht ausdrücklich erwähnte § 31 VersAusglG Anwendung findet.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Ehe der Antragstellerin mit dem am 04.02.2004 verstorbenen B wurde 1988 geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt. Über ein von der Antragstellerin angestrengtes Abänderungsverfahren zum Versorgungsausgleich wurde nach dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht nach § 10a VAHRG mit Beschluss vom 07.07.2010 entschieden. Die Antragstellerin begehrt nunmehr die erneute Abänderung und trägt dazu vor, dass eine wesentliche Wertänderung des bei der Kommunalen Versorgungskasse Westfalen-Lippe (kvw) erworbenen Anrechts des verstorbenen Ehemannes i.S.d. § 51 VersAusglG vorliege. Nach Einholung der Auskünfte bei den Beteiligten zu 1) und 2) verfügen die Antragstellerin und der Verstorbene über die folgenden Anrechte:
Die Antragstellerin hat bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 3,6728 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gemäß § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 1,8364 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 6.623,97 Euro.
Der verstorbene B hat bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 25,7979 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gemäß § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 12,8990 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 46.527,24 Euro.
Des Weiteren hat er durch die betriebliche Altersversorgung bei den Kommunalen Versorgungskassen Westfalen-Lippe (kvw) ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 170,38 Versorgungspunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gemäß § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 108,32 Versorgungspunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 35.071,28 Euro.
Durch Beschluss vom 20.04.2015 hat das Amtsgericht – Familiengericht – den Beschluss vom 07.07.2010 abgeändert und den Versorgungsausgleich nach neuem Recht durchgeführt. Dabei hat es die Anwartschaft der Antragstellerin bei der Beteiligten zu 1) und die Anwartschaften des Verstorbenen bei den Beteiligten zu 1) und 2) entsprechend der Vorschläge der Versorgungsträger wechselseitig ausgeglichen. Mit der Beschwerde wird gerügt, dass bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs die Vorschrift des § 31 VersAusglG nicht beachtet wurde.
Die zulässige Beschwerde des Versorgungsträgers hat in der Sache vor dem OLG Hamm Erfolg. Die Antragstellerin ist als ehemalige Ehefrau gemäß § 52 Abs. 1 VersAusglG i.V.m. § 226 Abs. 1 FamFG antragsberechtigt, die Abänderung würde sich auch zu ihren Gunsten auswirken, § 225 Abs. 5 FamFG. Die Voraussetzung des § 226 Abs. 2 FamFG, wonach der Antrag frühestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt zulässig ist, ab dem ein Ehegatte voraussichtlich eine laufende Versorgung aus dem abzuändernden Anrecht bezieht oder dies aufgrund der Abänderung zu erwarten ist, ist ebenfalls erfüllt, da die Antragstellerin bereits eine laufende Altersrente bezieht. Hinsichtlich des Anrechts des verstorbenen B bei den kvw liegt unstreitig eine wesentliche Wertänderung i.S.d. § 51 Abs. 2 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 3 FamFG vor.
Beim Tod des per Saldo insgesamt ausgleichspflichtigen Ehegatten ist § 31 VersAusglG als eine die §§ 9 bis 19 VersAusglG ergänzende Vorschrift anzuwenden. Der Ausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten besteht fort und die Halbteilung wird dadurch gewahrt, dass der überlebende Ehegatte durch den Wertausgleich nicht bessergestellt werden darf, als wenn der Versorgungsausgleich vollständig durchgeführt worden wäre, § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG.
Die Saldierung ergibt hier:
Antragstellerin: Anrecht bei Deutscher Rentenversicherung Bund
Korrespondierender Kapitalwert: 6.623,97 Euro
Verstorbener Ehemann: Anrecht bei Deutscher Rentenversicherung Bund
Korrespondierender Kapitalwert: 46.527,24 Euro
Anrecht bei Kommunalen Versorgungskassen Westfalen-Lippe
Korrespondierender Kapitalwert: 35.071,28 Euro
Saldo: 74.974,55 Euro.
Nach § 31 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG ist nach billigem Ermessen zu entscheiden, welche Anrechte zum Ausgleich herangezogen werden. Das OLG Hamm hat hiernach das Anrecht des Verstorbenen bei den kvw mit einem Kapitalwert von 35.071,28 Euro (in voller Höhe) und das weitere Anrecht des Verstorbenen bei der Deutschen Rentenversicherung Bund mit dem Differenzbetrag von 39.903,27 Euro herangezogen und den Ausgleich nach Umrechnung der Kapitalwerte in die maßgeblichen Bezugsgrößen (Entgeltpunkte/Versorgungspunkte) – nur in Richtung Antragstellerin – vorgenommen.

C. Kontext der Entscheidung

Gemäß § 51 Abs. 1 VersAusglG kann eine Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, die nach dem Recht getroffen worden ist, das bis zum 31.08.2009 gegolten hat, bei einer wesentlichen Wertänderung der in den Ausgleich einbezogenen Anrechte abgeändert werden. Liegen die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Abänderung nach § 51 VersAusglG auch nur eines Anrechts vor, unterliegt der gesamte damalige Versorgungsausgleich der „Totalrevision“ mit der Folge, dass nicht nur das von der Wertänderung betroffene Anrecht, sondern sämtliche in die Entscheidung einbezogenen Anrechte nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG neu zu teilen sind (BGH, Beschl. v. 05.06.2013 – XII ZB 635/12 – FamRZ 2013, 1287; BGH, Beschl. v. 24.07.2013 – XII ZB 340/11 – FamRZ 2013, 1548; Götsche in: Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 2. Aufl., § 51 Rn. 26). Die Voraussetzungen für die begehrte Abänderung der Entscheidung lagen hier vor.
Dem OLG Hamm ist daher zuzustimmen, dass auch nach dem Tod des per Saldo insgesamt ausgleichspflichtigen Ehegatten die Abänderung des Versorgungsausgleichs nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG vorzunehmen ist, aber unter Anwendung des § 31 VersAusglG, als eine die §§ 9 bis 19 VersAusglG ergänzende Vorschrift. Die amtsgerichtliche Entscheidung hat dies nicht berücksichtigt. Dies entspricht seit der Entscheidung des BGH vom 05.06.2013 (XII ZB 635/12 – FamRZ 2013, 1287 = NJW-RR 2013, 1153) der herrschenden Rechtsprechung (u.a. OLG Schleswig, Beschl. v. 06.01.2015 – 8 UF 196/14 – FamRZ 2015, 757 und OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.01.2015 – 17 UF 263/14 – FamRZ 2015, 759 in Bezug auf die Anwendbarkeit von § 31 VersAusglG; anders noch OLG Schleswig, Beschl. v. 18.05.2011 – 12 UF 60/11 – FamRZ 2012, 36).
Der Ausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten besteht danach fort. Die Halbteilung wird dadurch gewahrt, dass der überlebende Ehegatte durch den Wertausgleich nicht bessergestellt werden darf, als wenn der Versorgungsausgleich vollständig durchgeführt worden wäre, § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG. Die Besserstellung wird mit Hilfe der Saldierung von Deckungskapital und korrespondierenden Kapitalwerten der auszugleichenden Anrechte vermieden (BGH a.a.O.; Götsche in: NK-BGB, 3. Aufl. 2014, § 31 Rn. 19, 20). Hierdurch werden auch Umsetzungsschwierigkeiten in Bezug auf Anrechte abgemildert, die mit dem Tod des Ehegatten erloschen sind und sonst im Wege eines wechselseitigen Versorgungsausgleichs nicht mehr ausgeglichen werden könnten.

D. Auswirkungen für die Praxis

Im Rahmen des Abänderungsverfahrens nach § 51 VersAusglG muss § 31 VersAusglG Anwendung finden, weil andernfalls Anrechte zugunsten eines bereits Verstorbenen durch interne oder externe Teilung erstmals neu begründet werden müssten. § 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG schließt daher auch einen Anspruch der Erben auf Wertausgleich aus. Die Halbteilung wird dadurch gewahrt, dass der überlebende Ehegatte durch den Wertausgleich nicht bessergestellt werden darf, als wenn der Versorgungsausgleich vollständig durchgeführt worden wäre (§ 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG), was mit der Saldierung der Kapitalwerte der Anrechte erreicht wird.